Grüner über rassistischen Übergriff: „Da muss man einschreiten“
Daniel Mack sah, wie Bahnmitarbeiter einen Mann gewaltsam traktierten und wurde selbst rassistisch beleidigt. Der Fall sorgte im Netz für Aufmerksamkeit.
Herr Mack, Sie haben am Frankfurter Hauptbahnhof am Samstag beobachtet, wie ein junger dunkelhäutiger Mann von Mitarbeitern der Bahn-Sicherheit gewaltsam angegangen wurde. Was ist passiert, als Sie sich eingemischt haben?
Daniel Mack: Ich habe mich erkundigt, was da los sei, als fünf Sicherheitsleute den Mann hart zu Boden gestoßen haben und einer von ihnen ihn mit einem Schlagstock geschlagen hat. Eine am Vorfall beteiligte Bahnmitarbeiterin sagte dann zu mir „Hau ab du Nigger“ und forderte ihren Kollegen auf mich „auch auf den Boden“ zu legen. Ich bin dann einen Schritt zurückgegangen und habe das fotografiert. Beim Versuch zu filmen wurde mir das Smartphone aus der Hand geschlagen.
Wie haben Sie auf die rassistische Beleidigung reagiert?
Gar nicht. Mir ging es ja in erster Linie um den jungen Mann, der am Boden lag, der sich – soweit ich sehen konnte – nicht gewehrt hat und trotzdem mit einem Schlagstock traktiert wurde. Es ist ja in Ordnung, wenn die Sicherheitsleute einen mutmaßlichen Schwarzfahrer festhalten, um seine Personalien aufzunehmen. Das muss immer verhältnismäßig sein und diesen Eindruck hatte ich hier nicht.
War es das erste Mal, dass Sie wegen ihrer Hautfarbe rassistisch beleidigt wurden?
In 90 Prozent der Fällen ist meine Hautfarbe kein Nachteil. Im Gegenteil: Manchmal kann es auch von Vorteil sein, weil ich zum Beispiel mit manchen Leuten schneller ins Gespräch komme. Aber natürlich habe ich auch schon Situationen erlebt, in denen ich rassistisch angegangen wurde oder mein Aussehen eine Rolle gespielt hat.
Jahrgang 1986, ist seit März 2012 Mitglied des Hessischen Landtags. Der Grünenpolitiker wurde bei der Wahl in Hessen im September nicht erneut in das Parlament gewählt. Macks Vater stammt aus Sri Lanka, er selbst wuchs bei seiner Mutter in Frankfurt auf.
Sie haben den Fall schnell im Internet publik gemacht, ihr Tweet mit einem Foto vom Geschehen wurde mehr als 500 Mal retweetet...
...es geht ja darum, dass man aufmerksam ist für Dinge, die um einen herum passieren. Gewalt, Beleidigungen. Da muss man einschreiten. Aber wichtig ist auch, solche Dinge zu dokumentieren. Da sind die Möglichkeiten heute ja gut. Fast jeder hat ein Smartphone, das sollte man eben nicht nur nutzen, um schöne Bilder beispielsweise im Fußballstadion zu machen, sondern auch in solchen Situationen.
Sie haben sich nicht an die Presse gewandt, sondern bei Twitter darauf aufmerksam gemacht. Was sind die Vorteile von sozialen Medien in solchen Fällen?
Gerade Twitter ist hervorragend geeignet, um derartige Vorfälle öffentlich zu machen. Innerhalb von wenigen Stunden hat die Geschichte tausende Menschen erreicht. Sie haben sich bedankt bei mir, selbst erzählt, dass sie ähnliches erlebt haben. Das Netz in seiner Einfachheit bietet jedem die Möglichkeit, Sender zu werden. Trotzdem ist es auch wichtig, dass so etwas dann von den Medien aufgenommen wird. Eine gesellschaftliche Debatte lässt sich eben nicht ausschließlich über Twitter führen.
Aber nicht jeder hat einen so prominenten Twitter-Account wie sie, sitzt im Landtag, ist bekannt...
...das stimmt. Aber bei Twitter ist nicht unbedingt entscheidend, wer ich bin, sondern was ich schreibe. Ich denke, auch wenn ich nicht im Landtag säße, hätte der Fall wenigstens im Internet Aufmerksamkeit erregt. Wenn wir uns an die junge Frau erinnern, die die Aufschrei-Debatte im Netz angestoßen hat. Die kannte vorher fast niemand.
Wie hat die Bahn auf den Fall reagiert?
Erst mal vorbildlich. Fünf Minuten nach meinem Tweet kam eine Antwort der Bahn bei Twitter. Wirklich Respekt dafür, dass der Konzern die sozialen Medien so gut nutzt. Damit ist es aber natürlich nicht getan. Jetzt will sie Gespräche mit der Mitarbeiterin führen, ich bin gespannt auf das Ergebnis.
Fordern Sie dennoch Konsequenzen?
An erster Stelle muss natürlich Schulung in Sachen Deeskalation und ganz allgemein im Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern stehen. Rassistische Ressentiments dürfen bei der Bahn keinen Platz haben. Die Sicherheitsleute haben das Bahnlogo auf ihrer Kleidung und repräsentieren damit einen Konzern, der für familien- und umweltfreundliches Reisen stehen möchte. Dann muss man sich auch so verhalten. Sinnvoll wäre auch, wenn die Bahn einfache Möglichkeiten für die Kunden schafft, sich in derartigen Fällen direkt an sie zu wenden und dann auch sofort Hilfe bekommt. Auch hier bietet das Netz hervorragende Chancen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet