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Kreuzberger Hauptmann-SchulePolizei beendet Besetzung

Eine Woche lang hat die Polizei den Kiez um die Ohlauer Straße besetzt. Jetzt zieht sie ab - weil der Bezirk keine Räumung der Flüchtlinge will.

Monika Herrmann am Oranienplatz in Kreuzberg (Archiv) Bild: dpa

Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), reagiert auf das Ultimatum von Polizeipräsident Klaus Kandt: "Wir werden ganz sicher kein Räumungsersuchen an die Polizei stellen", sagte sie am Montagabend gegenüber der taz. Herrmann: "Das Risiko, dass Leute dabei zu Schaden kommen, ist einfach zu hoch."

Kandt hatte Herrmann am Montag gegen 18 Uhr schriftlich aufgefordert, bis Dienstagfrüh um 7 Uhr mitzuteilen, ob die rund 40 verbliebenen Flüchtlinge in der Schule von der Polizei zwangsgeräumt werden sollen. Falls nicht, werde "die Polizei die operativen Maßnahmen an dem Objekt ab diesem Zeitpunkt sukzessive zurückfahren", hieß es in einer Pressemitteilung der Polizei.

Ein Flügel für Flüchtlinge

Herrmann sagte kurz darauf zur taz, mit dem Ultimatum werde ihr "die Möglichkeit genommen, den Konflikt zu einem friedlichen Ende zu bringen". Sie hatte am Sonntag mit dem Bezirksamt ein Angebot für die verbliebenen Flüchtlinge in der Schule ausgearbeitet: Den Flüchtlingen, die derzeit auf dem Dach ausharren, sollte während des Umbaus des Gebäudes zum Flüchtlingszentrum ein Flügel als Unterkunft zur Verfügung gestellt werden. Der Rest des Gebäudes sollte baulich vor Zutritt gesichert werden, damit es nicht erneut besetzt werden kann.

Im Innenausschuss hatte Kandt am Montagvormittag bereits gesagt, was ein Abzug der Polizei bedeuten wird: Die Schule werde dann sehr schnell wieder mit Leuten „volllaufen“. Und danach, so Kandts Prophezeiung, „wird es schwer, die Schule wieder leerzubekommen“.

Abzug bis 13 Uhr

Damit wird voraussichtlich an diesem Dienstag die einwöchige Polizeiabsperrung des ganzen Häuserblocks rund um die besetzte Schule aufgehoben. Nach Informationen der taz plant der Polizeipräsident, bis Dienstag 13 Uhr alle Absperrungen abzubauen und den letzten Polizisten abzuziehen. Anwohner und Gewerbetreibende waren zunehmend verärgert darüber, dass ihr Kiez abgeriegelt ist und sie nur mit Ausweiskontrollen in die Sicherheitszone kommen.

Die ehemalige Schule in der Ohlauer Straße war seit dem Winter 2012/2013 besetzt. Am vergangenen Dienstag wurden die Flüchtlinge aufgefordert, in die vom Senat zu Verfügung gestellte Unterkünfte umzuziehen. Die Polizei sperrte das Gebiet ab, damit die Maßnahmen nicht gestört werden - etwa durch Demonstranten - und es nicht zu einer erneuten Besetzung kommt.

Nach Angaben von Polizeipräsident Kandt hatte Bezirksbürgermeisterin Herrmann persönlich die Polizei um Amtshilfe gebeten. Über 200 Flüchtlinge zogen in Heime etwa in Charlottenburg und Spandau, doch rund 40 weigerten sich. Sie forderten ein Bleiberecht und drohten damit, sich bei einer Räumung anzuzünden oder vom Dach zu stürzen.

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28 Kommentare

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  • Die TAZ hat hier ein gutes Bild ausgewählt. Es symbolisiert die Ambivalenz der Grünen.

    Das steht die Dame da mit einer 250 € teuren Jack Wolskin jacke, die ja auch noch schön chemiebelastet ist und schlecht zu entsorgen ist.

    Die sollen doch den Flüchtlingen endlich nachhaltig helfen, was ist daran so schwer.

  • Ich wundere mich, dass die Kreuzberger Anwohner nicht schon längst alle Flüchtlinge bei sich zuhause aufgenommen haben. Hier wäre die Gelegenheit, die ansonsten (etwa nur obligatorisch und rituell?) geäußerte Forderung nach Migrationsausweitung vorbildhaft und mit Eigenbeteiligung wahrhaftig werden zu lassen.

