piwik no script img

Massenproteste in ArgentinienHunderttausende gegen Kirchner

In Argentinien demonstrieren die Massen gegen die Politik von Präsidentin Kirchner. Und sie wollen nicht, dass diese sich per Verfassungsreform weitere Amtszeiten ermöglicht.

Argentinien erlebt die größten Anti-Regierungs-Proteste seit mehr als zehn Jahren. Bild: dapd

BUENOS AIRES epd | In Argentinien haben landesweit mehr als eine Million Menschen gegen die Politik der Regierung von Präsidentin Cristina Kirchner demonstriert. Vor allem in den Großstädten gingen die Menschen am Donnerstagabend (Ortszeit) auf die Straßen und klapperten lautstark mit Kochtöpfen. Mit dem Lärm der sogenannten „Cacerolazos“ protestierten sie gegen die zunehmende Kriminalität und Korruption, aber auch gegen eine dritte Amtszeit der Präsidentin.

Es waren die größten Proteste seit Beginn der Kirchner-Ära 2003, schrieb die Tageszeitung La Nación. Bis 2007 war der inzwischen gestorbene Néstor Kirchner Präsident, dann folgte seine Ehefrau Cristina, die im vergangenen Jahr wiedergewählt wurde. „Gegen die K-Tyrannei“, hieß es auf Plakaten und: „Ich habe dich gewählt, doch ich glaube, ich habe mich vertan.“

Die Demonstranten verurteilten auch die zunehmende Inflation, die nach offiziellen Angaben bei zehn Prozent liegt, von unabhängigen Experten aber auf 20 bis 30 Prozent beziffert wird. Die Protestaktionen waren über die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter organisiert worden. Allein in der Hauptstadt Buenos Aires beteiligten sich daran nach Angaben der Stadtverwaltung rund 700.000 Menschen. Viele Demonstranten zogen auf die Plaza de Mayo vor den Präsidentenpalast. Im Vorort Olivos umkreisten Tausende Demonstranten lärmend die Residenz der Präsidentin.

Verfassungsreform für die Wiederwahl

Auf Transparenten wandten sich die Demonstranten gegen eine von der Regierung angeregte Verfassungsänderung, die der Präsidentin eine Wiederwahl ohne Einschränkungen erlauben soll. Nach der gegenwärtigen Verfassung darf Cristina Kirchner nach ihrer zweiten Amtszeit zur Präsidentschaftswahl 2015 nicht wieder antreten.

Ihre Popularität ist zuletzt deutlich gesunken. Grund sind Korruptionsskandale bei Regierungsmitgliedern und Versuche, die Aufklärung zu verhindern. Kritisiert werden insbesondere die schleppenden Ermittlungen gegen Vizepräsident Amado Boudou, dem Vorteilsgewährung im Amt vorgeworfen wird.

Anders als früher beschränkte sich der Protest nicht auf die Viertel der Ober- und Mittelschicht in Buenos Aires, sondern erfasste auch ärmere Stadtteile. Auf Plakaten beklagten einige Demonstranten die wachsende Kriminalität. So steige vor allem die Zahl der bewaffneten Überfälle mit Todesfolge. Erpressungsversuche durch Entführungen, Einbrüche und Diebstähle sind an der Tagesordnung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • A
    Anna

    Die Argentinier und Südamerikaner, die ich kenne (teilweise indigener Abstammung) begrüßen mittlerweile die Regierung Kirchner. Wichtige Industriezweige wie die Energie wurden wieder staatlich und auch sonst ist einiges für die ärmsten der armen gemacht worden. Ich konnte nach einer Zeitspanne von 15 Jahren selbst feststellen, dass insbesondere die Urbevölkerung endlich präsenter ist, sogar erste indigene Bürgermeister gibt es. Vor 20 Jahren unvorstellbar, da wurde mir in Buenos Aires noch stolz erzählt, in Argentinien gäbe es keine "Indianer".

    Der Mittel- und Oberschicht mag es heute nicht unbedingt besser gehen, den Ärmensten aber schon und das ist eine Leistung und auch das dringlichste, wo eine Regierung helfen sollte. Es ist wichtiger, den Leuten zu Nahrung, Wohnung und Achtung zu verhelfen als zu einem Auto.

  • A
    AntiK

    Lieber Weinberg: ihre Aussage "Präsidentin Kirchner sollte ihrerseits aber dafür sorgen, dass gegen die Korruption in Argentinien mit harter Hand vorgegangen wird", ist sehr lustig.

     

    Die Präsidentin ist ja Teil der Korruption!!!! Nur ein Beispiel: sie und ihr verstorbener Mann und Ex-Präsident haben in den letzen 8 Jahren ihr Vermögen von ca. 2 Mio. auf ca. 79 Mio. Pesos erhöht und das sind offizielle Daten, jeder hier weiß, dass es noch viel höher sein muss. Wie erklärt man sich das ohne Korruption?

  • C
    Che

    Man sollte wissen, dass die Peronisten (angeblich linksgerichtet) gerne Kritiker als rechts oder Putschisten bezeichnen. In Argentinien gibt es weder Pressefreiheit noch gerechte Wahlen. Z. B. muss jede Partei seine Wahlzettel selbst drucken und der Wähler steckt diesen dann in den Umschlag bei der Wahl. Kleine Parteien haben wegen den Druckkosten von vornherein keine Chance und es "verschwinden" gerne Wahlzettel, so dass man seine Partei nicht wählen kann.

    Was hier gerade passiert, ist der Anfang einer neuen Diktatur und das kann man nur als hier (in Argentinien) lebender spüren und wissen.

    Die große Gehirnwäschemaschine läuft hier schon lange an, mit politischen Kinderfilmchen und Präsenz der Jugendorganisation La Campora in den Schulen. Bald läuft ein Propaganda Film über Nestor Kirchner hier in den Kinos an. Die Propagandamaschinerie des Dritten Reiches funktioniert noch immer.

  • UH
    Udo Henn

    Die Argetinier haben sie ja schliesslich gewahlt, obwohl von vornherein klar war, dass sie insbesondere von Wirtschaftspolitik nichts versteht und sich mit inkompetenten Beratern umgibt. Die Verfassungsaenderung kann sie sich sparen, denn fuer eine weitere Wiederwahl hat sie keine Chance mehr.

  • W
    Weinberg

    Wenn wundert es, dass die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung bei der Vorbereitung der Demos hilfreich Pate gestanden hat.

     

    Weitere Akteure waren rechtsgerichtete Medienkonzerne, ultra-liberale Institutionen und Unternehmen.

     

    Das sollte zum Nachdenken anregen!

     

    Präsidentin Kirchner sollte ihrerseits aber dafür sorgen, dass gegen die Korruption in Argentinien mit harter Hand vorgegangen wird.