Buenos Aires gedenkt Diego Maradonas: Trauer und Stolz
In der Geburtsstadt der Fußballlegende herrscht nach dem Tod von Maradona Ausnahmestimmung. Argentinien ruft eine dreitägige Staatstrauer aus.
„Diego vive – Diego lebt“, skandieren die Menschen in Buenos Aires. Seit dem frühen Donnerstagmorgen ziehen in der argentinischen Hauptstadt die Trauernden am geschlossenen Sarg von Diego Armando Maradona vorbei. Aufgebahrt ist sein Leichnam in der Casa Rosada, dem Präsidentenpalast, umhüllt von der argentinischen Nationalflagge und bedeckt mit einem Trikot der Boca Juniors, seines letzten großen Clubs.
Viele hatten die Nacht direkt davor, auf der Plaza de Mayo, verbracht und auf Einlass gewartet. Rund eine Million Menschen werden in den kommenden Stunden am Sarg vorbeiziehen. Auch Präsident Alberto Fernández wird sich einreihen. Drei Tage Staatstrauer hatte er angeordnet. Maradona war am Mittwoch im Alter von 60 Jahren gestorben.
Und während Maradonas ehemalige Frau Claudia Villafañe mit den Töchtern Dalma und Gianinna letzte Hand an den Sargschmuck legte, wurde der langjährigen Freundin Rocío Oliva das Beisein verweigert. Der familiäre Rosenkrieg, der sich durch Maradonas Leben zog, geht auch nach seinem Tod weiter.
Kaum wurde die Nachricht vom Tod Maradonas öffentlich, versammelten sich viele Menschen spontan auf der Straße und auf Plätzen. Ob in dem Viertel Villa Fiorito, wo er aufgewachsen war, vor dem Stadion der Argentinos Juniors, Maradonas erstem Profiklub, vor der Bombonera (Pralinenschachtel), dem Stadion der Boca Juniors, mit denen er die argentinische Meisterschaft gewann. Oder beim Obelisken im Zentrum der Hauptstadt Buenos Aires.
„Diego haben sie wenig geholfen“
Egal wo sich die Menschen trafen, überall herrschte stimmungsmäßig eine Mischung aus Trauer und Stolz. Trauer darüber, dass der ewig größte Fußballer des Landes gestorben war. Stolz darauf, dass er einer von ihnen war.
Derweil reihte sich bei den Fernsehkanälen und den Radiosendern eine Sondersendung an die nächste. Auf den Bildschirmen sah man immer wieder, wie Maradona sich mit offenen Schnürsenkeln im Münchner Olympiastadion aufwärmt, als er im April 1989 mit dem SSC Neapel gegen den FC Bayern im Halbfinale des Uefa-Cups antrat. Am Mittwochabend um genau 22 Uhr brandete ein einziger großer Applaus durch ganz Argentinien. So wurde Maradonas, „El D10S“ (ein Wortspiel aus Diez und Dios, 10 und Gott), gedacht.
Im Fernsehen liefen derweil die Livebilder der Überführung des Leichnams und die Ergebnisse der Autopsie. Diese war angeordnet worden, um etwaige Zweifel an einem natürlichen Tod definitiv ausräumen zu können. Ein Neffe hatte Maradona am Vorabend des 25. November zum letzten Mal in seinem Haus im Norden von Buenos Aires lebend gesehen. Er fühle sich nicht wohl, habe sein Onkel gesagt, und dass er sich hinlegen würde. Irgendwann in der Nacht muss Diego Maradona dann sehr wahrscheinlich friedlich für immer eingeschlafen sein, so der Autopsiebericht.
Nachdenkliche Worte kamen von Argentiniens Trainerlegende César Luis Menotti. „Diego haben sie wenig geholfen, so wie das immer passiert bei solchen Figuren. Erfolg bringt sie an den Rand des Abgrunds, ein Schritt nach vorne führt zum Tod und ein Schritt zurück zum Ruhm“, so der 82-jährige Menotti. „Maradona war sehr intelligent. Er hatte eine Berufung zum Lernen und war ein großartiger Compañero. Dass er der König ist, hat er auf dem Platz nie missbraucht.“
Im Stadion Bombonera besaß Maradona eine Ehrenloge auf Lebenszeit. Jeder konnte ihn sehen, wenn er, wie alle Fans in Argentinien, sein Trikot auszog und, mit nacktem Oberkörper das Trikot über dem Kopf wirbelnd, seine Boca Juniors anfeuerte. Selbiges tat er 2006 während der WM in Deutschland. Redaktionen fragten in Buenos Aires an, ob Maradona verrückt geworden sei. Nein, Maradona war einfach Fan, wie alle anderen. Einer von denen, die jetzt an seinem Sarg vorbeiziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!