Kommentar Abschiebepolitik in BaWü: Sie könnten ja auch freiwillig gehen
Die Grünen machen in Baden-Württemberg Abschiebepolitik, wie sie auch von CDU-Hardlinern kommen könnte.
Unmenschliche Abschiebepraktiken sind verboten. Außer an Tagen mit „G“ oder „H“ am Ende oder wenn es eben sein muss. So ungefähr haben die Grünen in Baden-Württemberg jetzt ihre neue Abschiebepolitik formuliert.
Wer sich unter dem Begriff „Sammelabschiebung“ nichts vorstellen kann: Morgens um vier Uhr klingeln Ausländerbehörde und Polizei an der Wohnungstür – ohne Vorwarnung. Ein, zwei Stunden haben die Betroffenen Zeit, ihre Sachen zu packen, jeder darf eine Tasche mitnehmen. Sind nicht alle da, werden Familien eben auseinandergerissen.
Im Abschiebe-Charterflugzeug sitzen sie neben Bundespolizisten. Am Nachmittag stehen die Menschen dann in Prishtina oder Skopje; in einem Land, das die Erwachsenen in den neunziger Jahren verlassen haben und das ihren in Deutschland geborenen Kindern vollkommen fremd ist. So wird grüne Aufenthaltsbeendigung auch künftig aussehen.
Kritikern hält man entgegen: Die Familien hatten ja genug Zeit, freiwillig zu gehen. Dafür hat man ihnen sogar Hilfe angeboten.
Doch für diese Roma gibt es auf dem Balkan keine Lebensperspektive. Nach vielen Jahren als Geduldete haben sie ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland gefunden.
Die Fälle, in denen Baden-Württemberg von Abschiebungen absehen will, waren alle ohnehin schon gängige Praxis: Wer zu krank zum Fliegen ist, bei wem lebenswichtige Operationen anstehen, wer unmittelbar entbinden wird oder nahe Angehörige beerdigen muss, darf vorerst bleiben. Neue Ermessensspielräume für die Ausländerbehörden gibt es nicht.
Kaum eine Partei reklamiert die Achtung der Flüchtlingsrechte so für sich wie die Grünen. In Stuttgart könnten sie es anders halten als die Hardliner der Union. Doch sie haben sich anders entschieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden