Klimakonferenz in Doha: Bodenschätze fürs Klima entwerten
Um den Klimawandel zu bremsen, müssten zwei Drittel der Reserven an Öl, Gas und Kohle in der Erde bleiben. Aber die Lobby sitzt mit am Verhandlungstisch.
DOHA taz | Mit der Ausstellung gleich neben seinem Stand kann Mohammad al-Ghamdi nicht viel anfangen. Der junge Mann im traditionellen grauen Thoub präsentiert bei der Expo zur Klimakonferenz die Pläne Saudi-Arabiens für erneuerbare Energien. Aber gleich neben dem turnhallengroßen Stand des Öl-Königreichs stellt Ecuador seine „Yasuni ITT“-Kampagne vor.
Auf großen Bildern vom Regenwald wirbt das Land für seine revolutionäre Idee: Geld zu kassieren, um das Öl im Boden zu lassen: 3,6 Milliarden US-Dollar von internationalen Geldgebern – und 850 Millionen Barrel Öl bleiben unter dem Waldboden liegen, so der Vorschlag. Al-Ghamdi blickt irritiert. Nein, davon hat er nichts gehört.
Dabei ist der Vorschlag nicht neu. Und die Ölländer, allen voran Saudi-Arabien, versuchen seit Jahren, einen solchen Mechanismus in die Klimaverhandlungen einzuführen: Hinter dem Schlagwort „Response Measures“ verbirgt sich der Versuch, für entgangene Gewinne aus ernsthaftem Klimaschutz einen Schadensersatz zu fordern.
Ein Deal mit den Öl- und Kohleindustrien ist dabei für das Klima notwendig, hat die Internationale Energie-Agentur (IEA) belegt: Um eine Chance zu haben, den Klimawandel nicht über 2 Grad zu treiben, so die IEA in ihrem Jahresbericht 2012, dürften „nicht mehr als ein Drittel der nachgewiesenen Reserven an fossilen Brennstoffen bis 2050 verbraucht werden“. Zwei Drittel der Bodenschätze an Öl und Kohle müssten also unter der Erde bleiben. Andere Berechnungen gehen von 80 Prozent aus.
Öl-Lobby beeinflusst US-Klimapolitik
Wie stark die Öllobby deshalb bei den Klimaverhandlungen mit am Tisch sitzt, zeigt eine aktuelle Studie der US-Organisation International Forum on Globalization. In der Studie ziehen die Aktivisten des Forums eine direkte Verbindung zwischen dem finanziellen Einfluss vor allem der US-Ölfirma Koch Industries und der Blockadehaltung der USA auf den internationalen Klimakonferenzen.
Die Milliardäre Charles und David Koch haben nach diesen Zahlen über die letzten Jahre mehr als 500 Millionen Dollar ausgegeben, um in den USA Stimmung gegen den Klimaschutz zu machen. Ihre Firmen finanzierten direkt und indirekt Klimaskeptiker, Lobbyisten in Washington und spendeten Wahlkampfhilfen.
Eines der größten Probleme mit den Reserven an Öl und Kohle: Sie sind bereits in die Bilanzen der Konzerne eingestellt. Dies schreibt der US-Journalist und Klimaaktivist Bill McKibben. Damit stabilisieren sie die Aktienkurse der Unternehmen und dienen als Sicherheiten für Kredite.
Shell ist der Feind
„Wenn man Exxon oder Lukoil vorschriebe, ihre Reserven im Boden zu lassen, würde der Wert dieser Unternehmen ins Bodenlose fallen“, so McKibben in einem Artikel im US-Magazin Rolling Stone. Ließe man das Öl und die Kohle, die man für eine Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels nicht verbrennen dürfe, im Boden, müsste man „20 Billionen Dollar an Vermögen abschreiben“. Die internationale Umweltbewegung müsse sich auf die ökonomische Macht der Energiekonzerne konzentrieren: „Wir haben den Feind gesehen – und er heißt Shell.“
Es gibt aber auch andere Namen. Im chinesischen Pavillon gleich neben den Verhandlungsräumen im Kongresszentrum von Doha hängen idyllische Bilder an den Wänden: Vogelschwärme vor Ölpumpen, rote Blumen vor blanken Tanks, Fördertürme inmitten von blühenden Rapsfeldern. In diesem Ambiente treffen sich Experten zu Diskussionen, hier wird der Ressourcenreichtum im Land mit dem höchsten CO2-Ausstoß präsentiert. Finanziert wird der Pavillon vom staatlichen Ölkonzern Chinaoil.
Konflikte in Doha
Zäh und verspätet wie immer schleppten sich die Verhandlungen bei der 18.Klimakonferenz am offiziell letzten Tag dahin. Bis zum Abend gab es noch keinen Text, auf den sich die 194 Staaten geeinigt hatten. Im Vordergrund stehen in Doha Verfahrensfragen: Eine zweite Verpflichtungsperiode für das Kioto-Protokoll, eine Bündelung der Verhandlungen unter der „Durban-Plattform“, die ein weltweitess Abkommen bis 2015 aushandeln soll, Finanzzusagen der reichen Länder und höhere Zusagen im Klimaschutz.
Am heftigsten umstritten sind:
1) Emissionsreduzierungen: Die EU sagt zu, bis 2020 ihre Emissionen um 20 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Australien, die Schweiz, Norwegen sind auch mit dabei. Die USA steuern minus vier Prozent an. Schwellenländer wie Indien und China sind zu keinen Reduktionen verpflichtet. Den armen Ländern und Umweltgruppen reicht das bei weitem nicht. Nötig wären minus 25 bis 40 Prozent bis 2020 in den Industrieländern, sagt die Wissenschaft. Statt auf zwei Grad führen die aktuellen Emissionen beim jetzigen Trend auf vier bis fünf Grad Celsius bis 2100.
2) Finanzen: Die Industriestaaten haben 2009 bis 2012 30 Milliarden Dollar zugesagt und teilweise gezahlt. 2020 sollen das 100 Milliarden sein. Bisher liegen einige Milliarden aus europäischen Ländern auf dem Tisch, die armen Länder fordern 60 Milliarden bis 2015. Eine Einigung oder ein Finanzplan fehlt bislang.
3) „Loss and damage“: Die Entwicklungsländer fordern ein Arbeitsprogramm, um Entschädigungen für Klimaschäden zu bekommen. Die Industriestaaten fürchten Prozesse.
4) Klimagerechtigkeit: Die Entwicklungsländer wollen festschreiben, dass die reichen Länder sich stärker für den Klimaschutz engagieren müssen als die Armen. Die Industriestaaten fürchten, dass die Schwellenländer sich dann vor Maßnahmen drücken.
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