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Debatte Linkswende in der PolitikAnlauf zum langen Angriff

Kommentar von Mathias Greffrath

SPD, Grüne und Linke müssen sich zusammenraufen. Denn die Stagnation können nur die drei linken Parteien gemeinsam überwinden.

Zwei Mal Rot und dazu Grün ist doch auch eine absolut natürliche Farbkombination. Bild: dpa

D a sitzen sie nebeneinander und versuchen zu strahlen. Aber der Beleibte mit den schweren Wangen blickt sorgenschwer und leicht ratlos drein; der Schlankere, den gedankenschweren Kopf in die Hand geschmiegt, lächelt verschmitzt einem alten Traum hinterher. Etwas angeschlagen sehen sie aus, wie immer nach einem ihrer Desaster, und doch schon wieder hoffnungsfroh das nächste planend, am Rand des schwarzen Lochs zwischen großen Absichten und konstitutioneller Ohnmacht.

Es wird schon wieder schiefgehen, denkt der Betrachter und bangt mit kindlichem Optimismus immer wieder mit. Nein, nicht „Laurel und Hardy“ zeigt das Foto, sondern Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin bei der öffentlichen Vorstellung von Trittins Buch „Stillstand made in Germany. Ein anderes Land ist möglich“.

Wir schreiben noch 2014, und doch ist das „Trittin’sche Manifest“, wie Gabriel das Buch preist, die nur knapp verhohlene Aufforderung, mit dem Wahlkampf zu beginnen. Jetzt. Zu früh wäre das nicht; für das Vorhaben, das er propagiert, sind 150 Wochen nicht zu großzügig bemessen.

Trittins Pamphlet gegen die Große Koalition von Stillstand und Wachstumsmantra hält sich nicht lange mit Kapitalismuskritik oder Apokalypsen auf, rekapituliert stattdessen die rot-grüne Komplementarität von ökologischer Modernisierung und gesellschaftlicher Gleichheit. Seine Streitschrift setzt darauf, dass die Mehrheit der Bürger seit geraumer Zeit „auf die nötigen Veränderungen ansprechbar ist, doch nicht dran glaubt, dass sie machbar sind, ohne sich selbst und den bisherigen Lebensmodellen zu viel zuzumuten“.

Das Zaudern der Aufgeklärten

Gegen dieses Zaudern der Aufgeklärten, die Furcht der Erben, Kleinunternehmer, der Konsumverliebten und Subventionsprofiteure, gegen den Widerstand der Verlierer bei der anstehenden „schöpferischen Zerstörung“ der fossilen Marktfreiheiten hilft nur Klartext. Anlauf zu einem langen Angriff also und deshalb auch keine akademischen Streitigkeiten: ob Kapitalismus ohne Wachstum gehe, oder ob „Effizienz“ und „Suffizienz“ Gegensätze seien.

Sicher: Degrowth-Konferenzen, lokale Initiativen, Landkommunen und Tauschringe verändern das soziale Klima im langsamen Modus der Ansteckung. Aber „keine Bewegung der Straße, der Netzwelt oder der Theaterbühne kann echte Durchschlagskraft entwickeln, ohne irgendwann auch über Gesetze gesellschaftliche Wirklichkeit zu prägen“.

Die Treiber der Energiewende waren Bürgeraktivisten und passionierte Unternehmer, aber „Durchschlagskraft“ erhielt sie erst durch ein Gesetz, das Parlamentarier gegen die Ignoranz der Regierungen durchsetzten. Und eine Überwindung der Dauerstagnation ist nur im Verbund der drei linken Parteien denkbar, zumal gegen den Sog zu Großen Koalitionen mit kleinen Vorhaben, den die AfD noch verstärkt hat. Aber angesichts der grassierenden Skepsis, ob Regierungen harte Strukturen verändern können oder auch nur wollen, müssten Grüne, SPD und Linke jetzt schon beginnen, die Lust für eine wirklich große Veränderung zu wecken.

Trittin konzentriert sich pathosfrei auf Energiewende, europäischen Green New Deal, Schuldenbremse für Banken und Geldpolitik. Alles notwendig, aber für einen politischen Erdrutsch müsste der Aufbruch noch näher ans Leben der Menschen rühren. Also noch größer auftreten.

Linke Arbeitsteilung

Gerade dafür aber könnte – sehen wir mit kindlichem Optimismus davon ab, dass die drei Parteien höchst heterogene Interessen bündeln und dem ehernen Gesetz der Hierarchie und der Elitenkooperation unterliegen – die Spaltung der Linken in eine ertragreiche Arbeitsteilung führen. Die Sozialdemokraten würden große Infrastrukturvorhaben vorschlagen, flankiert von einer Entschuldung der Gemeinden. Dafür erhält Gabriel schon heute Applaus beim BDI und den Gewerkschaften, ebenso wie für einen spürbaren Ausbau aller Bildungszweige.

