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Kommentar Ende des BahnstreiksAlles andere als eine Kapitulation

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Bisher bot der Bahnvorstand eine perfekte mediale Inszenierung. Nun ist das Schmierentheater beendet worden. Ein Anfang.

Die kommende Strecke birgt noch einige Hindernisse. Bild: dpa

D ie schlechte Nachricht zuerst: Wer sich am morgigen Freitag mit dem Wagen durch die Republik bewegen will, muss damit rechnen, viel vergeudete Zeit auf der Autobahn zu verbringen. Aber das war schon vorher klar. Denn morgen ist traditionell der verkehrsfreudigste und also staureichste Tag des Jahres.

Die gute Nachricht lautet: Wer sich seinen Pfingstausflug nicht verderben lassen will, hat jetzt doch noch eine Alternative. Denn er oder sie kann die Bahn nehmen.

Der am Donnerstagmorgen verkündete Abbruch des Lokführerstreiks ist aber nicht nur ein Segen für viele Reisende, sondern vor allem ein Hoffnungszeichen für das in der Lokführergewerkschaft GDL organisierte Zugpersonal. Denn das vorzeitige Ende ihres Ausstands ist alles andere als eine Kapitulationserklärung. Vielmehr scheint es endlich eine tragfähige Grundlage für ernsthafte Schlichtungsgespräche zu geben, weil es der GDL offenkundig gelungen ist, den Bahnvorstand zur Aufgabe seiner destruktiven Machtspiele zu zwingen. Das ist ein Verdienst ihres ausdauernden Arbeitskampfes. Der Gordische Knoten habe durchschlagen werden können, jubiliert GDL-Chef Claus Weselsky.

Bisher bot der Bahnvorstand vor allem eine perfekte mediale Inszenierung. Gekonnt schob er der angeblich so verbohrten Lokführergewerkschaft und ihrem vermeintlich selbstsüchtigen Chef Weselsky den Schwarzen Peter für die verfahrene Situation zu. Nach außen hin gaben sich die Unterhändler des Staatskonzerns kompromissbereit, in den Verhandlungen hinter verschlossenen Türen blieben sie knallhart. Dieses Schmierentheater beendet zu haben ist das Verdienst des ehemaligen Vorsitzenden Richters am Bundesarbeitsgericht, Klaus Bepler. Seine Hinzuziehung sorgte für jene Verbindlichkeit, die bislang fehlte.

Endlich kann über die materiellen Forderungen verhandelt werden

Endgültig beigelegt ist der Tarifkonflikt damit noch keineswegs. Aber nachdem sogar das Problem der Lokrangierführer zugunsten der GDL-Forderung nach einer Gleichbehandlung mit den Lokführern ausgeräumt scheint, kann endlich über die materiellen Forderungen der Gewerkschaft verhandelt werden: 5 Prozent mehr Lohn, Arbeitszeitverkürzung und Überstundenbegrenzung.

Dass der Bahnvorstand weiterhin anstrebt, mit der GDL einen Abschluss zu erreichen, der sich nicht substanziell von dem der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) unterscheidet, ist sein legitimes Recht. Entscheidend ist jedoch, dass dies nicht mehr die Bedingung für eine Einigung ist. Denn ebenso legitim ist der Anspruch der GDL, sich keinem Tarifdiktat unterwerfen zu wollen.

Den Weg, den Klaus Bepler eröffnet hat, müssen nun Bodo Ramelow und Matthias Platzeck weitergehen. Als Schlichter sind sie eine gute Wahl: Beide sind gewiefte wie integre Unterhändler, die sich weder von der einen noch der anderen Seite instrumentalisieren lassen werden. Und beide verfügen über die notwendige Autorität und Glaubwürdigkeit, um für einen fairen Kompromiss zu ringen.