    • @Dresden:

      Wie immer: ahnungslos...

       

      Viele Geflüchtete waren obdachlos, weil sie zum Zeitpunkt der ersten Räumung nicht anwesend waren. Sie haben zum Teil im Görlitzer Park übernachten müssen. Seitdem werden viele Schlafplätze privat angeboten. Genau wie schon seit zwei Jahren, seitdem der Protest in Berlin angekommen ist.

       

      Aber vielleicht leuchtet Ihnen ein - vermutlich leuchtet bei Ihnen gar nichts - dass das keine Lösung ist, die die Geflüchteten sich wünschen. Sie wollen wie alle anderen Menschen ein normales Leben fühlen. Nicht auf der Couch von Unbekannten und auch nicht in einem isolierten Lager.

      • @Melange:

        @Melange: Sind Sie auch ohne das Bedürfnis nach persönlicher Diffamierung und Angriffen auf andere Meinungen diksursfähig? Ich vermute, die armen Flüchtlinge dienen Ihnen und Ihresgleichen nur dazu, Ihre Notdurft nach Aggression und Ritualprotesten zu legitimieren. Was die Sachlage angeht, gibt es genügend Unterkunftsmöglichkeiten in Deutschland für Flüchtlinge, auch wenn die fürs erste nicht immer hohen Komfort bieten. Aber als Übergangslösung ist es besser als diese gegenwärtigen merkwürdigen Aktionen glauben machen wollen. Sie, Melange, sollten etwas mehr Mut zur Realität aufbringen - es lohnt sich.

        • @Dresden:

          Was bringt es, Geflüchtete bei sich zu Hause aufzunehmen, wenn morgen die Staatsgewalt kommt, um diese Menschen abzuholen und zu deportieren? Es geht nur über Demonstrationen, nicht über Einzelaktionen..

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    "Brandstiftung"

    Da war doch was...

     

    1992 hat sich der Staat erpressen lassen, von echten Brandstiftern.

     

    Wäre doch schon mal ein Anfang diese Erpressung rückgängig zu machen.

    • @8545 (Profil gelöscht):

      Was für ein Schwachsinn.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Endlich hat man also eingesehen, daß Belagerung von Flüchtlingen kein adäquates polizeiliches Mittel darstellt. Gott sei Dank - am Ende wäre es noch ausgeartet wie in Waco, als hunderte Unschuldige sterben mußten. So etwas kriegt schnell ne Eigendynamik, wenn mal die ersten Kugeln geflogen sind.

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Was für ein unschlüssiges und unfähiges Gehampel der grünen Bürgermeisterin. Wie soll es denn jetzt weitergehen? Soll die Vogel-Strauß-Politik des Ignorierens weitergeführt werden? Oder knickt man jetzt gegenüber den Erpressern ein? Wahrscheinlich hat man jetzt einen neuen Brennpunkt geschaffen.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @738 (Profil gelöscht):

      Erpressung? Habe noch gar nichts davon gelesen. Das müssen Sie uns unbedingt erzählen, offenbar haben die Zeitungen da was übersehen.

    • @738 (Profil gelöscht):

      Demonstrationen sind keine Erpressung, sondern Teil guter demokratischer Praxis. Totalitarismus hatten wir in Berlin schon genug!

      • D
        D.J.
        @Dhimitry:

        Ich denke, mit ein wenig Nachdenken werden auch Sie darauf kommen, dass angedrohte Brandstiftungen innerhalb der demokratischen Praxis als eher unüblich angesehen werden. Zumindest in Ländern, in denen allen Berffenden eine rechtsstaatliche Prüfung der Anliegen garantierst ist.

        Dass das die so genannten "Unterstützer" natürlich nicht die Bohne interessiert, ist geradezu banal zu sagen.

        • @D.J.:

          Richtig. Gewalt darf kein Mittel der Politik sein. So habe ich mich auch hier im Forum geäußert, als die Meldung einer angedrohten Brandstiftung erstmals veröffentlicht wurde.

           

          Mittlerweile bezweifele ich aber, dass es diese Drohung wiklich gibt bzw. gegeben hat. Sie ist das einzige Argument, mit dem der Bezirk bisher den Zugang von Journalisten verhindern konnte. Da heute nun wohl Journalisten ins Haus dürfen, kann davon ausgegangen werden, dass selbst der Bezirk und die Polizei nicht mehr an die Existenz dieser Drohung glauben.

