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LGBT-Rechte beim MilitärEine Weltkarte der Zivilisation

Eine Studie untersucht die Armeen der Welt auf ihren Umgang mit queerem Personal. Die Ergebnisse bestätigen das Selbstbild westlicher Überlegenheit.

Empirisch hieb- und stichfeste Handreichung für geopolitische Erwägungen Screenshot: http://www.hcss.nl

BERLIN taz | Die Streitkräfte Neuseelands, der Niederlande und Großbritanniens zeigen sich weltweit am offensten für Personal mit Lesbisch/Schwulem/Bi- und Transsexuellem (LGBT) Hintergrund. Das ergibt eine am Donnerstag vorgestellte Studie des „Centre for Strategic Studies“ in Den Haag. Auch die Bundeswehr erreicht mit ihrer relativen Offenheit für nicht-heterosexuelle Lebensweisen einen guten elften Platz.

Die letzten Plätze der Rangliste sind reserviert für Nigeria, den Iran und Saudi-Arabien. Uganda ist überraschend noch sieben Plätze vom Listenende entfernt. Wahrscheinlich waren die „Kill-the-gays-Gesetze“ des Landes während der Datenerhebung noch nicht verabschiedet.

Das Problem mit Statistiken ist nun nicht, dass sie lügen. Niemand wird wohl ernsthaft bestreiten können, dass die Situation von LGBTs unerträglich ist in Russland, muslimisch geprägten Ländern oder dort in Afrika, wo amerikanische evangelikale Sekten ihre Ideologien mit viel Geld unter die Leute bringen. Das Problem hier ist das schon in der Fragestellung mitschwingende Vorurteil und die daraus folgende Auswahl des zu untersuchenden Datenmaterials.

Wer zum Beispiel glaubt, dass die Welt sich in eine zivilisierte (die westliche) und eine unzivilisierte (der ganze Rest) unterteilt, benötigt gar keine Datenerhebung um eine Karte zu erstellen, die umso schwärzer wird, je niedriger die angenommene lokale Zivilisationsstufe ist. Diese zahlengestütze Brachialethnologie ist nur das, was sie schon zu Zeiten der Kolonialkriege war: der akademische Weihekranz auf dem imperialen Überlegenheitswahn der westlichen Welt.

So bekommen die „Anderen“ ganz unmissverständlich ihre Farbe, und wir unsere. Wie anders ist diese Art der Kartographie zu verstehen, denn als Aufforderung an unserem Wesen eine ganze Welt genesen zu lassen? Denn es ist doch so gut zu wissen, dass unsere Soldat_*innen im Sturmgepäck nicht nur die besseren Waffen, sondern auch das überlegene genderpolitische Rüstzeug haben. Zumindest, solange sie nicht aus dem falschen baden-württembergischen Dorf stammen.

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9 Kommentare

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  • M
    MaterialismusAlter

    Und wenn Sie, Herr Kretschmar, ein Linker währen und kein Ethnopluralist dann würden Sie die relative (!) Überlegenheit der westlichen Welt in dieser und vielen anderen Disziplinen zur Kenntnis nehmen und dann den Euronationalisten,Kulturkriegern und Apologeten des Kapitalismus die Frage nach den materiellen Grundlagen dieser Überlegenheit stellen. Das tun Sie nicht - und entlarven sich damit als Teil der völlig zu Unrecht so genannten deutschen "Linken", der in ihrem irrationalen Hass auf die westliche Welt tatsächliche Menschen egal sind.

    • Daniél Kretschmar , Autor des Artikels, Autor
      @MaterialismusAlter:

      Und Sie glauben, dass ein Institut, das ohne weiteren Kontext „einfach mal so“ eine Studie zur Attitüde des Militärs gegenüber LGBT macht, tatsächliche Menschen im Blick hat? Welchen Fortschritt bringt sowas z.B. für einen Schwulen in Uganda?

       

      Und was das Prädikat „links“ angeht: Mir ist nicht bekannt, welche Stelle das grad zertifiziert, ich verzichte also gerne auf den amtlichen Stempel.

       

      Ich verbleibe mit Grüßen voller Hass auf die westliche Welt.

  • G
    Gastname

    "Wie anders ist diese Art der Kartographie zu verstehen, denn als Aufforderung an unserem Wesen eine ganze Welt genesen zu lassen?"

