piwik no script img

Aufklärung Missbrauch katholische Kirche„Es wäre eine Offenbarung geworden“

Matthias Katsch, Beirat des Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten, über Täter, Persilscheine und den Wunsch nach einer unabhängigen Kommission.

„Es brauchen jene Menschen in der Institution, die aufklären wollen, unbedingt auch Hilfe von außen.“ Bild: dapd

taz: Herr Katsch, die katholische Kirche ist aus der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs durch das Kriminologische Forschungsinstitut ausgestiegen. Haben Sie damit gerechnet?

Matthias Katsch: Mir und einem Kollegen von der Beratungsstelle Tauwetter war klar, dass die Kirche das Projekt nicht durchhalten würde, jedenfalls nicht so wie vereinbart.

Warum?

Weil es ein fundamentaler Schritt war, den Christian Pfeiffer und die Kirche gehen wollten. Es wäre, pardon, eine Offenbarung geworden, wenn man anhand der Personalakten herausgefunden hätte, wie viel sexuelle Gewalt es in der Kirche wirklich gibt. Bisher spekulieren wir da ja alle nur rum.

Was lernen sie aus dem Ausstieg?

Dass wir ohne unabhängige Aufklärung nicht weiterkommen. Es muss eine unabhängige, von außen beauftragte Kommission geben, die die sexualisierte Gewalt in der Kirche aufklärt.

Bild: Archiv
Im Interview: Matthias Katsch

war Schüler des Berliner Canisius-Kollegs. Er hat geholfen, an seiner Schule die Wahrheit über sexuellen Missbrauch öffentlich zu machen.

Warum ist die Kirche so lernresistent?

Der Frosch legt den Teich nicht trocken, in dem er lebt. Mit anderen Worten: Es brauchen jene Menschen in der Institution, die aufklären wollen, unbedingt auch Hilfe von außen. Denken Sie an den Aufklärer Pater Klaus Mertes, ohne den vieles in der Kirche nicht in Gang gekommen wäre. Wir Betroffenen vom sexueller Gewalt waren zu Recht immer skeptisch.

Warum eigentlich?

Weil es für uns gar nicht auszuhalten ist, dass sich die Täterorganisation selbst den Persilschein ausstellt. Wir haben doch erlebt, oft über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg, wie man uns hinhält, vertröstet und notfalls auch einfach niedermacht, wenn wir von unserem Leid erzählen wollen.

Worauf hoffen Sie jetzt?

Dass die Bundesregierung und der Bundestag etwas unternehmen. Es braucht den Druck des Staates, beispielsweise eine Enquetekommission des Bundestags einzurichten, die sich des Missbrauchs systematisch annimmt.

Aber wie kommt man denn weiter, wenn die Kirche nicht mitspielt?

Von den Niederlanden lernen wir, dass man durch das Hochrechnen von Opferzahlen über Interviews mit Betroffenen arbeiten kann. Damit wird man beidem gerecht: Einer Ahnung, wie viele Betroffene es wirklich gibt. Und: Es ist wichtig, die biografischen Einzelschicksale anzuhören – für die Betroffenen und die Gesellschaft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • G
    Ger

    Ich ärgere mich das ich als Steuerzahler, trotz Austritt aus der Kirche, die Gehälter der geistlichen Würdenträger mitfinanzieren muss um diesen geilen noch aus dem Mittelalter stammenden machtgeilen sabbernden Pfaffen ihre unzüchtigen Triebe zu ermöglichen.

    Deswegen muss ein Bürgerbegehren her, das diese Gehaltszahlungen aus dem Steuersäckel abschafft.

    Haben doch genug Kirchenstuer, oder?

  • E
    Elli

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Als gläubige Christin bin ich hundertprozentig über-

    zeugt, wenn Jesus heute auf die Erde zurückkehren

    würde,er als ERSTES den VATIKAN ausmisten würde!

  • E
    Empört

    @Fritz

    "(...) Es ist ganz selbstverstaendloich, dass bei den engen Beziehungen, die es bei dem Umgang mit jungen Menschen im Zusammenhang der Kirche gibt und geben muss, auch Dinge passieren, die einfach in der menschlichen Natur liegen.

