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Die WahrheitDie Pappenheimer des Metal

Auf dem einmal im Jahr stattfindenden Keep-It-True-Festival versammelt sich die wortgewaltige Metal-Journaille gern abseits der Bühne am Bierstand.

M ain-Franken ist ein Stillleben mit Hügeln, aber einmal im Jahr schaut die Welt vorbei. Dann tagt das Keep-It-True-Festival. Im Inneren der Konzerthalle hängen die Flaggen der Nationen, die eine Abordnung entsendet haben: Australien, Lappland, Papua-Neu-guinea …

Die strenge Fanfraktion feiert hier ihr alljährliches Stammestreffen mit Bands wie Morgul Blade, Savage Oath oder Sacred Warrior. Man hört den alten oder kunstvoll auf alt getrimmten Kram seit Jahren und kennt seine Pappenheimer. Schreiberlegende Götz Kühnemosh sieht mich und schüttelt den Kopf, weil sein Weltbild gerade ins Rutschen gerät. „Du warst aber auch noch nie hier!“

Ertappt, aber man bleibt nicht lange Novize. Wer nicht zu viele überflüssige Fragen stellt und ein paar Bier springen lässt, gehört bald dazu. Und weidet sich daran, dass auch die Vollnerds gelegentlich schlimmen Irrtümern aufsitzen. „Aaaah, gleich kommen Bleak House, geil, das sind diese totalen New-Wave-Of-British-Heavy-Metal-Legenden, die damals nur eine EP gemacht haben“, sagt einer. Ein anderer schaut ihn entsetzt an und senkt mutlos den Kopf. „Zwei!“ Die ganze Versammlung schweigt peinlich berührt.

Bleak House entpuppen sich als veritable Rentnergang aus West Sussex, die ihren zweiten Auftritt nach über 40 Jahre absolviert und entsprechend wacklig klingt beim schnelleren Geschrubbe. Macht nix, sie werden umjubelt und die Refrains der beiden (!) EPs vollhals mitgegrölt. So macht ein Altersheimausflug aufs Festland richtig Spaß.

Der Nachmittag geht deshalb ziemlich schnell rum. Es stehen immer noch diverse Bands auf der Running Order, aber die Metal-Journaille ist schon wieder „ganz vorne mit dabaa“, wie es ein befreundeter Kollege auszudrücken beliebt. „Ehrloses Pack!“, empöre ich mich streng. „Ihr sollt schreiben, wo Bartel den Most holt, und nicht lattenstramm am Bierstand herumhängen!“

Man beruhigt mich, man habe zu Hause alles in Ruhe „einschöwen“ können. Dieser Begriff geht zurück auf den Metal Hammer-Redakteur Andreas Schöwe, der einstmals eine Konzertbesprechung drucken ließ, die viele Headbanger in große Begeisterung versetzte, nicht allein wegen seiner Wortgewalt, sondern auch weil die Band wegen Krankheit abgesagt hatte.

Das nenne ich wahre Professionalität. Der Text steht schon, bevor die Show losgeht, jetzt muss nur noch das sogenannte Leben an unsichtbaren Marionettenfäden gezogen hinterhermucken. Aber das wird schon. Wir wissen schließlich von Arno Schmidt, dass die wirkliche Welt ohnehin nicht mehr ist als die Karikatur unserer großen Romane. Und so ist das auch hier.

Am Morgen danach treffe ich einen anderen KIT-Gänger im Hotelfahrstuhl. „Na, haben dich Heavy Load gestern Abend auch müde gemacht?“ Ich habe keine Erinnerung mehr daran, da ist nichts, null, niente, aber ich nicke diensteifrig. „War klar, dass die wieder enttäuschen würden.“

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Frank Schäfer
Lebt als Schriftsteller in Braunschweig. Neben Romanen und Erzählungen erschienen diverse Sachbücher und Essaybände zur Literatur- und Kulturgeschichte. Zuletzt: Henry David Thoreau – Waldgänger und Rebell. Eine Biographie (Suhrkamp); Hühnergötter. Roman (Limbus); Notes on a Dirty Old Man (Zweitausendeins).
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1 Kommentar

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  • Tja Frank - mann muß es schöwen! Woll