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Kommentar EU-ReferendumCamerons Restrisiko

Ralf Sotscheck
Kommentar von Ralf Sotscheck

Premier Cameron beschert mit dem EU-Referendum Großbritannien innenpolitischen Frieden – und ökonomische Unsicherheiten.

Z umindest daheim hat er für Ruhe gesorgt. Die Grundsatzrede des britischen Premierministers David Cameron über die Beziehungen seines Landes zur Europäischen Union hat die EU-Skeptiker in seiner Partei vorerst beschwichtigt. Das war ja auch Sinn der ganzen Sache.

Es ging Cameron darum, den Streit in seiner Partei, die in der Europafrage gespalten ist, zu beenden. Dass er dadurch für Unruhe in Berlin, Paris und anderen EU-Hauptstädten gesorgt hat, nahm er in Kauf. Dort wird er ja schließlich nicht gewählt.

So war es vor allem eine innenpolitische Rede. Die Unruhe in den anderen EU-Ländern ist deshalb übertrieben. Cameron hat es vermieden, konkrete Forderungen – bis auf den Ausstieg aus der Arbeitszeitrichtlinie – zu benennen, an denen er den Erfolg seiner Neuverhandlungen messen lassen müsste. Und auch auf einem neuen EU-Vertrag, über den im Vorfeld der Rede gemunkelt wurde, will er nicht bestehen, sondern seine Ziele notfalls in Verhandlungen mit den anderen Mitgliedsländern durchsetzen.

Zwei Drittel für die EU

Das lässt ihm jede Menge Spielraum. Es spricht nichts dagegen, einzelne Befugnisse von Brüssel auf London zurückzuübertragen. Die EU wird daran nicht scheitern. Das verschafft Cameron die Möglichkeit, seine Strategie als Erfolg zu verkaufen und sich für ein Ja im Referendum starkzumachen, falls er dann noch im Amt ist. Die Briten werden ihm dieses Ja geben, wenn sie 2017 darüber abstimmen dürfen. Bei Meinungsumfragen unter Menschen bis 35 haben sich zwei Drittel für die EU-Mitgliedschaft ausgesprochen.

Derek Speirs
Ralf Sotschek

ist taz-Korrespondent auf den britischen Inseln.

Ein Risiko ist Camerons Europapolitik dennoch, denn ein Restzweifel bleibt. Das Referendumsversprechen beschert Großbritannien fast fünf Jahre lang Unsicherheit – etwas, das Investoren gar nicht mögen. Viele Unternehmen, vor allem aus den USA, haben Großbritannien bisher als Tür in die EU benutzt. Wenn ihnen das nicht über 2017 hinaus garantiert ist, suchen sie womöglich einen anderen Zugang zur EU. Länder wie Frankreich buhlen bereits darum.

Ein Ausbleiben neuer Investoren hätte Auswirkungen auf die britische Wirtschaft, und deren Zustand ist für den Erfolg der Tories bei den Parlamentswahlen 2015 nun mal entscheidender als das britische Verhältnis zur EU, auch wenn die Wähler das Referendum begrüßen möchten. So könnte Cameron seine Rede am Ende doch noch bedauern.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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1 Kommentar

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  • S
    Sören

    Camerons Haltung ist ziemlich unlogisch, er möchte erst verhandeln, und dann ein in-out-Referendum abhalten. Was ist, wenn die Briten mit Nein stimmen, unabhängig davon, ob Cameron mit dem Ergebnis zufrieden ist? Dann wurde jahrelang umsonst verhandelt.

     

    In der Rede wurde deutlich, dass er die EU vor allem als Absatzmarkt für die britische Wirtschaft ansieht, und die Renationalisierung von Zuständigkeiten soll dem Ziel dienen, die Sozialstandards im UK weiter zu senken.

     

    Cameron spielt mit dem Feuer, weil er Angst vor seiner Abwahl hat. Das sagt wenig über die EU, aber viel über seine Statur aus.