piwik no script img

Kolumne Wir retten die WeltDer Bagger vor dem Haus des Herrn

Manfred Kriener
Kolumne
von Manfred Kriener

Mondlandschaft statt Marienaltar: In diesen Wochen wird der denkmalgeschützte Dom von Immerath in die Luft gejagt – wegen der Braunkohle.

Alles steht bereit zum Abriss der Immerather Kirche Foto: Christof Siemes

E s gibt in dieser Kolumne einen Satz, über den man sich schämt, so polternd und sperrig ist er. Aber er muss raus und steht deshalb gleich am Anfang: Der steinzeitliche Abbau der Braunkohle zerstört auch im Jahr 2017 immer noch Dörfer, Wälder, Kirchen, Friedhöfe, Klima, Gesundheit, Natur, Heimat, Landschaft und Grundwasser.

Deutschland macht weiterhin ganze Kulturlandschaften platt, um jenen Brennstoff aus der Erde zu holen, den schon im Mittelalter niemand verheizen wollte, weil er zu feucht war und stank und qualmte, dass die Vögel tot vom Himmel fielen. Zur Braunkohle hat das preußische Bergamt schon 1819 das Urteil gesprochen: Es beklagte „den schlechtesten Zustand dieser Wühlerei“ und den „ganz versauten Betrieb“ mit all seinen Risiken für Leib und Leben.

Und jetzt, Mitte Mai 2017, steht der Bagger vor dem Dom von Immerath, der hinreißend schönen Tuffstein-Basilika, über die wir an dieser Stelle oft geschrieben haben. Heute, morgen oder nächste Woche wird der denkmalgeschützte Dom in die Luft gejagt. Mondlandschaft statt Marienaltar. „Rückbau“ heißt das in der Sprache von RWE Power; der Rückbau des Doms ist zur „bergbaulichen Inanspruchnahme“ des Gebiets notwendig.

Vergeblich haben wir zur Besetzung des Doms aufgerufen – „Gehet hin im Frieden, nach Immerath!“ – aber Greenpeace hatte keine Zeit, keine Lust oder hat dieses Symbol einfach verkannt. Jetzt geht es um Stunden. In Deutschland wurde die letzte Hexe wegen Teufelsbuhlschaft 1775 verurteilt, der letzte Dom vor 200 Jahren abgerissen. Jetzt ist es wieder so weit. Die Bagger fressen sich weiter ins rheinische Revier, die Geschichte der Braunkohle ist noch immer nicht zu Ende.

Hermann Göring setzte 1936 in seinem Vierjahresplan ganz auf die Braunkohle, um die Nazi-Wirtschaft kriegsfähig und autark zu machen. Die DDR verpestete das halbe Land, um Basis-Chemikalien und 88 Prozent ihres Stroms aus Braunkohle zu gewinnen. Im 21. Jahrhundert, während Sonne, Wind und Co. weltweit boomen und in Bangladesch 5 Millionen Haushalte mit Solar-Home-Systemen versorgt sind, deckt Nordrhein-Westfalen 75 Prozent seiner Stromversorgung mit Kohle.

Der Braunkohle-Irrsinn

Die grüne Basis, so hört man, ist deshalb heilfroh, die NRW-Landtagswahl verloren zu haben. Endlich dürfen die Grünen wieder machtvoll gegen den Braunkohle-Irrsinn demonstrieren. Unter Rot-Grün hat es nur zu einer kleinen Verkleinerung des Abbaus gereicht. Schwarz-Gelb wird jetzt natürlich „an der Braunkohle festhalten“ – Obacht, sie bröselt – und den NRW-Klimaschutzplan komplett rückbauen. Erst 2045 soll der Braunkohle-Spuk im rheinischen Revier endgültig vorbei sein.

Immerhin haben die Bürgerinitiativen gegen Braunkohle für 2017 einen heißen Herbst angekündigt. Sie wissen: Drei Viertel der Braunkohlevorkommen müssen im Boden bleiben, wenn die Klima-Roadmap gelingen soll. Ende Gelände?

Als Nächstes werden die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Berverath, Unterwestrich und Oberwestrich niedergemacht („devastiert“). Keyenberg mitsamt der 893 gegründeten Kirche zum Heiligen Kreuz. Beim Kirchentag in Berlin wird viel gebetet. Aber während die Evangelen beten, wird den Katholiken eine ihrer schönsten Kirchen weggebombt. Nicht von Terroristen, sondern von Energieversorgungsunternehmen. Wenn der Dom eine Moschee wäre, heißt es im Netz, hätte sich die halbe Zivilgesellschaft längst eingenässt und das Bauwerk fünfmal besetzt.

PS: Die umgesiedelten Bürger von Immerath beten jetzt in einer schnöden Kapelle. Eine Betonkiste, die aussieht, als hätte Donald Trump sie gebaut. Und siehe, dunkle Wolken zogen herauf, der Herr wandte sich ab und weinte bitterlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Manfred Kriener
Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Wäre doch ein würdiger Platz gewesen für den Abschlussgottesdienst des Kirchentages.

    Wollten sich die vielen Guten nicht politisch engagieren und sich für den Erhalt von Mensch und Natur einsetzen?

  • Die Grünen haben wohl deshalb so viel verloren, weil sie sich nicht um Umweltschutz gekümmert haben, sondern vor der Kohle-SPD zu Kreuze gekrochen sind. Als Ausgleich ideologisches Schulchaos zu gebieren, bringt keine Stimmen.

