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Studie zur Aufforstung in der KritikNur Wald ist auch keine Lösung

Eine neue Studie widerspricht der Ansicht, Aufforstung sei das beste Mittel gegen die Klimakrise. Eine Untersuchung mit diesem Ergebnis rechne falsch.

Vier hoffnungsvolle Zentimeter: Kleine Tanne im Thüringer Wald, wird mal jede Menge CO2 speichern Foto: Bild13/imago

Berlin taz | Auch beim Klimaschutz wachsen die Bäume nicht so einfach in den Himmel. Eine wissenschaftliche Studie, die im Juli für Aufsehen sorgte, weil sie in der Aufforstung von Wäldern ein probates Mittel zur globalen CO2-Reduktion versprach, wird nun von anderen Wissenschaftlern heftig kritisiert.

Die Untersuchung der ETH Zürich, die von ihren Autoren unter dem Titel „Wie Bäume das Klima retten könnten“ beworben wurde, überschätze das CO2-Reduktionspotenzial um das Fünffache, vernachlässige die Speicherung von Kohlenstoff in den Böden und verkenne die Tatsache, dass nicht alle Bäume das Klima kühlten, so die Kritik, die in einem aktuellen Aufsatz in der Zeitschrift Science von einer internationalen Forschergruppe geäußert wurde. Die Autoren der ursprünglichen Studie verteidigen dagegen ihre Arbeit.

„Unsere Studie zeigt deutlich, dass Flächen zu bewalden derzeit die beste verfügbare Lösung gegen den Klimawandel ist“, hatte der Co-Autor der Studie und ETH-Professor Tom Crowther gesagt. Auf knapp einer Milliarde Hektar, der Größe der USA, sei derzeit weltweit genug Platz, um Bäume zu pflanzen. Diese könnten durch ihr Wachstum etwa 205 Milliarden Tonnen Kohlenstoff der Luft entziehen, zwei Drittel der Menge, die seit der industriellen Revolution in die Luft geblasen wurden.

Crowthers Arbeitsgruppe an der ETH Zürich wird unter anderem vom Bundesministerium für Entwicklung (BMZ) mitfinanziert. Die Studie wurde als Argument genutzt, Klimawandel, ländliche Entwicklung und Bewahrung der Artenvielfalt zusammen voranzubringen.

Der Wald ist nur ein Ökosystem von vielen

Schon damals gab es vereinzelt Kritik an den Annahmen der Studie. Nun kommt von einer Forschungsgruppe rund um Joseph Veldman von der Texas A&M Universität eine echte Breitseite: „Die Annahmen zum Kohlenstoffspeicher sind etwa fünfmal zu groß“, schreiben sie. Denn die Autoren hätten unterschätzt, wie viel Kohlenstoff auch in Grasland und Mooren gespeichert werde, wenn dort keine Bäume stehen.

Manchmal sei das sogar mehr als in Wäldern. Savannen und Grasland seien keine minderwertigen Ökosysteme, die man durch Aufforstungen „wiederherstellen“ müsse, sondern uralte und wichtige Bestandteile der natürlichen Vegetation.

Außerdem, so die Kritik, vernachlässigten die Forscher, dass Bäume nicht überall zur Abkühlung des Planeten beitragen: In den nördlichen Gebieten oder in Bergregionen trügen Bäume sogar zur Erwärmung bei: Nadelbäume sind das ganze Jahr über dunkler als der schneebedeckte Boden im Winter, daher bleibe mehr Wärmeenergie an der Oberfläche und werde nicht abgestrahlt.

Die Autoren der ursprünglichen Studie haben eingeräumt, der Hunger nach Weideland könne in der Zukunft weniger Regionen zur Aufforstung lassen.