Ob er erreicht werden kann, hängt sowohl vom Bahnvorstand als auch der GDL ab – und von konkurrierenden EVG. Jetzt kann die Bahn beweisen, dass sie wirklich an gleichberechtigten Verhandlungen interessiert ist. Die kommende Strecke birgt noch einige Hindernisse. Aber wenigstens ist ein Anfang gemacht.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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18 Kommentare

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  • Kann mir einer erklären, warum sich ausgerechnet eine Zeitung, die sich als Links versteht, für eine CDU-dominierte sogenannte Gewerkschaft einsetzt? Vielleicht, weil der Vorsitzende so schön die Rebellenpose gibt? Die Existenz der GDL beruht auf einem egoistischen Verhalten der Lokführer, die aufgrund ihrer Schlüsselstellung im Unternehmen maximale Forderungen stellen können, die, sollten sie erfüllt werden, selbstverständlich auf Kosten der restlichen Bahn-Belegschaft gehen. Das nennt man gemeinhin Spaltung der Belegschaft in wehrfähige und weniger wehrfähige. Jetzt kann man sagen, jeder ist sich selbst der nächste. Das ist allerdings das Gegenteil von Solidarität und entspricht eher der FDP-Variante "Wenn sich jeder um sich selbst kümmert, ist allen geholfen". Vielleicht gibt es ja zu denken, dass sich die GDL mit Ausnahme des neunten Streiks letzte Woche alle sogenannten Arbeitskämpfe (schon wieder ein Wort der linken Kultur durch die GDL enteignet) vom Beamtenbund hat finanzieren lassen. Dieser steht traditionell der CDU nahe und hat mit linker Politik nichts am Hut. Wäre ich gemein, würde ich sagen, die GDL und deren Unterstützer sind die nützlichen Idioten von Frau Merkel. Ich sags aber nicht, weil die Intelligenten von selbst drauf kommen und die anderen es ohnehin nicht glauben.

    • @LinusderZweite:

      Da stimmt so ziemlich gar nichts. Die taz hat keine einheitliche Redaktionsmeinung und wenn Sie sich die übrigen taz-Kommentare zur GDL mal anschauen, so unterscheiden die sich im Tenor nicht von Bild und Welt. Dass Lokführer eine Schlüsselstellung einnehmen, war auch ohne Gewerkschaften schon immer so. Die Forderungen der GDL gehen in keiner Weise auf Kosten der restlichen Bahn-Belegschaft - im Gegenteil. Die Lokführer haben auch solidarisch für Verbesserungen bei den Zugbegleitern gestreikt. Die Bahn wollte aber von Anfang an mit der GDL ausschließlich über Abschlüsse der Strecken-Lokführer verhandeln. Alle Streiks werden im wesentlichen aus der Streikkasse, also aus Mitgliedsbeiträgen finanziert. Die GDL ist allerdings dem Dachverband des Beamtenbundes angeschlossen. Wie Sie vielleicht wissen, waren Lokführer früher alle verbeamtet und durften nicht streiken. Tarifverhandlungen erstrecken sich nicht nur auf Lohnverhandlungen, sondern auch auf Rahmentarifverträge, in denen grundsätzliche Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten ausgehandelt werden - etwa die Regelarbeitszeiten etc. Der Beamtenbund hat zur Finanzierung der Streiks mit beigetragen, weil er die Angebote der Bahn ebenfalls für völlig unzureichend hält. Das Tarifeinheitsgesetz wird insbesondere vom Beamtenbund vehement abgelehnt, der bereits eine Verfassungsklage dagegen angekündigt hat. Die lediglich vermutete CDU-Nähe des Beamtenbundes wirkt sich in Sachfragen jedenfalls nicht aus.

  • Ich finde, das ist ein sehr guter Kommentar. Gerda Seibert, die Pressesprecherin der GDL. hätte es nicht schöner formulieren können.

  • "Nun ist das Schmierentheater beendet worden."

     

    Ich glaube eher, das Schmierentheater fängt erst an.

  • Jetzt wird wenigstens die arme EVG nicht mehr von der bösen GDL so unfair behindert und darf auch mal zeigen, was sie kann ;-))

  • Dass der Bahnvorstand kein Waisenknabe ist und durchaus seine Machtspiele spielt, ist klar. Die Forderung der GdL ist jedoch gesellschaftlich auf jeden Fall abzulehnen: Sie will ungleichen Lohn für gleiche Arbeit. Man kann darüber streiten, ob ein Rangierlokführer, der Loks in besserem Schritttempo bewegt das gleiche Gehalt wie ein Streckenlokführer erhalten soll. Nicht streiten jedoch kann man, ob ein Lokführer der einen Gewerkschaft mehr als ein Lokführer der anderen Gewerkschaft erhalten soll. Genau dies aber will die GdL und genau dies ist die Bedingung die Weselsky stellt, bevor er überhaupt über die Sachthemen verhandeln will.