  • "Haus des Herrn"

     

    Der "Herr" ist seit 2013 nicht mehr Mieter im Dom. Am 13. Oktober 2013 wurde der Dom entwidmet.

    • @Rudolf Fissner:

      Eigenbedarfkündigung des Kohleteufels.

       

      Der Herr wurde in einen sozialgerechten Bunker umgesiedelt, bekam 3 Flaschen Meßwein und 2kg Obladen.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Frage: Welchen Sinn hat der Erhalt der Kirche, wenn das Dorf schon platt ist?

    Den Braunkohlekapitalisten sollte daher zur Auflage gemacht werden, das Gotteshaus ab- und anderswo wieder aufzubauen.

    Bei der Dresdner Frauenkirche wurden doch auch keine Kosten gescheut, warum (Symbolik?) auch immer...

  • "Die grüne Basis, so hört man, ist deshalb heilfroh, die NRW-Landtagswahl verloren zu haben."

     

    @manfre Kriener: ??? Das ist kein Jouralismus mehr. Das ist üble Facebook-Gerüchteküche. Könnten Sie bitte ihre Recherche diesbezüglich fundiert wiedergeben?

  • Wie ist denn überhaupt so grundsätzlich die rechtliche Situation, wenn ein denkmalgeschütztes Gebäude abgerissen werden soll?

     

    Wenn Anna- oder Otto-Normalbürger(in) ein denkmalgeschütztes Gebäude auch nur sanieren möchten, gibt es zahlreiche Auflagen. Und entfernen geht für gewöhnlich gar nicht, dachte ich.

  • Die NRW Wahl am 14. Mai ging an die Konservativen aus zwei Gründen 1. hatte Kraft kein politisches Projekt, das sie im Wahlkampf hätte verfolgen können und zweitens durch den Ausschluss von RRG. Gut, die Linke ist noch nicht soweit, aber das just in der Wahlwoche Solarworld aus Bonn pleite gegangen ist, ist auch der Ideenlosigkeit der verflossenen NRW-Landesregierung zuzuschreiben. Im Zeitalter der Massenarbeitslosigkeit geht es nicht um Arbeit oder Arbeitsplätze, sondern um faire Verteilung.

    Ein 1e Million oder ein 10 Millionen Dächer Programm hin zu einer 0-Grenzkosten Energiegewinnung fehlt.

    Parallel zerlegt sich der Widerstand in den Eitelkeiten der Subkulturen und hemmungsloser Preistreiberei im Ablasshandel des Biowarenkorbes. Zusätzlich fehlt den Aktivisten eine solide theoretische Basis und die Unschuld der Jugend Erfahrung.

     

    Den Satz mit der Moschee werfen sie bitte dem nächsten nicht-deutsch-stämmig aussehenden Passanten, dem sie auf der Strasse begegnen an den Kopf. Denn der ist hochgradig ausländerfeindlich und dürfte der eigentliche Grund für die Ausgänge der 17er Wahlen bisher gewesen sein, die nationalistische Filterblase.

  • In Deutschland gibt's über 45.000 Kirchen. Der Dom ist ein Neubau von 1891, also nicht etwa mittelalterlich oder so. Die originale Kirche des Ortes wurde 1888 abgerissen.

     

    Da stört mich das jetzt nicht so sehr. Ich finde auch, diese Informationen hätte der Artikel nicht verschweigen sollen.

     

    Gegen Braunkohletagebau bin ich natürlich auch, aber nicht wegen eines Zweckbaus aus der Zeit um 1900.

     

    Der Artikel erweckt einen falschen Eindruck.

    • @kditd:

      Genau die Fragen hate ich mir gestellt. Danke für Ihren Beitrag.

      • @A. Müllermilch:

        Ich mir auch. Ebenfalls danke.

  • So ein Käse - Häuser sind Zweckbauten!

  • Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein RWE-Vorstand oder ein Spitzen-Politiker in den Himmel kommt. Aber die wollen da ja auch nicht hin. Sie haben ihren Himmel schon auf Erden. Gekauft. Von Geld, für das nicht nur die Kirchen sterben müssen.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      "Von Geld, für das nicht nur die Kirchen sterben müssen."

       

      Wer noch? Der Druck auf die Tränendrüsen hält sich noch in Grenzen.

  • Den Krieg hat sie wohl überstanden, aber nicht den Irrsinn einer fehlgeleiteten Politik. - Na, sollen die Herren und Damen sich noch mal aufregen über Terroristen, die in fernen Ländern Kulturgüter zerstören....Nur für die "Kohle" ist das alles erlaubt!

  • Man muss auch mal in Relation setzen wie viele Arbeitsplätze bei den Erneuerbaren gefährdet werden, weil die Politik die Arbeitsplätze in der (Braun) Kohl nicht gefährden wollen. Gibts da Zahlen?

     

    Das Verhalten der Grünen in der NRW Braunkohlefrage war jedenfalls eines der schlimmsten Menetekel in der Grünen Politik der letzten Jahre. Herr Özdemir und Frau Göring-Eckardt sollten dort hin schauen, wenn sie sich über die schlechten Umfragewerte wundern.

  • es gibt doch in d genügend kardinäle bischöffe usw warum kümmern die sich nicht mal u solche sachen