    Selten so einen (paranoiden)Schwachsinn gelesen! Ganz nach dem Motto Statistiken sind gut, so lange dem linken Kleingeist das Ergebnis passt. Ähnlich wie bei Volksabstimmungen...

  • M
    Martin1

    Guter Artikel!

     

    Sieht man sich die Karte an, scheinen westliche Länder alle homophil zu sein, und dass in etlichen moslemischen Ländern männliche Homosexuelle aufgehängt (!) werden, dass lässt man mal wieder unter den Tisch fallen. Von wegen "political correctness" und so...

     

    Volker Beck demonstriert auch lieber in Russland (wo er weiß, dass ihm nichts passieren wird, Gratismut), als in Saudi Arabien.

    Gerade in den moslemischen Ländern müsste viel Aufklärungsarbeit geleistet werden!!!

    • @Martin1:

      @Martin1: Wird langsam langweilig, wenn sich Islamhasser immer dann plötzlich für Rechte von z.B. Frauen oder Schwulen & Lesben interessieren, natürlich nur im Kontext, wenn es gilt seine alltägliche Dosis Islam-Hass abzusondern. Hier geht´s um eine weltweite Erhebung und die Erde dreht sich nun mal nicht um eure paranoiden Hassgefühle, liebe Afd´ler & PI-Blog-Leser!

  • S
    Segofred

    Also Herr Kretschmar, vollends begeistert wäre ich, wenn Sie das Wort Soldat_*Innen sowie hier mit Unterstrich, Gender Gap und Binnen-I schreiben.

    Da wären Sie in der Gleichstellung männlicher, weiblicher und vielleicht der 56 anderen Facebook-Geschlechteridentitäten sogar der Grünen Jugend NRW einen Schritt voraus, die es eigentlich nur beim Gender Gap belassen wollte, weil das mittlerweile reaktionäre Binnen-I für sich alleine nur das binäre System der klassisch sozialisierten Geschlechtsgeneralismen fortschreibt.

    Insofern ist man bei der taz sprachlich mindestens wieder auf der Höhe der Zeit.

    Ansonsten Danke, dass in diesem Beitrag der hier raffiniert unter farblicher Einfärbung der Weltkarte versteckte Alltagsrassismus der westlich-dekadenten Gesellschaft mutig und investigativ demaskiert wurde.

  • A
    Arne

    Danke.

     

    Sehr schöner Artikel.

     

    Zivilisation daran festzumachen, welche Rechte Schwule, Lesben und Transsexuelle im Militär haben, ist nun wirklich absurd. Das kann man besser daran festmachen, ob man überhaupt Militär braucht.

     

    Es entsteht wirklich der sonderbare Eindruck, dass auch in der Debatte um Rußlands Gesetze wirklich auch deshalb geführt wird, weil die relative bessere Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben hierzulande mal ein Punkt ist, mit dem man sich chauvinistisch als Bessere darstellen kann.

    Das wird ja eh gerne mit Statistiken gemacht. Angeblich ist ja auch die BRD so wirtschaftlich stark. Die meisten Menschen in skandinavischen Länder würden für das bisschen Produktivität, was die BRD erwirtschaftet, nicht mal arbeiten gehen. Wahrscheinlich muss deshalb jetzt umgeschwenkt werden, dass uns erzählt wird, wir wären so fürchterlich fortschrittlich.

    • T
      Thinker
      @Arne:

      "fürchterlich" fortschrittlich.Die Deutschen haben schon 1-mal versucht den Russen ihre Denkweise aufzuzwingen, aber das hat nicht so richtig geklappt. Vielleicht ist die russische Denkweise also effektiver?

  • C
    cosmopol

    Sind Thailand, Nepal, Georgien jetzt eigentlich auch "zivilisierter Westen"? Oder fast ganz Lateinamerika? Gehören diese Länder auch zu "unserem Wesen" ... das wäre ja eine begrüssenswert internationalistische Haltung.Schade das nicht weiter auf die genauen Fragestellungen der Studie eingegangen wird, das wäre interessant zu wissen.

     

    Aber ja, ein bisschen Barbarendiskurs ist durch die starken Kontraste dabei. Nach allem was ich über die Bundeswehr so weiß, dürfte die Karte wohl eigentlich erst bei Dunkellila anfangen, aber gut, sollen ja Unterschiede sichtbar sein. So wird halt der EIndruck erweckt die Situation sei überhaupt irgendwo aktzeptabel ... das ist sie aber nicht.