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Debatte Kalter KriegErnsthafte Eskalation

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Der Kalte Krieg zwischen Russland und den USA geht in eine neue heiße Phase. Deutschland muss viel stärker vermitteln als bisher.

Die Nato-Speerspitze wird verlegt. Ein Ende des Einsatzes wäre wünschenswert. Foto: dpa

D ie jüngsten Aufrüstungsverlautbarungen aus Washington und Moskau sind mehr als nur Säbelrasseln: Ja, man muss sich Sorgen machen. Zwar ist der Plan des Pentagons, schwere Waffen für bis zu 5.000 US-Soldaten in die drei baltischen Nato-Staaten zu verlegen, noch nicht von Präsident Obama abgesegnet. Und die 40 neuen atomaren Interkontinentalraketen, deren Stationierung Wladimir Putin in Reaktion darauf öffentlichkeitswirksam ankündigte, sind Teil eines schon längst angelaufenen Programms zur „Modernisierung“ von Moskaus Atomwaffenarsenal.

Dennoch wurde jetzt ein weiterer Schritt in der gefährlichen Eskalationsdynamik im Bereich der konventionellen wie atomaren Rüstung getan. Die begann bereits 2001 – also lange vor dem Ukrainekonflikt. Damals kündigten die USA den ABM-Vertrag mit Russland zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen einseitig auf.

Es folgten die von Moskau als Bedrohung empfundenen Beschlüsse von USA und Nato zur Errichtung von Raketenabwehrstellungen in Osteuropa. Inzwischen stellen die USA ebenso wie Russland zunehmend auch das INF-Abkommen von 1987 zum Verbot atomarer Mittelstreckenraketen in Frage. Denn dieses steht den auf beiden Seiten angelaufenen und als „Modernisierung“ oder „Maßnahme zur Lebenszeitverlängerung“ verharmlosten Programmen zur Entwicklung und Stationierung neuer Atomwaffen im Wege. Diese werden in den nächsten 20 Jahren Hunderte Milliarden Dollar und Rubel verschlingen.

Neben dem INF-Vertrag gibt es noch einen zweiten Grundpfeiler für den Frieden zwischen Ost und West: das 1990 vereinbarte KSE-Abkommen zur Begrenzung konventioneller Waffen in Europa. Doch Russland suspendierte es im März, nachdem die USA 3.000 US-Soldaten und mehrere hundert Kampfpanzer ins Baltikum verlegt hatten. Mit dieser Maßnahme reagierte Washington wiederum auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Moskau und auf Russlands hybride Kriegsführung in der Ostukraine.

Deeskalation einleiten

Der Rückfall in den Kalten Krieg und in einen Rüstungswettlauf mit zunehmendem Risiko eines heißen Krieges lässt sich nur beenden, wenn der Konflikt in der Ukraine überwunden oder zumindest deeskaliert wird. Dafür bleibt nicht mehr viel Zeit angesichts des bevorstehenden US-Wahlkampfes, in dem die Republikaner und entsprechend auch Hillary Clinton und andere potenzielle KandidatInnen der Demokraten auf eine noch schärfere Gangart gegenüber Moskau und auf eine Eskalation des Ukrainekonflikts durch Waffenlieferungen an die Regierung in Kiew setzen werden.

Daher bleibt nur die Nato und auch Deutschland; es ist an ihnen, die Deeskalation einzuleiten, damit Putin ohne Gesichtsverlust nachziehen kann. Für den russische Präsidenten ist die Deeskalation schwieriger als für die Nato, denn die Russen heißen seine eskalierende Ukrainepolitik mehrheitlich gut. Die Nato hingegen hat viel größeren Spielraum. Ein erster wichtiger Deeskalationsschritt wäre daher ein eindeutiger Beschluss der Nato-Staaten, dass eine Aufnahme der Ukraine in die Militärallianz nicht geplant ist.

Das setzt allerdings die Einsicht voraus, dass die Politik der Nato gegenüber Russland sowie die EU-Politik gegenüber Kiew seit 2005 wesentlich zur Entstehung des Ukrainekonflikts beigetragen haben. Doch eine solche Selbstkritik ist – zumindest öffentlich – bislang selbst bei jenen westlichen Politikern nicht erkennbar, die sich wie Bundesaußenminister Steinmeier stets um Vermittlung bemühten und das Gespräch mit Moskau nicht abreißen lassen wollen. Leider werden Steinmeiers wertvolle Bemühungen durch seine schneidige Kabinettskollegin von der Leyen konterkariert. Vor zwei Tagen stellte sie sich an die Spitze der gegen Russland gerichteten Manöver der Nato in Polen und heißt überflüssigerweise auch die eskalierenden Pläne des Pentagons gut.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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9 Kommentare

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  • Es wird höchste Zeit dass AMI GO HOME wieder populär und verwirklicht wird. Die regierenden Parteien überschlagen sich in devoten Freundschaftserklärungen, nur die Nichtwähler könnten in Deutschland diesen Alptraum von Wertkonservativen und Neoliberalisten stoppen.

  • Ein alarmierender Text von Herrn Zumach..

    Es bleibt eine Hoffnung- auf eine erneuerte `Graswurzelbewegung´ -

    Blockübergreifend.. -

    (wie in den 80´ern die Russell Kampagne des "European Nuclear Disarmament" (E.N.D.)..

