Kommentar Sahra Wagenknecht: Chance für einen Neustart
Sahra Wagenknecht wird keine weitere Amtszeit als Fraktionsvorsitzende anstreben. Die Partei kann nun längst fällige Debatten führen.
K ann das ein Zufall sein? Genau 20 Jahre nach dem Rücktritt ihres Ehemannes als Finanzminister und SPD-Vorsitzender kündigt Sahra Wagenknecht in der Linksfraktion an, sie werde bei der Neuwahl nicht mehr als Fraktionsvorsitzende kandidieren.
Oskar Lafontaine spaltete damals mit seinem Rückzug das linke Lager, er wechselte die Partei, gründete erst die Linkspartei und dann „Aufstehen“ mit, die Wahlergebnisse der SPD haben sich seitdem halbiert. Droht der Linken mit dem Rückzug Wagenknechts aus der Führungsebene ein ähnliches Schicksal?
Wenn die Linkspartei sich geschickt verhält, dann nicht. Gut, in den vergangenen eineinhalb Jahren zählte politische Klugheit nicht gerade zu den herausragenden Tugenden in den Führungsetagen der Partei. Im Dauerstreit zwischen dem Wagenknecht-Lager und den UnterstützerInnen der Parteispitze um das Thema Migrationspolitik hat sich die Partei monatelang aufgerieben.
Wagenknecht, das muss man wohl sagen, hat diese Auseinandersetzung auf allen Ebenen verloren. Sie hat sich mit ihrer Position in der Migrationspolitik nicht durchsetzen können. Die Partei akzeptiert keine Das-Boot-ist-voll-Haltung, sie will die „Offenen Grenzen für alle Menschen“ zumindest auf dem Papier. Im Europawahlprogramm findet sich der Passus, der ein halbes Jahr zuvor fast den Parteitag sprengte. Auch Wagenknechts Sammlungsbewegung hat sich als Flop erwiesen. Sie selbst hat sich am Wochenende bereits aus dem „Aufstehen“-Vorstand verabschiedet.
Triumph ist fehl am Platz
Dass ihr Rückzug von der Fraktionsspitze mit diesem politischen Scheitern zusammenhängt liegt auf der Hand – auch wenn Wagenknecht selbst persönliche Überlastung und ihre gerade überstandene Krankheit ins Feld führt. Ein schlüssiger Grund, aber auch eine willkommene Brücke. Wagenknecht war nie eine begnadete Fraktionschefin – das Administrieren hat sie Co-Chef Dietmar Bartsch überlassen. Sie übernahm die Talkshows.
Doch Triumph ist fehl am Platz. Wenn die Partei klug ist, dann gewährt sie Wagenknecht einen gesichtswahrenden Abgang und lässt sie anschließend nicht in der politischen Versenkung verschwinden. Der Rückzug aus der Spitze eröffnet die Chance, jetzt längst fällige Debatten ohne machtpolitisches Taktieren zu führen – wie stellt sich die Linke Einwanderung und Integration vor, wie kann man die Wähler im Osten mobilisieren?
Der Partei drohen bei drei Landtagswahlen Niederlagen. Um Schwung aufzunehmen und nach vorn zu kommen, sollte die Linke auch auf Wagenknecht als Publikumsliebling setzen. Noch ist sie das prominenteste Mitglied.
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