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Streik von Fridays for Future und VerdiAufstand der Klimaretter

Egal ob in Hamburg, Berlin oder Hessen: Beim gemeinsamen Streiktag demonstrieren Fridays und Verdi bundesweit gemeinsam.

Auch in Hamburg demonstrierten an diesem Freitag Ge­werk­schaf­te­r:in­nen gemeinsam mit den Fridays for Future Foto: Marcus Brandt/dpa

Berlin/Hamburg taz | „Heute ist kein Arbeitstag – heute ist Streiktag!“, war das Motto. Die Gewerkschaft Verdi und die Klimabewegung Fridays for Future haben am Freitag gemeinsam in über 100 Städten für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Klimaschutz demonstriert. Auch Attac, Greenpeace, AWO und BUND hatten zum Protest für eine „sozial gerechte und klimafreundliche Mobilitätswende“ aufgerufen. Unter anderem in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg standen Bahnen und Busse still.

„Tausende“ hätten bundesweit mitgemacht, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung am Nachmittag. Fridays for Future wertete den Aktionstag „als großen Erfolg“. Das „Spardiktat der Ampelregierung gefährdet unsere Zukunft!“, erklärte Darya Sotoodeh von Fridays for Future. Heute habe man „deutlich gemacht, dass wir nicht länger akzeptieren können, wie Politik auf Kosten von Klima, Beschäftigten und Fahrgästen gemacht wird“.

In Berlin forderten die Protestierenden am Invalidenpark unter dem Hashtag #WirFahrenZusammen längere Wendezeiten auf allen Linien und 500 Euro Urlaubsgeld im Jahr. Überdies sollten die ÖPNV-Kapazitäten bis 2030 verdoppelt werden.

Das Bündnis zwischen den Fridays und den Verdi-Leuten fühlte sich für viele offenbar noch ungewohnt an. Nachdem am Anfang die Ge­werk­schaf­te­r:in­nen in ihren gelben Westen und die jungen Ak­ti­vis­t:in­nen eher getrennt standen, vermischte sich die Menge während der Reden immer mehr. Zwei Busfahrer freuten sich über die jungen Unterstützer:innen: „Zusammen sind wir stärker!“ Durch die Klebeaktionen der Letzten Generation hatten sie die Bewegung teilweise kritisch gesehen, nun begrüßten sie aber den Zusammenschluss mit Fridays for Future.

Gemeinsam: im Invalidenpark in Berlin Foto: Carlo Mariani

„Klimaschutz und Arbeitskampf gehören zusammen, und deshalb gehen wir gemeinsam auf die Straße“, betonte Mathias Kurreck. Der Busfahrer und Personalrat bei der BVG ist sich sicher, dass Klimaschutz nur durch eine „sozial gerechte Verkehrswende für Beschäftigte und Fahrgäste“ erreicht werden könne. Die Beschäftigten des Nahverkehrs befördern täglich 28 Millionen Fahrgäste und vermeiden dadurch 9,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr. Während die Fahrgastzahlen stetig steigen, sinkt aber in Deutschland die Zahl der Menschen, die den Betrieb im ÖPNV aufrechterhalten.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge und SPD-Fraktionsvize Detlev Müller nahmen von den Protestierenden eine Petition für einen sozial verträglichen ÖPNV-Ausbau mit über 200.000 Unterschriften entgegen. Die anderen Fraktionen waren der Einladung nicht gefolgt.

Auch vor dem Gewerkschaftshaus in Hamburg tummeln sich gelbe Westen und rote Verdi-Fahnen. Um 11:30 Uhr setzt sich der Demozug in Bewegung – etwa 2.500 Teil­neh­me­r*in­nen zählt ein Polizist. Unter ihnen: Busfahrer Frank Johannson, der seinen kleinen Sohn auf den Schultern trägt. Er hat ein Plakat umgehängt mit der Botschaft: „Papa braucht mehr Zeit für mich.“

Die Arbeitszeiten in seinem Job würden vieles im Familienleben kaputt machen, sagt Johannson. Kollege Thorsten Hukriede stimmt zu. Den Zusammenschluss mit Fridays for Future findet der Busfahrer hervorragend. „Dadurch können hoffentlich mehr Menschen, auch Jugendliche, unsere Forderungen verstehen“, sagt er.

„Wellenstreik“ seit Montag

Außerdem seien die Ziele miteinander vereinbar: „Wir sind ja die Klimaretter schlechthin. Alle, die den ÖPNV nutzen, fahren kein Auto.“ Vor dem Gebäude der Hochbahn pausiert der Demozug, die Streikenden machen Lärm mit Trillerpfeifen, Rasseln, Sirenen. Und ein Vertreter von Verdi ruft durchs Mikro: „Ihr seht unsere Entschlossenheit!“ Entschlossen überreicht das Bündnis eine Petition an den Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel vor dem Hamburger Rathaus. Rund 12.500 Menschen haben für bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV unterschrieben.

Verdi hatte die insgesamt rund 90.000 Beschäftigten im kommunalen öffentlichen Nahverkehr bundesweit seit Montag zu einem „Wellen-Streik“ aufgerufen. Betroffen waren 130 kommunale Unternehmen in allen Bundesländern außer Bayern, wo der Tarifvertrag noch nicht gekündigt ist.

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3 Kommentare

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  • Nur in der Stadt ist der ÖPNV einigermaßen vernünftig ausgebaut. In ländlichen Gegenden ist der ÖPNV ein Witz. Ohne Auto geht dort gar Nichts.



    Bevor für höhere Löhne und geringere Arbeitszeit für Beschäftigte im ÖPNV gestreikt wird sollte sich Fridays für einen schnellen flächendeckenden Ausbau des ÖPNV auf dem Land stark machen.

  • Verdi zeigt doch gerade, wie unzuverlässig der ÖPNV und wie unverzichtbar das eigene Auto ist.

  • Gut, dass sich Arbeitnehmer*innen und junge Leute zusammen tun. Gerade die Untätigkeit von Verkehrsministern wie Scheuer und Co von der CSU und Herrn Wissing, der daran nahtlos anknüpft, haben beide Bevölkerungsgruppen auszubaden. Eigentlich müssten die Rentner*innen sich anschließen. Wir haben viel zu verlieren.