    ..um den erneut aufflammenden Kalten Krieg zu beenden!

    Das bedingt m.E. jedoch so etwas wie eine EU von "Frieden und Annäherung"..

    Eine Bedingung die heute eine Vision ist, die mit den politischen `Bananen´ der Gegenwart nicht so richtig geht..

    Was tun ?

  • Tja, so ist es halt, wenn die Welt von einer Arschlochklasse regiert wird.

  • "...und heißt überflüssigerweise auch die eskalierenden Pläne des Pentagons gut."

    Es ist zwar noch eine Weile hin , bis die Dame Merkel beerben und den Kanzlerthron besteigen könnte . Das Gruseln davor kann einen aber jetzt schon augenblicksweise anfliegen .

    Vielleicht liegt Hoffnung darin , dass die wirtschaftlichen Probleme durch Null- bzw. Minus-Wachstum und Rezession in EU-Europa so groß werden , dass ihm am Säbelrasseln gegen Russland der Spaß vergeht , ... wo ihm doch durch dessen Ausgrenzung allein schon genug Schaden erwächst .

    Auch ist zu hoffen , der Regierung der Ukraine werde einmal aufgehen , dass das Land bei Fortsetzung des Bürgerkrieges (vor geopolitischem Hintergrund) nur tiefer ins Elend stürzen würde , aus welchem ihm der Westen nicht befreien können wird .

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ausgerechnet vom europäischen Wurmfortsatz amerikanischer Imperialpolitik in Europa eine Position der Neutralität und gar Mediation zu erwarten, zeugt von einem völligen Verkennen gegenwärtiger Machtverhältnisse. Auch die unterschiedliche Konnotation im Reden und Handeln etwa des Außenministers und der Verteidigungsministerin zeugt nur von der sattsam bekannten Arbeitsteilung des "good guy" und "bad guy/ girl". In ihrem Ziel sind sich beide einig wie der Mainstream ihrer beiden Parteien: einem schwachen Russland und einem starken Amerika.

     

    Genau dies kann ich als friedliebender Humanist mit Geschichtsbewusstsein nur fürchten.

  • Auch wenn die Situtation in der Ukraine unhaltbar ist, finde ich Ihre Kalter-Krieg Polemik alles andere als angebracht. Denn auch wenn es sinnvoll ist vor einer Verschärfung eines Konflikts zu warnen, wenn man meint diese auszumachen, sollte man nicht alarmistische Vergleiche herbeiziehen. Den Begriff kalter Krieg einzuführen ist bei dem Ukraine Konflikt schlichtweg falsch, suggeriert er doch einen Konflikt ziwschen West und Ost der so gar nicht mehr bestehen kann schlichtweg, da die Udssr nicht mehr besteht. Die Blöcke die sie aufrufen gibt es so nicht mehr, und der Osten ist glücklicherweise mehr als Russland. Ein weiterer Grund weshalb es hier niemals zu Spannungen von der Dimension des kalten Krieges kommen kann, denn im Osten Eurasiens, da gibt es auch noch China, und deren Wachstum ist die größte Herausforderung für den Allmachtsanspruch der USA. Deren Hinwendung zum Pazifikraum lässt kaum Kapazitäten für einen ernsthaften Konflikt mit Russland. Hinzu kommt das Chinas belts and roads Schema beginnt Russland in einen Eurasischen Großwirtschaftsraum zu integrieren, auf dem kein Platz für die alte Ost-West Denke ist. Die USA mögen ihre eigenen Pläne haben aber mir scheint keiner der Beteiligten dieses Projekts kann ein ernsthaftes Interesse an einem wirklichen Konflikt zwischen Teilen dieses profitablen Wirtschaftsraums haben. Selbst Russland nicht.

    • 9G
      9076 (Profil gelöscht)
      @Jason Schiffer:

      Wenngleich sie in Teilen recht haben mögen. Vergleichbar ist das Säbelrasseln der Konfliktparteien USA/Russland mit der Zeit des kalten Krieges allerdings schon. Man möge sich bitte die Brisanz einiger geschichtlich belegten Situationen vor Augen führen, als sowohl die USA als auch die damalige UDSSR bereits den Finger am Auslöser hatten. Die Welt stand bereits am atomaren Abgrund.

      Das war eine Situation die ich mir nicht in Ansätzen noch einmal wünsche.

      Hinzu kommt, dass ich Amerikas miliärische(n) Hybris für unberechenbar halte.

  • nicht die Nato, nicht in Berlin-in WAS DC wird der Taktstock geschwungen, ohne die Kernwaffen wären wir längst im WK3, das dumme-russisschen Raketen sind in derLage die USA in Schutt und Asche zu legen!

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    Jetzt hat es auch in der Redaktionsstube der Taz langsam geschnackelt.......

    Oder doch alles nur "Putinversteher"? Herrn Johnson wirds gefallen, dass nun endlich "schärfere Geschütze" aufgefahren werden.

    Die Eskalationsspirale war schon abzusehen, als die Amerikaner finanziell und mit privaten Sicherheitskräften am Regimechange in der Ukraine mitgemischt haben.