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Kolumne Nullen und EinsenThe next big thing im WTF-Marketing

Michael Brake
Kolumne
von Michael Brake

Neues von der Bullshit-Front: Online aussuchen und dann wird es nicht mal geliefert. Click + Collect verbindet das Schlechteste aus zwei Welten.

ROPO, weil YOLO: Karstadt wie gewohnt ganz vorn mit dabei. Bild: dpa

B ei Karstadt am Hermannplatz steht es, passend zum Weihnachtsgeschäft, groß im Schaufenster: „Click + Collect“. Was klingt wie ein Computerspielgenre aus den 80ern (Jump + Run, Hack + Slay, Point + Click) ist in Wirklichkeit das nächste große Ding im WTF-Marketing. Beziehungsweise im Multichannel-Marketing, wie diese Bullshit-Unterkategorie offiziell heißt.

Click + Collect bedeutet: Zu Hause am Computer die Waren aussuchen und sie sich dann im stationären Handel abholen. Sprich: Man kann die Sachen vorher nicht anfassen und ausprobieren, sie werden aber auch nicht nach Hause geliefert.

Also das Schlechteste aus zwei Welten, ein wenig so, als würde man in ein Kino im Nachbarbezirk fahren, eine Viertelstunde anstehen und sieben Euro für eine Karte bezahlen, mit der man einen Film dann zu Hause und nur zu einer bestimmten Zeit auf dem 11-Zoll-Laptopbildschirm mit Scheppersound gucken kann. Und vor einem sitzt ein Mann, der seinen Zylinder nicht abnimmt, und schmatzt ganz laut.

Laut Wikipedia ist das Konzept aber sehr erfolgreich. „Mittlerweile wird der Großteil der Kaufentscheidungen in zahlreichen Non-Food-Bereichen online gefällt, sprich die Konsumenten recherchieren im Internet, bevor sie offline, also in den Filialen, kaufen“, steht im Click+Collect-Artikel. „Dieses Phänomen wird auch als ’ROPO-Effekt‘ bezeichnet. ROPO ist dabei ein Akronym von ’research online, purchase offline‘“

Das ist irre, denn bisher kannte ich nur den ROPO-Effekt („research offline, purchase offline“), den ROPO-Effekt („research offline, purchase online“) und natürlich den berühmten ROPO-Effekt („research online, purchase online“). Beim vorangegangenen Satz denken Sie sich bitte die Stimme von diesem Sprecher, der immer bei Stefan Raab die Beiträge vertont.

Click + Collect + Co sind dabei in erster Linie eine Reaktion auf das „Showrooming“, bei dem wir Kunden die Kaufhäuser, Klamottenläden und Elektronikgeschäfte nur noch als Ausstellungsraum zum An- und Ausprobieren nutzen, beim geschulten Fachpersonal ein paar Beratungsleistungen abgreifen und schließlich, am besten noch direkt vor Ort, im Smartphone nachschauen, bei welchem Webshop das Zeug billiger zu haben ist (und es gibt immer einen, schließlich sparen die sich Verkaufsflächen und Mitarbeiter). In Australien hatte deswegen ein Ladenbesitzer sogar damit angefangen, von seinen Kunden fünf Dollar zu nehmen, wenn sie „nur mal gucken wollen“, und diesen Eintrittspreis später mit dem Kauf zu verrechnen.

Von daher ist der Versuch verständlich. Wenn man doch aber bloß die, äh, Benefits des Verfahrens ein bisschen überzeugender rüberbringen würde! In Karstadts Pressemitteilung zum Click + Collect-Start vor rund einem Jahr stand stolz: „Dies hat entscheidende Vorteile: Der Kunde spart nicht nur die Versandkosten, er kann außerdem die Ware direkt vor Ort anprobieren, ein passendes Accessoire dazu finden und sich beraten lassen.“ Das klingt total einleuchtend … aber wo war da gleich der Unterschied zum ganz normalen Kaufhauskauf (ROPO)?

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Michael Brake
wochentaz
Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.
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4 Kommentare

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  • Michael Brake , Autor des Artikels, wochentaz

    Karstadt reagiert jetzt jedenfalls und hat als neue Chefin Eva Lotta Sjöstedt eingestellt, die vorher bei Ikea "für das Multichannel-Geschäft, also die Verknüpfung von Internet und stationärem Handel, verantwortlich" war.

     

    http://taz.de/Eva-Lotta-Sjoestedt-kommt-von-Ikea/!129206/

  • T
    Tim

    Click & Collect eher ein Kind des Cross und Omni Channelings und macht durchaus als eine von vielen Komponenten einer Gesamtstrategie Sinn. Isoliert betrachtet und strategisch wenig ins Gesamtkonzept integriert kann es allerdings zur erfolgslosen Farce werden. Handel der Zukunft heißt nicht in die Fläche zu investieren, sondern in Systeme und Prozesse. Click & Collect ist sehr wohl bei Glocalizing Strategien das Mittel um zentrale Marketing Aktionen mit lokaler Durchführung und Betreuung zu verbinden. Ich möchte gerne ein Einkaufserlebnis - Showrooming - auch im Internet erleben - kaufen, wann und wo ich will, mich entscheiden ob ich zugesendet haben möchte, oder doch abholen - so bin ich aber sicher, dass der Artikel, der eventuell in der Weihnachtszeit als Angebot ausgeschrieben war, auch noch da ist. Ich habe ihn ja schon gekauft! Und wenn ich dann die Ware doch noch "fühlen" möchte und sie mir nicht gefällt. Kann ich gleich im Ladengeschäft zurückgeben, hier lassen sich noch Unmengen an weiteren Vorteilen erarbeiten. Und genau das ist es - Ideen ausprobieren - Messen- Optimieren - Abstimmen - und alles zu einem Nahlosen Einkaufserlebnis verbinden. Das wird schon :-)

    • S
      SP
      @Tim:

      Oh mann Tim, ob man das ganze nun Omnichannel, Multichannel, Crosschannel, Noline Commerce oder wie auch immer nennt ist doch nun wirklich sowas von Jacke...

      Ich finde die Kolumne sehr gelungen und lustig formuliert. Natürlich hat ein Click&Collect nur in einer Gesamtstrategie erfolgt, aber eine solche Aussage ist ja nun auch generalistisch über alles zu ziehen, imho!

      Ich finde es gibt Bereiche in denen C&C mehr Sinn macht als in anderen, zumindest aktuell, dazu würde ich bspw. auch den Lebensmittelhandel zählen.

  • Meine Herren! Jut jeschrie'm, Herr Brake! Jut jeschrie'm ...