Große Koalition und Homo-Rechte: Sie darf nicht Ehe heißen
Beim Thema Homo-Ehe gehen die Koalitionsgespräche nicht voran. Doppelpass und Mindestlohn dürften für die SPD Vorrang haben.
Anfang voriger Woche wurde eine nie dementierte hässlich-verdeutlichende Szene aus dem Familienarbeitskreis der Koalitionsverhandlungen kolportiert. Manuela Schwesig, stellvertretende SPD-Vorsitzende, habe mit dem Abbruch der Koalitionsverhandlungen gedroht.
Der Grund war die strikte Weigerung der CDU, sich auf gewisse Wünsche der Sozialdemokraten einzulassen – und es waren nicht solche, die sich ums Betreuungsgeld oder um Vorstandsfrauenquoten drehten. Der Streit kreiste um die Öffnung der Ehe und das Adoptionsrecht für schwule oder lesbische Paare.
Dieser Zank ist auch in dieser Woche nicht beigelegt worden. Vieles aber deutet darauf hin, dass der Konflikt ungeklärt bleibt und von den drei Parteivorsitzenden, Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer, ausgehandelt werden muss. Sicher ist nur: Für die CDU/CSU ist die Integration gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften in die klassisch-heterosexuelle nicht verhandelbar.
Das war schon immer so, auch nachdem das Karlsruher Verfassungsgericht mehrere Urteile sprach, die es ermöglichen würden, eine Sondergesetzgebung zu homosexuellen Paaren zu kassieren. Aber für die Union ist die besondere Wertschätzung des Heterosexuellen, jedweder biologischen Vater-Mutter-Konstruktion, konstitutiv und identitätsbindend – sonst wäre nichts mehr übrig, was die Regierungspartei als das kenntlich macht, was sie für viele sein muss: konservativ und moralnormativ.
Essentials der SPD
Für die Sozialdemokraten gilt, was die eigene, restliche Wählerschaft anbetrifft, dies nicht in gleichem Maße: Man betreibt auf CSDs, also auf öffentlichen Umzügen nichtheterosexueller Gruppen, Wahlkampf – und zeigt sich als deren Interessenvertreter. Nun gehen die Koalitionsverhandlungen dem Ende entgegen – was auch heißt, dass die Verhandlungen auf ParteichefInnenebene um die nicht ausgehandelten Streitfragen in Bälde stattfinden müssen.
Offen ist, mit welchen, wie es in der Politikersprache heißt, Essentials die SPD in das letzte Showdown um die Große Koalition geht. Mit dem Mindestlohn? Garantiert. Und, so sagen es eingeweihte Kreise, mit dem Doppelpass. Also weicheren Regelungen zum Staatsbürgerschaftsrecht, so dass Kinder aus Migrationsfamilien sich nicht mehr entscheiden müssen.
Die Homorechte müssten womöglich zurückstehen. Allenfalls erreichbar sei, dass die Vorgaben des Karlsruher Gerichts aus dem Frühsommer – steuerrechtlich vor allem das Ehegattensplittung – nicht ignoriert werden; dass außerdem alle Rechte, die in Ehen eingeschrieben sind, auch für Eingetragene Lebenspartnerschaften gelten. Aber Ehe soll es nicht heißen dürfen. Und: Ein Adoptionsrecht wird es mit der Union nicht geben.
Beispiel Frankreich
Zitieren lassen möchte sich mit diesen Kalkülen und Höchstwahrscheinlichkeiten niemand: Bloß nicht irgendeine Verhandlung durch öffentliche Flüstereien beschweren. Für etliche Sozialdemokraten wird die seitens der Union gestoppte weitere Liberalisierung schwer zu verkraften sein – etwa für die schwulen und lesbischen Mitglieder, organisiert in den Schwusos. Manche wollen bei der Abstimmung den Koalitionsvertrag ablehnen. Generell aber gilt: Für die SPD sind die „grünen“ und „liberalen“ Programmanliegen nachrangig.
Fragt sich nur: Hat es nicht auch wirklich noch etwas Zeit, etwa bis 2017? Was spräche dagegen, die gesellschaftlichen Diskurse um Adoption und die Öffnung der Ehe zu befördern?
Einer aus der Parteispitze, der natürlich nicht zitiert werden möchte, sagte, man schaue auf Frankreich und sehe, wie die sozialistische Regierung es geschafft hat, die Anliegen Homosexueller zum Kristallisationspunkt rechtspopulistischer Mobilisierung zu machen. Das könne nicht das Interesse der SPD sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“