           

          Darüber hinaus bezweifele ich, dass wir im Breich des Asly- und Zuwanderungssystems in einem Rechtsstaat leben. Oft hört man, dass Menschen die abgeschoben wurde hinterher vor deutschen Gerichten recht bekommen haben. Damit mag der judikative Teil des Rechtsstaats funktionieren, der exekutive Teil aber nicht. Der schafft die Fakten und hinterher interessiert es keinen mehr, weil sich die Welt weiter gedreht hat...

          • @Dhimitry:

            Ein demokratischer Staat beruht auf Gesetzen, die eingehalten werden müssen. Stellen sie sich vor, auch andere Gesetze werden in Frage gestellt, etwa Bankraub oder Diebstahl wird legal oder Erpesssung ist okay.

            • 9G
              90191 (Profil gelöscht)
              @Tupaq:

              Hier bestand aber kein Anfangsverdacht auf Erpressung, sonst hätte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. Oder wollen Sie als Unwissender das etwa besser wissen?

            • @Tupaq:

              Eine Demokratie lebt davon dysfunktionale Systeme zu verändern. Blinder Legalismus hilft nicht weiter, sondern führt in die Katastrophe!

              • @Dhimitry:

                Wir haben klare Gesetze (politische Verfolgung als voraussetzung für Asyl, sichere Drittstaatenregelung Dublin 2)- die haben gute Gründe und sind im politischen Prozess entstanden und die gilt es einzuhalten.

                Diese Gesetze gehen über "Absprachen" irgendwelcher Minipolitiker.

              • @Dhimitry:

                Das haben Sie zutreffend formuliert. Volle Zustimmung!

                Ich hab schon lange den Eindruck, dass Gesetze nicht mehr gemacht werden, um ein funktionierendes Gemeinwesen zu ermöglichen, sondern nur noch, um sich dahinter verstecken zu können.

        • @D.J.:

          Das Selbstentzünden hat mit Brandstiftung nichts zu tun. Selbstentzündung und andere Formen des politischen Suizids sind sinnvolle demokratische Ausdrucksformen, wenn gesellschaftliche Verhältnisse und staatliche Repression nichts anderes zulassen - Es gibt zum einen einschlägige Wikipedia-Einträge zum Nachlesen, zum anderen lohnt sich ein Blick in die jüngste Vergangenheit: 2013 vor dem Berliner Reichstag, 2010 die Selbstverbrennung eines jungen Tunesiers als Initialpunkt zunächst revolutionärer Bewegungen.

           

          ...und zum Thema "rechtsstaatliche Prüfung" verweise ich nur auf die bestehenden Beiträge, auch hier bei dieser Zeitung.

  • "Polizei beendet Besetzung" nicht und gehen erstmal nach Hause.

  • Im Grunde ist der Abzug der Polizeikräfte nichts weiter als eine Deeskalation.

    Hätten sich Aktivisten und Polizisten auf den Füßen gestanden, hätte es irgendwann geknallt.

     

    Ich höre jetzt erstmal von Extrabreit "Polizisten"

  • Warum dann nicht gleich so?

     

    Manchmal hat man den Eindruck, einige Politiker, besonders von den Grünen, geben sich immer Mühe, in der öffentlichen Wahrnehmung möglichst blöd dazustehen.

  • Grundsätzlich kann das Bezirksamt sein Hausrecht so ausüben, dass es die Leute im Haus duldet, aber niemanden hineinlässt. Die Polizei kann bei Verstößen natürlich angefordert werden.

    Leider gewinne ich zunehmenden den Eindruck, dass die Bezirkspolitiker hoffnungslos überfordert sind.

    • D
      D.J.
      @XBurger:

      Und fast das gesamte Land - Nichtmigranten ebenso wie Migranten - fragt sich kopfschüttelnd, warum Kreuzberg-Friedrichshein so ewas wählt.

  • Na ja wenn man nicht räumen will muss die Polizei da auch nicht weiter rumstehen und die Anwohner stressen.

    • @mrf:

      Genau, und in 2 Tagen herrschen dort wieder die Zustände wie in den letzten 1 1/2 Jahren. Mir tun nur die verheizten Beamten leid. Soviel Unfähigkeit auf einem Haufen sucht seinesgleichen.

      • @kuzorra :

        Das ist doch genau das wofür Fr. Herrmann steht. Das wollen die Berliner scheinbar nicht besser.

         

        Sollen Sie halt, dafür isses Demokratie.

        • @DasNiveau:

          Tja, nur sollen sie ihr Chaos halt auch selber bezahlen...aber wie? :D