Kommentar Chinas verbotener Umweltfilm: Smog lässt sich nicht zensieren
Ein Film über Umweltverschmutzung wurde in China mehr als 200 Millionen mal geklickt. Dann schritten die Zensoren ein.
U mweltschutz ist in China Staatsdoktrin. Erst am Freitag versprach Staats- und KP-Chef Xi Jinping beim jährlichen Volkskongress, Umweltverschmutzer „mit harter Hand“ und „ohne Ausnahmen“ zu bestrafen. Trotzdem lässt die chinesische Führung einen Dokumentarfilm über Chinas extreme Luftverschmutzung nach nur wenigen Tagen im Internet blockieren.
Wie passt das zusammen? In der Logik der Kommunistischen Partei sogar sehr gut. Sicherlich wünscht sich auch Xi einen blauen Himmel über Peking. Doch in erster Linie dient für ihn Umweltschutz dem Machterhalt.
Die apokalyptischen Verhältnisse setzen die chinesische Staatsführung bereits seit einiger Zeit unter Druck. Sie packt die Probleme durchaus auch an: Fabriken werden geschlossen, die Zulassung von neuen Autos eingeschränkt. Kein Land investiert derzeit so viel in Solaranlagen und Windräder wie die Volksrepublik.
Doch die chinesische Journalistin Chai Jing beschreibt in ihrem Dokumentarfilm nicht nur die verheerenden Auswirkungen des Smogs auf ihr Kind und die eigene Gesundheit. Sie geht auch den Ursachen auf die Spur: laxe Einhaltung der Umweltschutzvorschriften, korrupte Behörden. Vor allem beschreibt sie die Macht der Energiebranche, der Autokonzerne und der Stahlindustrie.
Nationaler Volkskongress 2015
Nachdem der Film nach nur wenigen Tagen im Netz mehr als 200 Millionen Abrufe zählte, sahen sich die Zensoren dazu bewogen, einzuschreiten. Denn alles, was das Volk in Aufregung versetzen könnte, muss verhindert werden. Den Zensoren sei aber gesagt: Eine Doku lässt sich verbieten. Die Berichte darüber auch.
Wann immer in China aber wieder dichter Nebel aufzieht und die Feinstaubwerte in die Höhe schnellen, werden sich 200 Millionen Menschen an den Film erinnern. Smog lässt sich nicht zensieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin