Autogegnerin Gröne über Altonas Neue Mitte: „Platz für Gärten“
Bis Montag können Einwendungen gegen den Bebauungsplan eingereicht werden. Gründe gibt es genug, findet das Netzwerk autofreies Wohnen.
taz: Frau Gröne, was haben Sie dagegen, wenn Ihre neuen Nachbarn in Mitte Altona Auto fahren?
Britta Gröne: Mit dem großen neuen Wohngebiet verdichtet sich Altona. So, aber auch durch den Bau von Ikea, wird sich das Verkehrsaufkommen steigern. Wir glauben, dass man da umdenken muss. Wobei es nicht darum geht, mit dem Verdichten aufzuhören. Denn wir wollen ja neue Wohnungen. Aber damit darf man nicht zu einem Verkehrskollaps in Altona beitragen.
Aber die Stadt sagt doch, dass es gelungen ist, das neue Quartier autoarm zu gestalten.
Unser Ziel war ja, mit drei Wohnblöcken ein großes quasi autofreies Quartier zu schaffen, dessen Stellplatzschlüssel auf 0,1 limitiert ist – das entspricht einem Platz je zehn Wohneinheiten. Jetzt ist es so, dass der Stellplatzschlüssel insgesamt in diesem Gebiet bei 0,4 liegt und wir mit unserem reduzierten Ansatz von 0,2 rechnerisch sogar einen höheren Anteil in anderen Bereichen legitimieren.
Umgerechnet heißt das, dass für die geplanten 1.600 Wohnungen im ersten Bauabschnitt 640 PKW-Stellplätze vorgesehen sind. Dadurch steigen auch die Mieten, warum?
Mit dem Bau der Tiefgaragen steigen die Kosten. Wir würden gerne darauf verzichten und dadurch Platz für Gärten und Freizeitmöglichkeiten für Familien gewinnen.
48, ist als Mitglied der Baugemeinschaft Gleishaus im Netzwerk Autofreie Mitte Altona, in dem 18 Baugemeinschaften sind.
Aber der Verzicht auf Parkplätze heißt nicht, dass die Leute keine Autos haben. Könnten die nicht einfach an der nächsten Straßenecke parken?
Das wird vertraglich geregelt. In der Saarlandstraße ist es so. Da gibt es ein großes autofreies Projekt, das wir auch besucht haben. Der so genannte Verzicht auf Autos wird von den Bewohnern aber tatsächlich als Bereicherung beschrieben, weil man anders mit der Fläche umgehen kann: Straßen und Parkplätze werden zu grünen Oasen.
Wie genau sieht Ihr Konzept für ein autofreies Viertel aus?
Wir haben mit zwei Architekturbüros einen Vorschlag gemacht, wonach im südlichen Bereich zwischen dem Gerichtsviertel, dem Park und der Schule drei Blöcke autofrei gestaltet und auf Tiefgaragen und Stellplätze weitgehend verzichten werden soll. Durch die Konzentration von autofreiem Wohnen und verwandten Nutzungen wäre es möglich, Straßen ganz für den Verkehr zu sperren oder zu beruhigen. Ferner sind Grünflächen auf Tiefgaragen in ihrer Bepflanzungsart nicht limitiert.
Inwiefern sehen die Pläne der Stadt anders aus?
Es gibt jetzt zwei Blöcke, einen ganz im Norden und einen im Süden neben der Schule. Aber da sind jetzt auch andere Wohnprojekte untergebracht, was wir auch erstmal gut finden. Aber es gibt eben keine Zusammenfassung von autofreien Bauprojekten und wir finden, dass das absolut Sinn ergeben würde. Weil man eben mit den Flächen und Straßenräumen, die dadurch entstehen würden, ganz anders umgehen könnte.
Auch Eltern der Theodor-Haubach-Schule am Holstengelände sind gegen die Verkehrsplanung. Dort, wo jetzt noch der Schulhof ist, sollen bald täglich bis zu 4.000 Autos fahren.
Wir haben keinen Kontakt zu denen. Das ist natürlich schade, wir haben ja in unserem Konzept darauf gesetzt, dass auch die benachbarten Viertel durch die Verkehrsreduzierung profitieren. Jetzt passiert etwas, was genau in die andere Richtung geht. So wird die Lebensqualität weiter verschlechtert.
Kommt die Kritik, dass die Stadt eine Chance vertan hat, nicht ein bisschen zu spät?
Wir haben ja schon sehr früh damit angefangen, in den politischen Prozess einzusteigen. Wir haben alle Parteien besucht und haben mit den Eigentümern gesprochen und unser Konzept vorgestellt. Wir haben auch etwas erreicht, nämlich den reduzierten Stellplatzschlüssel von 0,2 in den beiden Blöcken für die Baugemeinschaften. Ich denke, es ist aber noch nicht zu spät, weil die Straßenräume und die Frage von Tempolimits innerhalb des Gebiets und in der Harkortstraße noch nicht festgelegt sind. Und außerdem ist noch bis Montag Zeit, Einwendungen bei der Stadt einzureichen. Wenn viele Leute um Nachbesserung bitten, könnte sich ja auch noch was tun.
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