Mildes Urteil für Kreml-Kritiker: Bewährung für Nawalny
Ein Moskauer Gericht hat den Oppositionellen Alexej Nawalny zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Sein Bruder muss ins Gefängnis.
MOSKAU afp | Der führende Kremlkritiker Alexej Nawalny ist zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Ein Gericht in Moskau sprach den russischen Oppositionellen und seinen Bruder Oleg am Dienstag in einem umstrittenen Betrugsprozess schuldig. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre Lagerhaft gefordert. Nawalny weist die Vorwürfe als politisch motiviert zurück.
Während Alexej Nawalny mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, muss sein Bruder Oleg für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Er wurde in Handschellen aus dem Gerichtssaal abgeführt. Sein Bruder verurteilte dies lautstark als Versuch, „Druck“ auf ihn auszuüben. Das sei eine „Schweinerei“, sagte Alexej Nawalny.
Die Brüder sollen den französischen Kosmetikkonzern Yves Rocher um fast 27 Millionen Rubel (laut damaligem Wechselkurs knapp eine halbe Million Euro) betrogen haben, als das Unternehmen ihren Vertriebsdienst benutzte. Der Finanzdirektor der russischen Filiale von Yves Rocher, Christian Melnik, gab allerdings eine Erklärung ab, nach der dem Unternehmen durch die Kooperation mit dem Vertriebsdienst der Brüder Nawalny letztlich kein Schaden entstand. Ursprünglich hatte Yves Rocher jedoch eine Klage gegen Unbekannt eingereicht, weil das Unternehmen zunächst davon ausgegangen war, der Transportdienst hätte billiger ausgeführt werden müssen.
Nawalny hat fast das ganze Jahr unter Hausarrest verbracht, wobei er nur mit seinen Anwälten und Angehörigen kommunizieren durfte. Er hatte schon wiederholt mit der Justiz zu tun. So wurde er im Juli 2013 in einem anderen Betrugsprozess zu fünf Jahren Haft verurteilt, doch wurde die Strafe später ausgesetzt. Im April 2014 wurde er zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung verurteilt. Bei der Wahl des Moskauer Bürgermeisters im September 2013 war der Blogger und Aktivist auf dem zweiten Platz gelandet.
Das Gericht hatte die Urteilsverkündung kurzfristig um gut zwei Wochen vorgezogen. Nawalnys Umfeld vermutet, dass die Behörden damit eine geplante Demonstration am ursprünglichen Termin Mitte Januar ausbremsen wollen. Für Dienstagabend wurde jedoch bereits zu einer neuen Demonstration in Moskau aufgerufen.
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