Die Grünen könnten mit dem Plan einer wirklichen Agrarwende, die sich nicht auf gesundes Essen und Tierethik beschränkt, eine anschwellende Massenstimmung einfangen, mit der Einführung einer allgemeinen Bürgerversicherung nicht nur bei den prekär Kreativen und den ausgeplünderten Privatversicherten punkten. Die Linken mit der Forderung einer Garantierente, einer Renaissance des kommunalen Wohnungsbaus und einer strengen Regulierung der Leiharbeit Stimmen gewinnen.

Riskant das Ganze

Man kann das umsortieren, aber die Voraussetzung für solch eine Kampagne wäre zunächst einmal der Wille aller drei Parteien, die Macht zu wollen und zu nutzen. Gegen allfällige Traumtänzer- oder Bolschewismusverdächte wären sie aber nur gefeit, wenn sie für jedes dieser Vorhaben klar sagen könnten, welche Subventionen abgeschafft, wessen Steuern steigen, wessen Vermögen besteuert, welche Produktionen verteuert werden müssen, damit das Land gerechter und zukunftssicherer wird. Und: dass es zu einer solchen „Systemveränderung“ (Trittin) nur eine Alternative gibt: das Abrutschen in die globale Freiheit totaler Märkte. Riskant das Ganze, aber, so Trittin mit dem Pathos der Entschiedenheit: „Es kann Situationen geben, in denen man ein Risiko eingehen muss.“

Alles nur Luftbrücken über Flügelkämpfen, Interessenklippen, aggressiven Statusängsten – und dem absehbaren Mediensturm? Oder die realistische Hoffnung auf eine ganz große Bürgerinitiative zur „Wiedereinführung der parlamentarischen, gewaltengeteilten Demokratie“, wie Hermann Scheer es einst sagte? Was könnte man als einfacher Bürger dafür tun? Eintreten? Dafür ist es zu spät; man hätte vielleicht nie austreten sollen.

Aber vielleicht ließen sich ja in jedem der 299 Wahlkreise zehn bis zwanzig medienversierte Aktivisten finden, die die Abgeordneten der drei Parteien zu gemeinsamen Aktionen tragen, in öffentlichen Befragungen prüfen, in Veranstaltungen für die große Wende werben. Lebten wir in Amerika, würden wir wahrscheinlich rot-grün-rote Buttons verkaufen, und das ab jetzt.

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18 Kommentare

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  • Nach den Erfahrungen mit Schröder-Fischer - jetzt beide Bestlobbyisten des Geldes - vorher Totengräber des Sozialstaates und des Steuerzahlens der Reichen - ist das doch der reine Traum. Das mit "links" hat doch mit Grün und Rot nichts mehr zu tun. Schade eigentlich.

  • @beinhart als Gleichaltriger -

     

    danke fürs Schmunzeln;-)

  • Matthias Greffrath - das alte

    in der Wolle links gefärbte

    Schlachtroß -

     

    er hat ja recht -

    wie realistisch is das aber¿

    wo nix is -

    hat der Kaiser sein Recht verloren.

    Punkt.

     

    Schauste mal on tour bei alten

    ideologieresistenten Weggefährten

    vorbei -

    so könnten die durch die Bank

    ähnliches zu Papier bringen -

    das aber was beachlich-substantielles

    an linkem Potential in diesen

    Hartz-IV-Verbrecher-Vereinigungen

    vulgo Parteien sei - ?¿

     

    so ehrlich ist ein jeder -

    nix da - Typen wie wir -

    kannste vergessen -

    marginalisiert -

    bin da nur noch drin,

    aus Tradition!

    (als Grucho-fan is das auch nicht besser - klar).

     

    Sorry - aber so viel nüchterner Blick

    muß sein -

    schön wärs - wenn jemand überzeugend

    widerspräche.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "...rekapituliert stattdessen die rot-grüne Komplementarität von ökologischer Modernisierung und gesellschaftlicher Gleichheit."

     

    Die gesellschaftliche Gleichheit war bestimmt keine Komponente der letzten rot-grüne Komplementarität.

  • Ja allerdings, was ist denn an Peer Steinbrücks SPD und GKEs und Kretschmanns Grünen links?

    Sozialistische Mietenpreisbegrenzung?

    Ende des Leiharbeitsmarkts?

    Und die PdL ließ auch schon Kürzungen durchgehen etc.

    Da ist eine starke soziale Bewegung in der Bevölkerung notwendig, wie in Brasilien, die dann diese Parlamentsgewöhnten neu entsendet.

    Aber das Gegenteil von AfD...

  • Guter Freund,

     

    Sie waren wohl noch zu jung um mitgekriegt zu haben, was Rot-Grün verbrochen hat, deswegen möchte ich Ihnen diesen Artikel nachsehen, aber darum bitten in Zukunft solcherlei Aufrufe in Unkenntnis nicht mehr in die Öffentlichkeit zu tragen. Danke.

  • Schon mehrfach geschrieben, aber die drei linken Parteien ist zu köstlich

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Die drei linken Parteien?

    Was bitte ist an SPD und Grünen noch links?