     

    Es kommt insgesamt verhaeltnismaessig selten vor. Triebe usw. sind eine Realitaet und der "paedagogische Eros", der das Hoechste ist, was wir in Sachen Bildungsweitergabe und Erziehung haben und der sein muss, geht eben unter Umstaenden weiter ..."

     

    schreiben Sie u.a.

     

    Das meinen Sie jetzt nicht ernst, oder?

     

    Der sexuelle Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen, um den es geht, ist eine schweres Verbrechen, unter dem die Opfer häufig ein Leben lang leiden.

     

    Was Sie da von "pädagogischem Eros" faseln, sind die üblichen Rechtfertigungsversuche von Pädokriminellen, nichts anderes. Wer nicht in der Lage ist seine "Triebe" zu kontrolliern, der hat in der Jugendarbeit (z.B. in katholischen Jugendgruppen, Internaten usw.) nichts zu suchen, sondern der hat sich - bevor er zum Täter wird - professionelle Hilfe zu suchen, z.B. hier:

    http://www.kein-taeter-werden.de/

     

    Dass die katholischen Bischöfe Marx (München) und Müller (Regensburg) nun die Aufdeckung der jahrzehntelang von der katholischen Kirche betriebenen Vertuschung schwerer Verbrechen ihrer Priester und anderer Bedienstete an wehrlosen Kindern durch die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit Prof. Pfeiffer sabotieren, zeigt dass diesen Gestalten Täterschutz offenbar wichtiger ist, als Opferschutz. Marx, Müller u.a. machen sich (nicht erst dadurch) zu Mittätern.

     

    Ich könnte kotzen über diesen Verein, der sich selbst christlich nennt und bin - wie schon andere Kommentatoren forderten - dafür sofort sämtliche Subventionen und Steuerbefreiungen einzufrieren, bis alles auf dem Tisch liegt.

  • M
    moebius

    Die Justizministerin hat einen ersten, wichtigen Schritt getan - weiter so! Bei Straftaten ist doch die Staatsanwaltschaft zuständig? Oder gilt in jedem FAlle ein rechtloser Status für die Kirche?

  • WB
    Wolfgang Banse

    Nicht alles kann auf Gott sich berufen,was in den Kirchen geschieht,hier die Missbrauchsfälle.In keinert Institution gibt es soviel Heuchelei,Unaufrichtigkeit,Unglaubwürdigkeit wie in der Mutter Kirche,die sich auf Jesus Christus beruft.

  • K
    kroete

    Nein, die Katholische Kirche hat keinen Ruf zu verlieren, passt diese traditionelle Vertuschungstaktik in ihr gesellschaftliches Bild, das dahinbröckelt.

    Fehlt es an Priestern, da der Zölibat nicht mehr vermittelbar ist, leugnet man den hohen Anteil an schwulen Würdenträgern, spielt die Frau nach wie vor eine untergeordnete Rolle.

    Gut verschlossen werden die Unterlagen, die zeigen würden, daß die Kirche sich an politischen Verbrechen beteiligt hat, untätig zuschaut wie weiterhin im Namen ihrer Institution Unrecht geschieht.

    Offensichtlich sind die unsäglichen sexuellen Übergriffe ihrer Mitarbeiter/innen verzeihliche Sünden, die von ganz oben gedeckelt werden.

    Schade, daß jetzt diejenigen Kräfte, die für Transparenz sorgen möchten wieder einen Maulkorb verpasst bekommen.

  • O
    Ott-one

    Erst wäre mal vom Staat fällig, die Millionen zu streichen, die eine Subvention für die Kirche ist, falls nicht lückenlos der Mißbrauch aufgeklärt wird.

    Leider wird das nicht passieren, denn das wäre eine Katastrophe für die katholische Kirche.

    Früher hat man die Inquisition erfolgreich angewendet. Heute will man keine Iquisition( UNTERSUCHUNG) bei sich selber zulassen.

  • I
    ion

    "(....), wie viel sexuelle Gewalt es in der Kirche wirklich gibt. Bisher spekulieren wir da ja alle nur rum.";

     

    Jegliches Maß wäre, ist(!) übervoll !

    Der Laden gehört eingedampft, aus dem GG (Sonderrechte) gestrichen und deren Vertreter (jegliche Vertreter von Glaubensvereinen) aus den Rundfunkräten ausgekehrt!