Die Gruppe unterstützt grundsätzlich die Idee, mit Aufforstung zum Klimaschutz beizutragen: Neue Bäume könnten immerhin 42 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern, etwa soviel wie vier Jahre der globalen Emissionen auf heutigem Niveau. Es müsse aber auch klar sein, „dass sie kein Ersatz dafür sind, die meisten Emissionen aus fossilen Brennstoffen zu beenden.“

Die Autoren der ursprünglichen Studie haben eingeräumt, der Hunger nach Weideland könne in der Zukunft weniger Regionen zur Aufforstung lassen. Dennoch beharren sie auf ihren Grundaussagen und darauf, den verfügbaren Platz konservativ berechnet zu haben. Ihre Kritiker bleiben trotzdem dabei: die Grundaussage sei gewesen, dass Aufforstung „weltweit die beste Lösung für die Eindämmung des Klimawandels“ wäre. „Wir wissen jetzt, dass diese Annahme falsch war.“

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6 Kommentare

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  • Eine viel effektiver Möglichkeit CO2 zu speichern ist der Anbau vom Getreide. Hier werden jährlich 30 t CO2 gebunden. In einem durchschnittlichen Wald nur 16 t CO2. Man müsste das Getreide nur so einlagern, dass es nicht vergammelt. Gleichzeitig hätte man Reseven, falls es mal zu katastrophalen weltweiten Missernten kommen sollte.

  • "In den nördlichen Gebieten oder in Bergregionen trügen Bäume sogar zur Erwärmung bei: Nadelbäume sind das ganze Jahr über dunkler als der schneebedeckte Boden im Winter, daher bleibe mehr Wärmeenergie an der Oberfläche und werde nicht abgestrahlt."

    Gerade in den bergregionen sichern Bäume den Boden vor erision und hlaten Oberflächenwasser zurück. Ohne Bäume würde das Erdreich zum grossen Teil abgetragen wrden und die Region veröden. Ohne Grasland natürlich, denn Gras kann die Erosion nicht aufhalten. Mir scheint, diese Studie war etwas eindimensional.

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    Spannend. Umwelt. Politik. Regierung.

    Wie bei der Bahn - Studie über Studie - Feedback über Feedback - QM über QM - Workshop über Workshop - Professur über Professur.

    Nur für die Realität leider seit Jahrzehnten zu spät.

    Wissen sie warum die nicht anfangen?



    Ganz Einfach. Weil der Haufen Scheissen so überdimensional geworden ist. Das sie dann selbst soviel ihrer selbstgemachten Scheisse wegarbeiten müssen. Das sie dann kein schönes bequemes Leben mehr haben.

    Warum sollte ich einen Cent zahlen?



    Dafür das verantwortungslose alles ausgebeutet haben? Nein Danke. Diese Leute brauche ich nicht mehr. Das ist das Ergebnis einer Ungleichungslehr.



    Ist doch gar nicht schwer.

    CBella BellaC

  • Es ist ein Mittel und dringend nötig, um den Schwund anderenorts einigermaßen abzufedern. Abfangen ist bei dieser Menge an Waldrodung eh nicht möglich. Einfach mal auch etwas anfangen, das im Gegensatz zur E-Mobilität nicht absoluter Nonsens ist.

  • Solange gerechnet wird, kann man so weiter machen wie bisher. Wie immer und üblich! Man will ja keine Entscheidungen treffen, die sich negativ auf Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung oder unseren Wirtschaftsstandort auswirken könnten.



    Vielleicht holen ja in 30 oder 50 Jahren die Froggs, Vulkanier oder die Klingonen das in den Bäumen gespeichert CO2 ab, bevor es durch Verbrennung und Verrottung wieder in die Atmosphäre abgegeben wird.

    Mögen sich dann doch die fff Kids von heute darum kümmern. Ist ja dann ihre Verantwortung!

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Ob man durch Aufforstung 4 Jahre globale Gesamt-CO2-Emission auffängt und speichert oder nach optimistischer Rechnung 20 Jahre (abgeleitet aus der ersten, nun angegriffenen Studie), ist vollkommen irrelevant und welche Studie Recht hat daher wurscht.



    Die betrachteten kurzen Zeiträume und möglichen Aufschübe sind ein Witz und man sollte sich alleine schon deswegen nicht lange mit solchen Gedankenspielen und lustigen Rechnereien aufhalten, da selbst bei äußersten Anstrengungen und allerbestem politischen Willen nur ein sehr kleiner Bruchteil der potentiellen Flächen (egal nun aus welcher Studie) global je zur Aufforstung zur Verfügung stehen würden.



    Wissenschaftlich nähern wir uns anscheinend jetzt schon dem Delier