    Grundtenor jeder Verhandlung jeder Gewerkschaft sollte sein, dass die Verhandlungsergebnisse für alle Angestellten des Konzerns gelten. Die GdL hat ungleichen Lohn für gleiche Arbeit bereits bei den Privatbahnen durchgesetzt und will dies jetzt auch bei der DB tun. Dies ist antisozial und sollte von einer linken Tageszeitung nicht honoriert werden. Dass er dafür die Bahn zu Grund richtet und damit das ökologischte Verkehrsmittel nach dem Fahrrad marginalisiert, sollte einer ökologisch ausgerichteten Tageszeitung ebenfalls nicht egal sein.

    Dies soll natürlich nicht davon abhalten, die Verfehlungen des DB-Managements aufzuzeigen. Aber nur weil Weselsky mit seiner unökologischen und unsozialen Politik gegen das Bahnmanagement streitet, hat er keine Lorbeeren verdient.

    • @Velofisch:

      Es wäre doch gelacht, wenn sich die Arbeitgeber, in diesem Land die Butter vom Brot nehmen lassen. Im Zweifel wird halt solange in den Medien Propaganda gegen die GDL betrieben, dass es in Teilen schon an Volksverhetzung grenzte. Meine Verachtung in diesem Zusammenhang, gelten dem Bahnvorstand und der Bundesregierung, welche eindeutig alleine für diese Eskalation waren und sind. Man will in Deutschland, so wie in den USA Gewerkschaften mehr oder minder zerschlagen, und viele Medien helfen dabei. Widerlich.

    • 6G
      64938 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      Sehr guter Kommentar.

       

      Die Lokführer der GDL müssen sich nun in eine Reihe stellen lassen mit anderen "Klassenkämpfern", wie zB den Piloten von Cockpit.

      Der Vertrauensverlust in das ökologische Verkehrsmittel Bahn ist sicherlich immens, besonders kleine und mittelständische Firmen werden bei den andauernden Verlusten durch die GDL auf LKWs umsteigen.

      • @64938 (Profil gelöscht):

        Offensichtlich sind Sie ein großer Fan von @velofisch. Leider übersehen Sie, dass die Lokführer mit Ihrem Gehalt bei weitem nicht heranreichen an die Piloten von Cockpit. Wer sich solcher hinkenden Vergleiche bedient, lässt allzu offensichtlich den Spaltungs-Versuch durchblicken.

    • @Velofisch:

      "Die GdL hat ungleichen Lohn für gleiche Arbeit bereits bei den Privatbahnen durchgesetzt und will dies jetzt auch bei der DB tun. Dies ist antisozial und sollte von einer linken Tageszeitung nicht honoriert werden."

      Das müssen Sie mal erläutern, was daran antisozial ist.

      Ich habe Jahrzehnte im öffentlichen Dienst gearbeitet und es war für mich eine Selbstverständlichkeit, dass meine Kollegen, die Kinder zu Hause zu versorgen haben lt. BAT einen wesentlich höheren Ortszuschlag erhielten als ich als Alleinstehender. Ich fand dies in keinster Weise "antisozial" und ich denke auch, dass eine linke Forderung viel eher lauten muss "Jeder ist nach seinem Bedarf zu entlohnen!"

      "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!" ist völlig neoliberal und unsozial.

    • @Velofisch:

      Fast alles falsch.

       

      Die Bahn und EVG haben im Konzern 4 Tarifverträge für einen Lokführer mit unterschiedlicher Bezahlung, Sozialleistungen und Arbeitszeiten. (z.B. UBB, RAB, Zeitarbeit u.a.) Erst Quellen, suchen dann Wahrheit schreiben. Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit haben sie auch nicht. Das ist interne Ungleichheit.