    Ne, vergeßt das mal. Besser die Linke bleibt aufrechte Opposition anstatt dem Beispiel der Grünen zu folgen und sämtliche Werte den Fleischtöpfen zu opfern. Denn: Wer bei den Hunden schläft, bekommt Flöhe. Von der SPD wollen wir da gleich gar nicht mehr reden: Die unterscheidet sich von der Union nur noch durch die Farbe.

    • @90191 (Profil gelöscht):

      Und auch die Linke gehorcht brav den Lobbyisten der Kohleindustrie.

      • 9G
        90191 (Profil gelöscht)
        @Joseph Tannhuber:

        Sie verwechseln da wohl was.

      • D
        D.J.
        @Joseph Tannhuber:

        Das Gute an manchen Ostlinken: Regionale Verantwortung statt "wir tun so, als würden wir die Welt retten".

         

        Schauen Sie sich übrigens mal die Nachkohlelandschaft südlich Leipzig an: Für unideologische Naturfreunde faszinierend.

        Zu DDR-Zeiten war ich auch gegen die Braunkohle. Aber da war auch nicht ausreichend Geld da für eine gute Renaturierung.

        • 9G
          90191 (Profil gelöscht)
          @D.J.:

          Ohne ideologischen Überbau ist keine vorausschauende Politik möglich. Alles andere ist planloser Aktionismus und was dabei rauskommt, sieht man ja seit 1989 und um so stärker, seit wir gleich zwei von Drüben an der Spitze haben: Die führen jetzt nicht nur die BRD, sondern auch ganz Europa in den Niedergang - weil sie halt letztlich keine Ahnung von Demokratie, Freiheit und Marktwirtschaft haben; weil sie nicht das, sondern eben das Gegenteil mit der Muttermilch aufgesogen haben.

           

          Generell muß gesagt werden: Jedes Wirtschaftssystem funktioniert nur so gut, wie die daran Beteiligten, was letztlich bedeutet, daß ein Volk, das ein sozialistisches System nicht erhalten kann, auch ein kapitalistisches zugrunde richten wird. Und wenn ich die BRD vor der Wende mit der BRD nach der Wende vergleiche, wird diese Erkenntnis evident.

  • "wenn sie für jedes dieser Vorhaben klar sagen könnten, welche Subventionen abgeschafft..."

     

    Und wer versichert also, dass das auch alles funktioniert? Wie soll man sich das bitte vorstellen?!

    Sagen Sie es doch gleich - Muttis Sprechblasenkabinett sei: alternativlos.

     

    Wir driften zwar akut in eine orwellsche Wirtschaftsdiktatur mit rechtem Populismus als Vistitenkarte - aber lassen Sie uns mal hypothetisch über eine Linkswende reden.

    Welche DREI LINKEN Parteien meinen Sie nochmal?

  • Ganz neue Töne: die Linke will regieren.

    Kann ich nur unterstützen. Je länger die Gewöhnung an die totale Überlegenheit im Abseits der Diskurse andauert, desto unwahrscheinlicher wird die bittere Pille der Realpolitik. Desto schmerzhafter wird die Erkenntnis ausfallen, dass Regieren ohne die Wahrnehmung der Staatsinteressen nicht möglich ist.

    Der alte Affe "Verantwortung". Wer regiert, muss sich festlegen, muss entscheiden, muss rechtfertigen, muss dazu stehen. Und da zeigt sich wie aus heiterem Himmel, dass nicht der Super-Liberalismus das Problem unserer Tage ist, sondern die Grenzen der Macht an sich. Weh' dem, der viel Verantwortung trägt, und wenig tun kann. In dessen Haut möcht' ich nicht stecken.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @die kalte Sophie:

      Verantwortung, jaja. Was ist vom Politikern zu erwarten, die sich zuerst den Lobbyisten und nur an zweiter Stelle den Bürgern gegenüber verantwortlich fühlen?

       

      Verantwortung trägt da keiner, das ist doch nichts als Gelaber. Reine Selbstbeweihräucherung wie etwa auch der angebliche 16 Stundentag siebenmal die Woche der Kanzlerin. Ich frage mich, wo sie da noch Zeit zum Essen, Kacken, Duschen, Umziehen, Zeitunglesen, Spazierengehen usw. übrig hat.

       

      Verantwortung, daß ich nicht lache. Was passiert denn schon einem Abgeordneten, Minister oder Präsi, wenn er Mist gebaut hat? Im schlimmsten Fall Rücktritt und ne hübsche Pension, diese noch aufgebessert durch irgendwelche Beraterposten.

       

      Verantwortung, pffft. Lächerhaft.

  • Nach 9 (!) Jahren Merkel kommt halt schonmal etwas Lust auf Visionen auf :-)

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Kain:

      Visionen kennen wir noch von Rot-Grün mit Schrödi und Fischi. Visionen allein sind für´n A...., wenn sie nicht politisch umgesetzt werden.

      • @90191 (Profil gelöscht):

        Mit den Visionen, die Fischer und Schröder hatten, hätten sie wirklich, um es mit Helmut Schmidt zu sagen, zum Arzt gehen sollen.

         

        Horrorvisionen von Krieg und Armut auch noch umsetzen zu wollen, ist schon sehr krank.