Kommentar Türkei und IS-Milizen: Ankara durchkreuzt Obamas Pläne
Die türkische Regierung hat kein Interesse daran, den Kurden gegen IS zu helfen. Ihr steht die sunnitische Opposition sehr viel näher.
Solange es nicht das klare Ziel des Feldzugs ist, Baschar al-Assad zu stürzen, wird kein türkischer Soldat seinen Fuß auf syrischen Boden setzen.“ Erstmals hat der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu in einem Interview mit CNN klargemacht, dass die Türkei nicht bereit ist, sich an der von den USA angeführten Anti-IS-Koalition zu beteiligen, wenn nicht der Regimewechsel in Damaskus das Ziel ist.
Das gelte im Übrigen auch für Kobane. Warum sollen wir in Kobane eingreifen und in Aleppo nicht, fragte Davutoglu am Montagabend und machte damit erneut deutlich, dass die türkische Regierung sich der sunnitisch-islamischen Opposition sehr viel näher fühlt als den bedrängten Kurden.
Das kommt einer Absage an die USA gleich, denn die Obama-Administration dementiert zwar, sich mit dem Assad-Regime abzusprechen. Doch es ist offensichtlich, dass es eine stillschweigende Übereinkunft gibt, wonach die amerikanische und die syrische Luftwaffe sich nicht gegenseitig bedrängen.
Die türkische Regierung will das ändern und fordert von den USA, eine Flugverbotszone für die syrische Luftwaffe in Nordsyrien durchzusetzen, damit die Opposition in dieser Region nicht mehr aus der Luft angegriffen werden kann. Auch wenn sich diese Forderung zunächst einmal plausibel anhört: dahinter verbirgt sich eine grundsätzlich andere Strategie, als sie der Westen im Moment formuliert.
Während Barack Obama den sunnitischen Extremismus eindämmen will und den IS-Anhängern durch Luftangriffe die Fähigkeit nehmen will, größere Terroraktionen in den USA oder Europa vorzubereiten, will die Türkei sich möglichst als Schutzmacht der Sunniten in Syrien und im Irak inszenieren.
Der Islamische Staat, so die Botschaft aus Ankara, übertreibt zwar etwas, aber im Kern haben die Sunniten ja recht, sich gegen die Unterdrückung durch Assad und die schiitische Regierung im Irak aufzulehnen. Folglich muss man die sogenannten gemäßigten Sunniten, mit denen Erdogan und Davutoglu gerne zusammenarbeiten wollen, durch eine Flugverbotszone und Schutzzonen auf der syrischen Seite der Grenze unterstützen.
Ob solche Maßnahmen dann die von Obama gezimmerte Koalition sprengen, interessiert in Ankara nicht. Erdogan geht es vor allem anderen um die eigenen Interessen als Regionalmacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste