Rockerklubs in Niedersachsen: Kuttenträger haben Zulauf
In Niedersachsen vermehren sich kriminelle Rockerklubs. Die Mitglieder kommen auch aus der rechtsextremen Szene, die Strukturen sind sich ähnlich.
HAMBURG taz | Die Motorradrocker breiten sich in Niedersachen aus. Im vergangen Jahr wuchs die Zahl der Klubs, denen das Landeskriminalamt illegale Geschäfte zuschreibt, von 53 auf 70. Der Zulauf kommt dabei auch von ganz rechts. „Diese Entwicklung scheint mir nicht die nötige Wahrnehmung zu erfahren“, sagt Meta Janssen-Kucz, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag.
Eine Antwort des Landesinnenministeriums auf eine kleine Anfrage der Grünen bestätigt die Entwicklung. Auf 800 Personen sei das Rocker-Milieu gewachsen. Sechs Rockergruppierungen stufen die Sicherheitsbehörden als kriminelle „Outlaw Motorcycle Gang“ im Stile von Gremium MC und Hells Angels MC ein.
Von einer gezielten Unterwanderung durch Rechtsextreme geht das Ministerium nicht aus. Die „einzelfallbezogen personellen Kontakte“ seien auf persönliche Bekanntschaften zurückzuführen. Ein Chapter benennt das Ministerium aber doch: „Beim Gremium MC in Stade sind ehemalige Mitglieder aus der rechten Szene Angehörige dieser Rockergruppierung geworden.“
Vor gut vier Jahren versuchte Sebastian Stöber, einst Aktivist der Freien Kameradschaften und NPD-Bundestagskandidat, für Gremium MC das ehemalige Ausflugslokal „Zur Symphonie“, bei Stade als Szenetreff zu nutzen. Das Projekt scheiterte am Protest, die Gemeinde konnte das Lokal zurückkaufen.
In Bremen gab es zuletzt gleich zwei Prozesse, bei denen Rocker angeklagt wurden.
Vor dem Landgericht müssen sich derzeit vier Männer verantworten, weil sie mit Hilfe des Mongols MC "bandenmäßig" mit Drogen "in nicht geringer Menge" gehandelt haben sollen.
Bereits verurteilt ist der ehemalige Chef der Bremer Hells Angels: Wegen Nötigung bekam er zehn Monate auf Bewährung. Das Verfahren gegen seine Frau wurde eingestellt. Zunächst war er wegen räuberischer Erpressung und sie wegen Betruges angeklagt.
Auch im Menschenhandel aktiv
Für den Rechtsextremismusexperten Thomas Kuban ist das kein Einzelfall. Bundesweit sei zu beobachten, dass sich Rechtsextreme dem Rockermilieu zuwenden. Dorf fänden sie die Rahmenbedingungen vor, „die sie gewohnt sind“. Die Mitgründerin des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus Rena Kenzo verweist auf den Charakter eines Bundes durchtrainierter und gewaltbereiter Männer, für die Frauen nur als Beiwerk oder auszubeutende Subjekte existieren. Der Hang zu Waffen als Mittel und Fetisch spiele ebenfalls eine Rolle, sagt Kenzo.
Das niedersächsische Innenministerium schätzt die Lage weniger dramatisch ein. Nach „polizeilichen Erkenntnissen“ würden die Rechtsextremen, wenn sie erstmal die Kutten der Rocker tragen, „ihre bisherigen politischen Ziele nicht weiter verfolgen“, heißt es in der Antwort auf die Grünen-Anfrage.
Janssen-Kucz bezweifelt das: „Die Personen verlieren doch nicht ihr rechtsextremes Denken, wenn sie sich den Rockerklubs anschließen“, sagt sie.
Und noch ein weiteres Problem nehme das Ministerium nicht ernst genug: den Menschenhandel. Dort seien die Rocker nämlich längst auch außerhalb des Rotlichtmilieus aktiv. Die Grüne: „Immer öfter habe ich gehört, dass diese Gruppen Kontrolle über Arbeitskräfte in der Fleischindustrie ausüben.“
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