Kommentar Boris-Palmer-Festspiele: Hinter dem Spektakel

Boris Palmer will bewaffnete Grenzer, der linke Flügel seiner Partei ist empört. Das Schauspiel zeigt: Die Grünen sind heute eine tief gespaltene Partei.

Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer beugt sich lachend aus einem Fenster des Rathauses.

Liebe Linksgrüne, ihr müsst jetzt tapfer sein. Ja, es gibt echte Konservative in eurer Partei. Foto: dpa

Es sind mal wieder Boris-Palmer-Festspiele bei den Grünen. Tübingens Oberbürgermeister hat dem Spiegel erklärt, wie er die Sache mit den Flüchtlingen regeln würde. Es ist schwer zu sagen, was bei diesem Theater am meisten verblüfft. Wie gut der Trick, sich gegen die Parteilinie zu profilieren, immer wieder funktioniert. Warum das wichtigste Nachrichtenmagazin Deutschlands einem Lokalpolitiker vier Seiten freiräumt. Oder doch, wie zuverlässig linke Grüne aufkreischen, wenn sie den Namen Palmer lesen?

Achtung, liebe Linksgrüne, ihr müsst jetzt tapfer sein. Ja, es gibt echte Konservative in eurer Partei. Ja, viele Grüne denken bei manchen Themen so ähnlich wie Christdemokraten, besonders die im Südwesten der Republik. Und nein, Palmer ist nicht allein.

Was der Tübinger zu Protokoll gibt, wird ja nur deshalb zur Nachricht, weil er Grüner ist. Boris Palmer will die Flüchtlingszahlen deutlich reduzieren. Er plädiert dafür, die EU-Außengrenzen aufwändig zu sichern, bewaffnete Grenzer inklusive. Er möchte Kontingente für die Flüchtlinge, die am dringendsten Schutz brauchen – der Rest soll draußen bleiben.

All das will Angela Merkel auch. Und relevante Teile der Grünen stehen hinter der CDU-Kanzlerin. Winfried Kretschmann, Baden-Württembergs Ministerpräsident, lässt abschieben wie ein Weltmeister, er baut seinen ganzen Landtagswahlkampf auf vorbehaltloser Merkel-Bewunderung auf.

Jetzt empören sich alle Grünen über Palmer, man hat ja mit den Jahren einige Übung. Doch hinter diesem Schauspiel steckt eine echte Differenz. Zwischen den Kretschmann-Grünen, deren Denken Palmer überspitzt, und den Linksgrünen in Berlin, Bremen oder anderswo liegen Welten. Es geht nicht nur um habituelle Fragen, sondern um große inhaltliche Unterschiede, in der Flüchtlings-, Finanz- oder Sozialpolitik. Das Palmer-Spektakel zeigt: Die Grünen von heute, das sind zwei Parteien, die so weit auseinanderliegen wie CDU und CSU.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.