Drohen Fahrverbote in den Städten?: EU rügt dicke Luft in Deutschland
Trotz Umweltzonen ist in vielen deutschen Städten die Belastung mit Stickoxiden zu groß. Brüssel verlangt strengere Maßnahmen der Behörden.
BERLIN taz | Die Luft in vielen deutschen Städten ist so schlecht, dass die EU-Kommission strengere Maßnahmen der lokalen Behörden zur Luftreinhaltung fordert. Für viele Regionen hält es Brüssel für erforderlich, „strengere Minderungsmaßnahmen in den Luftqualitätsrahmen aufzunehmen“.
Das geht aus einem Beschluss der EU-Kommission vom 20. Februar hervor, in dem Brüssel über den Antrag Deutschlands befindet, die Frist für das Erreichen der Stickstoffdioxid-Grenzwerte in 57 Regionen zu verlängern. Gegen diese Fristverlängerung erhebt EU-Umweltkommissar Janez Potocnik nun für viele Regionen Einwände, weil die deutschen Behörden nicht nachgewiesen hätten, wie sie die Einhaltung der Grenzwerte bis zum ersten Januar 2015 erreichen könnten. „Angesichts der Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit muss die Dauer jeglicher Verlängerung auf das absolut Notwendige beschränkt werden“, sagte Potocnik.
Stickstoffoxide zählen zu den häufigsten Schadstoffen in der Luft. Sie schädigen Menschen, Tiere und Pflanzen; beim Menschen werden vor allem Atemwege und Augen gereizt; Pflanzen verkümmern oder bekommen vorzeitig gelbe Blätter. Stickoxide entstehen als Nebenprodukt, wenn Kraftstoffen oder Heizstoffen wie Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle verbrennen. Wichtigste Quelle für Stickoxide in den Städten ist der Verkehr; mancherorts spielt auch die Industrie eine Rolle.
Beim Verkehr sind vor allem Dieselfahrzeuge problematisch, weil in den Motoren so hohe Temperaturen herrschen, dass sich der in der Luft enthaltenen Stickstoff leicht mit Sauerstoff zu Stickoxid verbindet. In Deutschland ist der Anteil von Diesel-Pkws besonders hoch.
Zu hohe Stickoxidbelastungen und unzureichende Gegenmaßnahmen bescheinigt die EU-Kommission auch Städten, die mit Umweltzonen eigentlich eine bessere Luftqualität erreichen wollten, dazu gehören etwa Berlin, Freiburg und Stuttgart. Weitere belastete Städte und Regionen sind: Mannheim/Heidelberg, Regierungsbezirk Karlsruhe, Regierungsbezirk Tübingen, München, Augsburg, Nürnberg/Fürth, Bremen, das Rhein-Main-Gebiet, Kassel, Mittel- und Nordhessen, Hamburg, Wuppertal, Münster, Köln, Hagen, Essen, Dortmund, Düsseldorf, Bielefeld, Aachen, Mönchengladbach, Duisburg, Mainz und Teile von Nordrhein-Westfalen und Thüringen.
Das Bundesumweltministerium zerstreute Befürchtungen, nun drohten flächendeckend Fahrverbote in Deutschland. "Auch die EU-Kommission kann die betroffenen Städte, die für die Einhaltung der Grenzwerte zu sorgen haben, nicht zwingen, unverhältnismäßige Maßnahmen wie etwa flächendeckende Fahrverbote zu verhängen", sagte eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums auf Anfrage.
Dies habe das oberste europäische Gericht in ähnlichen Fällen entschieden, so die Sprecherin. "Neben dem berechtigten Interesse, für saubere Luft in den Innenstädten zu sorgen, müssen auch öffentliche und private Interessen bei solchen Entscheidungen berücksichtigt werden." Neue Abgasnormen würden ab 2014 ohnehin zu einer Entlastung der Innenstädte führen.
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