Berliner Demo für die Energiewende: Nicht gekentert
10.000 Menschen protestieren gegen das Ausbremsen der Energiewende – weniger als erhofft. Und auch die sind sich nicht in allen Fragen einig.
BERLIN taz | Ihr erstes Ziel erreichen die Vorkämpfer für die Energiewende am Samstagmittag ohne Probleme: Über 100 Boote, die mit Fahnen und Transparenten geschmückt mitten im Regierungsviertel auf der Spree fahren, setzen die zentrale Forderung – „Energiewende nicht kentern lassen“ – gut ins Bild. Und kentern tut hier bei strahlendem Sonnenschein auch niemand.
Die Energiewende sehen die Menschen, die aus ganz Deutschland zum Demonstrieren nach Berlin gekommen sind, hingegen in schwerem Fahrwasser: Die Bundesregierung will den Ausbau von Wind-, Solar- und Biomasse-Kraftwerken abbremsen; die entsprechende Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die geringere Vergütungssätze für Wind und Biomasse und eine neue Abgabe für selbst verbrauchten Solarstrom vorsieht, ist diese Woche in den Bundestag eingebracht worden.
Dagegen richtet sich auch der anschließende Protest an Land. „Zehntausende“ Demonstranten hatte der Bundesverband Erneuerbare Energien als Unterstützer der Demo im Vorfeld angekündigt. Doch dieses Ziel wird nicht erreicht. Rund 10.000 Menschen sind es nach taz-Zählung, die vorbei an Kanzleramt und Bundestag bis vor die CDU-Parteizentrale am Tiergarten ziehen. Die Veranstalter sprechen bei der Abschlusskundgebung, bei der neben mehreren Rednern auch die Bands Seeed und Revolverheld zu hören sind, von 12.000 TeilnehmerInnen.
Der Demozug ist bunt und laut: Neben unzähligen Fahnen von BUND, Campact und Ausgestrahlt finden sich viele selbst gemalte Plakate – gegen Braunkohle-Abbau, Fracking und Atomkraft, für Sonne, Wind und Biomasse. Neben Umweltverbänden, Bürgerinitativen und Grünen ist auch die Branche der erneuerbaren Energien stark vertreten: Windkraft-Hersteller aus Schleswig-Holstein sind dabei, Solar-Produzenten aus Hessen, und besonders zahlreich Unternehmer der Biogas-Branche, bei der die Regierung am stärksten kürzen will. „Biogas – wir können immer“ steht auf ihren Plakaten – als Hinweis darauf, dass Strom aus Biomasse im Gegensatz zu Wind- und Sonnenstrom jederzeit zur Verfügung steht.
Dissens beim der Biomasse
An dieser Frage zeigte sich aber auch, dass sich die DemonstrantInnen nicht in allen Fragen einig sind. Während vom Demo-Wagen der Erneuerbare-Energien-Branche lautstark für Strom aus Biomasse geworben wurde, sehen viele Umweltgruppen die Bioenergie kritisch. Denn bisher wird dafür vor allem Mais genutzt, der in Monokulturen angebaut wird, die viel Flächenverbrauch und wenig Artenvielfalt mit sich bringen. So kritisierte etwa der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger etwa lautstark die geplanten Einschnitte bei Wind- und Solarstrom, schwieg aber zum Thema Biomasse.
Einig waren sich die DemonstrantInnen jedoch darin, was sie auf keinen Fall wollen: Ein Abbremsen der Energiewende und ein Festhalten an Kohlekraftwerken. „Die Verstromung von Kohle ist ein Verbrechen an Klima, Landschaft und Menschen“, rief Christoph Bautz vom Aktionsnetzwerk Campact unter großem Beifall. „Es muss endlich Schluss sein mit Klientelpolitik für Klimakiller und Landschaftsfresser.“
Angesprochen fühlen durfte sich durch diese Kritik auch die Linkspartei, die auf der Demonstration mit einem eigenen Wagen unterwegs war, aber als Regierungspartei in Brandenburg genau jene Braunkohle-Politik mitträgt, gegen die in Berlin demonstriert wurde. Sie stand bei der Kundgebung ebenso in der Kritik wie die nordrhein-westfälische SPD, die ebenfalls weiter auf Braunkohle setzt.
Auch der Gesetzentwurf von SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel stieß auf scharfe Kritik. „Das ist nicht die Energiewende, für die die SPD viele Jahre gekämpft hat“, sagte Bautz und erinnerte an Vordenker wie den verstorbenen SPD-Solarvisionär Hermann Scheer. Der BUND-Vorstitzende Hubert Weiger setzt darauf, dass die Bundestagsabgeordneten Gabriels Pläne noch stoppen: „Das Parlament muss nachbessern und ein Gesetz verabschieden, das die Energiewende beschleunigt, anstatt sie abzuwürgen.“
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