       

      Und im allgemeinen. Gewerkschaft ist wie Krankenkasse. Jeder kann sie sich aussuchen und bekommt unterschiedliche Leistungen für seinn Beiträge. Das ist Marktwirtschaft.

       

      Die EVG hat mit privaten EVU(Bahnen) auch unterschiedliche Tarifverträge mit schlechterer Bezahlung verhandelt. Auch mit Busunternehmer. Gleisbau und viele andere.

       

      Wie gesagt erstmal schlau machen und dann Unfug schreiben.

       

      Recherche www.transnet.org

    • @Velofisch:

      Das Argument des ungleichen Lohns ist unsinnig. Erstens steht es der Bahn frei, den besseren Tarifvertrag allgemein anzuwenden, zweitens steht es jedem Beschäftigten frei, die Gewerkschaft zu wechseln und so vom besseren Vertrag zu profitieren. Dieser Wettbewerb der Gewerkschaften spornt diese also zu besseren Abschlüssen an.

    • @Velofisch:

      Ich möchte vorschlagen, diesen Kommentar als Leserbrief abzudrucken. Besser kann man es nicht formulieren.

      • @Christian:

        "Man kann darüber streiten, ob ein Rangierlokführer, der Loks in besserem Schritttempo bewegt das gleiche Gehalt wie ein Streckenlokführer erhalten soll."

        Auch wenn ich nicht bei der Bahn beschäftigt bin, sehe ich mich doch gezwungen ein gutes Wort einzulegen für die Rangierlokführer, die schon vom Arbeitgeber, der Bahn so stiefmütterlich behandelt werden! Also von wegen "Loks im besseren Schritttempo" bewegen: Erstmal hat dieser "Rangierlokführer" die gleiche Ausbildung genossen wie der auf der Strecke. Und dann von wegen: "Loks im besseren Schritttempo bewegen", das klingt ungefähr so wie "eine ruhige Kugel schieben". Ist aber mitnichten der Fall. Die Rangierlokführer haben vielmehr den anstrengenderen Job. Nicht nur, dass sie körperlich schwere Arbeit leisten beim Ankoppeln, auch große Aufmerksamkeit ist vonnöten beim Rangieren. Da ist nix mit gemütlich im klimatisiertenFührerstand sitzen und sauber nach Hause kommen. Da sind täglich die Klamotten dreckig und ölverschmiert, im Sommer kommt man ganz schön ins schwitzen. Und Schichten und Überstunden sind natürlich die gleichen. Also welche Berechtigung gibt es da, die Leute schlechter zu bezahlen? Zumal die sich den Job auch gar nicht selbst ausgesucht haben, sondern nach der Ausbildung einfach da eingesetzt werden. Die würden auch lieber schön auf der Strecke fahren. Kann sich aber nicht jeder so aussuchen. Und dann noch schlechter bezahlt werden - da leidet dann schon mal die Motivation und das Betriebsklima.

        • @solde:

          war natürlich als Antwort an velofisch gedacht!

      • @Christian:

        Dann den Abdruck aber bitte mit der Antwort von Carsten Fritz. Denn mit dieser Antwort bleibt vom Velofisch-Argument in der Sache so gut wie nichts mehr übrig. Und dann "Antisozial" am Exempel der Lokführer festmachen - bitteschön? Wir haben gewaltige Asozialität anderswo.

    • @Velofisch:

      'Gleiches Geld für gleiche Arbeit' - Ich kann das nicht hören. Auch wenn ich persönlich eher für 'Gleiches Geld für alle', also einem Einheitslohn vom Putzmann bis zur Budnskanzlerin wäre, so ist es in dieser Welt vollkommen legitim, im Arbeitskampf für sich (bzw. die eigenen Gewerkschaftsmitglieder) das Beste rausholen zu wollen. Ich meie: Was ist da das Problem? Die Arbeitgeber machen das auch und scheren sich einen Dreck um 'Gleiches Geld für gleiche Arbeit': Leiharbeiter machen das gleiche wie die Festangestellten, und kriegen weniger, ein Freund von mir arbeitet als Vertretungslehrer und macht die gleiche Arbeit wie festangestellte Lehrer und kriegt deutlich weniger. Wenn schon, dann gilt dieser Satz für alle!