    Basta

  • J
    Jürgen

    taz v. 29.12. - Brot statt Böller: Jakob macht sich den Spruch einer "protestantischen Lustfeindlichkeit" zu eigen. Was meint er nun hierzu? Oder ist auch zu "weich", wie Herr Schulz (taz 9.1.); taz hat auf meine Beschwerdeemail nicht reagiert!

  • F
    Fritz

    Der fundamentrale Schritt waere ein fundamentaler Schrott. An dem Verhalten des beruehmten Bischofs Blixa beispielsweise war trotz des vielen Unsinnes, an den man glauben muss, um es ernst zu nehmen, im Kern absolut nichts auszusetzen gewesen. Es ist vollkommen unhistorisch, ihm Dinge vorzuwerfen, die zur Zeit von Ulrikes Meinhofs Bambule voellig normal waren. Was hat er gemacht? Er hat einer bestimmten Person eine Ohrfeige gegeben. Zum Zeitpunkt seiner Demontage war er der brillanteste Kritiker des Afghanistankrieges, den wir in Deutschland hatten. Margot Kaesmann war dagegen nur eine Heulsuse. Usw.

     

    Es ist ganz selbstverstaendloich, dass bei den engen Beziehungen, die es bei dem Umgang mit jungen Menschen im Zusammenhang der Kirche gibt und geben muss, auch Dinge passieren, die einfach in der menschlichen Natur liegen. Es kommt insgesamt verhaeltnismaessig selten vor. Triebe usw. sind eine Realitaet und der "paedagogische Eros", der das Hoechste ist, was wir in Sachen Bildungsweitergabe und Erziehung haben und der sein muss, geht eben unter Umstaenden weiter. Ein Aufwachsen ohne Risiko gibt es nicht. Alles andere wuerde unser Menschsein in Frage stellen. Es waere allenfalls noch web 2.0.

  • C
    C.Oprpsgeist

    "Der Frosch trocknet den Supf nicht aus".

     

    Ein eher unpassendes Bild. Der Frosch handelt richtig, tut nichts Schlimmes...

     

    Vielleicht sollte man die eitlen angserfüllten Herren mit Ihren eigenen Waffen schlagen. Ein Blick in die Bibel kann helfen. Dort findet man auch auch die Weisheiten Salomons:

     

    "In ihrer Bosheit dachten sie, sie hätten dein Volk in ihrer Gewalt – und dann waren sie selbst die Gefangenen, gefesselt von der dichten Finsternis einer nicht enden wollenden Nacht, eingeschlossen in ihren Häusern, fern von aller göttlichen Hilfe. Sie glaubten, ihre geheimen Sünden würden nicht an den Tag kommen, ein dunkler Vorhang des Vergessens würde ihre Schuld verdecken; aber sie wurden aufgeschreckt und auseinander getrieben, von Schreckensvisionen gejagt.

    ...

    Denn die Bosheit verrät sich durch Feigheit und verurteilt sich dadurch selbst. Weil sie ...in schlechtes Gewissen hat, fürchtet sie immer das Schlimmste."

  • B
    Bruno

    Was soll denn das für ein Interview sein und vor allem worüber wird hier geredet? Die katholische Kirche unterbricht den Prozess zur Erstellung des Gutachtens über Missbrauchsfälle in ihren Reihen, weil das Vertrauen zum Leiter der erstellenden Kommission Herrn Pfeiffer zerstört ist. Herr Pfeiffer wird ersetzt, danach geht es weiter. Haben Sie sich eigentlich schon mal näher über diesen Herrn Pfeiffer informiert? Kann ich Ihnen nur dringend empfehlen. Bei der Gelegenheit könnten auch mal die Pädophile Vergangenheit unserer Linksintellektuellen um Daniel Cohn Bendit untersucht werden. Aber bevor das geschieht, friert die Hölle zu.

  • M
    Mann-O-Mann

    Ich glaube, das Thema hat es auch deshalb schwer, weil die von dem Mißbrauch betroffenen mehrheitlich Männer sind. Das passt nicht in die gängigen Wahrnehmungsschemata, sowohl bei Konservativen als auch bei Linken.

     

    Ich glaube auch, dass das an ganz grundsätzliche Strukturen in unserer Gesellschaft rühren würde, wenn man sich damit auseinandersetzte.