Grundeinkommen-Test in Finnland: Doch, es macht schon glücklicher
Zwei Jahre lang bekamen 2000 Arbeitslose in Finnland ein Grundeinkommen. Das Ergebnis: Es gab nicht mehr Jobchancen, wohl aber weniger Stress.
Konkret hatten 2017, dem Jahr, auf das sich die jetzige Analyse allein bezieht, von den 2.000 Arbeitslosen zwischen 25 und 58 Jahren, die monatlich 560 Euro steuerfrei ausgezahlt bekommen hatten, 44 Prozent ein zeitweises Erwerbseinkommen an durchschnittlich 49,6 Tagen. Bei einer Vergleichsgruppe ohne Grundeinkommen und mit dem gewöhnlichen Arbeitslosengeld waren es 43 Prozent an 49,2 Tagen. Dafür bekam diese Vergleichsgruppe ihre Arbeit etwas besser bezahlt: Mit 4.251 statt 4.230 Euro. „Im Prinzip lief es auf dem Arbeitsmarkt aber für keine Gruppe besser oder schlechter“, konstatiert der KELA-Forscher Ohto Kanninen.
Deutlichere Unterschiede erbrachten die Interviews zum gesundheitlichen Wohlergehen: 25 Prozent aus der Kontrollgruppe klagten über „sehr viel“ oder „ziemlich viel“ Stress, bei den Grundeinkommen-TeilnehmerInnen waren es nur 17 Prozent. Allerdings beantworteten nur 23 Prozent die Interviewfragen.
Finnlands rechte Regierungskoalition, die den zweijährigen Versuch initiiert hatte, hatte sich eigentlich einen positiveren Beschäftigungseffekt erwartet: Abgesichert durch das Grundeinkommen wären deren EmpfängerInnen womöglich eher bereit, auch kurzzeitige oder schlechter bezahlte Arbeit anzunehmen. Die rechtsliberale Zentrumspartei von Ministerpräsident Juha Sipilä hat das bedingungslose Grundeinkommen deshalb bereits wieder zu den Akten gelegt.
Grüne fordern größeren Test
Stattdessen will man jetzt eine vom Bedarf abhängige und nur auf Antrag gewährte Grundsicherung, deren Gegenleistung ein „Zurverfügungstehen für den Arbeitsmarkt“ ist. Bei einem Verstoß sollen Sanktionen drohen. Ohne Sanktionen gehe es nicht, meinen auch die Sozialdemokraten. Womit man wieder bei einer allenfalls bürokratisch etwas vereinfachten Form des gegenwärtigen Sozialversicherungssystems landen würde.
Vor den Parlamentswahlen im April verfechten in Finnland im Moment nur noch Grüne und Linkspartei das Modell eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die Grünen schlagen einen neuen Versuch mit 10.000 TeilnehmerInnen in unterschiedlichen Lebenssituationen – also nicht nur Arbeitslose – vor. Auch die KELA-ForscherInnen hätten gern ein umfassenderes und besser vorbereitetes Experiment. Und PolitikerInnen, die sich wirklich für das Thema interessieren „und auf die Forscher hören“, meint Minna Ylikännö: Beim beendeten Versuch sei das Interesse aus dem Ausland viel größer gewesen als in Finnland selbst.
Trotzdem ein erfolgreiches Experiment? „Ich würde Ja sagen“, meint KELA-Forschungsleiter Olli Kangas: „Aber ein zuverlässiges Bild bekommen wir erst, wenn der ganze Versuch analysiert ist.“ Das soll im Frühjahr 2020 der Fall sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau