piwik no script img

Hardcore-Protestanten in FinnlandDie bibeltreue Innenministerin

Päivi Räsänen zieht wieder gegen Homos, Abtreibungen und „lustbetonten“ Lebensstil zu Felde. Das könnte, wie schon einmal, zu Kirchenaustritten führen.

Hält Gesetze für überschätzt: die bibeltreue Päivi Räsänen. Bild: www.paivirasanen.fi

STOCKHOLM taz | Päivi Räsänen dürfte das teuerste Mitglied der finnischen protestantischen Kirche sein. Die 53-jährige Innenministerin, zuständig auch für Kirchenfragen, hat in der vergangenen Woche für eine neue Welle von Kirchenaustritten gesorgt. Und damit jährliche Kirchensteuerverluste für die evangelisch-lutherische Kirche in Höhe von mehreren hunderttausend Euro verursacht.

Schon vor drei Jahren führten Räsänens Äußerungen in einer Talkshow dazu, dass binnen zehn Tagen so viel FinnInnen ihren Kirchenaustritt erklärten wie sonst in einem ganzen Jahr: 34.000. Der Verlust der Kirchensteuereinnahmen pro Jahr beläuft sich auf 8 Millionen Euro. Räsänen hatte damals Homosexualität als Sünde und gleichgeschlechtliche Paare als „schlechtere Eltern“ bezeichnet; jetzt proklamierte sie, die Lehren der Bibel stünden über der weltlichen Gesetzgebung.

Die Bibel, das eigentliche Gesetzbuch Finnlands? Zwar versuchte die Ministerin, ihre Aussage, für die sie von ihrer Kabinettskollegin und Justizministerin heftig kritisiert wurde und die sie nach Meinung vieler Verfassungsjuristen als Innenministerin ganz unmöglich gemacht hat, später doch deutlich zu relativieren.

Ihre Aussage habe sich etwa auf Deutschland während der Naziherrschaft bezogen oder auf das Recht finnischer Ärzte, Abtreibungen zu verweigern. Doch ihr Vergleich von Abtreibungsrecht mit Tierschutzgesetzgebung sowie ihre Einschätzung, der Fötus sei in Finnland weniger geschützt als ein Tier durch den Tierschutz, führte erst recht zu einer neuen Kontroverse.

Die Ärztin, Mutter von fünf Kindern, verheiratet mit einem Pastor, wettert gegen Abtreibungen, gleichgeschlechtliche Liebe und meint, Finnland solle christliche Flüchtlinge bevorzugen. Sie profilierte sich aber auch als Verbotsministerin, indem sie einen zu „lustbetonten“ Lebensstil kritisierte.

Ihre Vorstöße für ein Verbot des Alkoholausschanks nach Mitternacht und für ein Bierverbot auf den Rängen der Eishockeystadien werde vermutlich nur bewirken, dass die Christdemokraten ihren Status als marginalisierte 4-Prozent-Minipartei nie verbessern würden, meinte die Zeitung Hufvudstadsbladet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

18 Kommentare

 / 
  • F
    faxi

    Mhhh... Sehr interessant. Ich bin sehr gut mit einer Finnin befreundet. Aus ihren Erzählungen habe ich geschlossen, dass zumindest bis vor ungefähr 10 Jahren religiöser Faschismus in Finnland sehr verbreitet war. Es gab keine Alternative zum Religionsunterricht in der Schule und Atheismus wurde als gesellschaftliches Problem bezeichnet. Wenn jetzt Menschen massenhaft aus der Kirche austreten, weil eine Ministerin Stuß redet, scheint sich da ja echt was getan zu haben.

  • C
    Cometh

    Der Artikel ist interessant, aber wann bitte, wurde jemals untersucht, wie viele Kirchenaustritte Frau Käsmann und ihre Gendertheologie, die im wesentlichen um die Frage kreist, ob Gott weiblich ist und es gut findet, dass Westerwelle und Herr Mronz verkehren können, ohne verhüten zu müssen, der ev.-lutherischen Kirche in D bislang eingebracht hat, von der Rotweinsäuferei einmal abgesehen?

  • K
    Klugscheisser

    @Peter Panther

    Das katholische Zentrum und die Liberalen incl Theodor Heuß haben Hitler Mehrheiten verschafft.

  • PP
    Peter Panther

    In der letzten freien Wahl im Novermber 1932 erhielt Hitler nicht die Mehrheit !

  • W
    Weinberg

    Carsten (14.07.2013 22:52 Uhr) hat es auf den Punkt gebracht:

     

    HÜBSCH, ABER DÄMLICH!

     

    Gratulation!

  • PM
    Peter Müller

    Was die "Mehrheit" will, muß nicht immer gut sein. Die Mehrheit hat auch Hitler und Khomeni gewählt, und in Ägypten die Moslembrüder, die Sex ab 9 Jahren legalisieren wollen.

  • UK
    und keiner wollte sie

    Viel interessanter scheint mir, daß die Partei der Innenministerin bei der letzten Wahl lediglich vier Prozent der Stimmen bekommen hat.

    Vier.

    Es soll ja auch Staaten geben, in denen der Außenminister, der Wirtschaftsminister und die Justizministerin auch nur von knapp fünf Prozent bestellt wurden.

  • MD
    Michel D

    Der Artikel ist nicht geschlechtergerecht verfaßt. Zwar wird anfangs genderkorrekt von FinnInnen geschrieben, nicht aber von VerfassungsjuristInnnen, ÄrztInnen, FlüchtlingInnen und ChristdemokratInnen. Zumindest bei den ersten vier, positiv bis neutral konnotierten Begriffen, kann mensch doch genderkorrekte Formulierung erwarten.

  • I
    ion

    Irgendwie sympathisch, solch eine Innenministerin, die klare Kante zeigt und somit dann doch den Einen oder Anderen bigott daherfrommelnden Christen aufzuwecken vermag !

  • H
    Hans

    Ui, ich dachte mit Friedrich hätten wir den dümmsten Innenminister der EU. Naja, gut mal über den Tellerrand zu schauen.

  • BH
    Über Homophobie

    Bevor jemand fragen sollte:

     

    Ich habe nichts gegen Homosexuelle!!!

     

    Und ich bin auch nicht gegen Frauen!!!

     

     

     

    Aber:

    Eine homophobe FRAU?????

     

    Wie kann Das denn sein??

     

    Die feministische Frauenbewegung hat uns doch immer erzählt, dass Frauen bessere Menschen seien als Männer und dass Intoleranz ausschließlich eine männliche Domäne sei!

     

     

    Und leider sind Frauen wie Räsänen keine Ausnahme.....

     

     

     

     

     

    Für mich persönlich bin ich an einem Punkt angekommen wo ich sage:

     

    Die feministische Frauenbewegung ist so dermaßen unglaubwürdig, selbstgerecht und scheinheilig, dass ich deren Anhänger beim besten Willen nicht mehr Ernst nehmen kann!

     

    Sorry!

  • L
    Lisaschnei

    Von wegen "bibeltreue Ministerin"...Die Räsänen soll bloß die Klappe halten, sonst kommt sie in die Hölle! Frauen haben nichts in der Kirche und in der Öffentlichkeit zu melden, heißt es klipp und klar im 1. Brief an die Korinther, Kapitel 14, Vers 34 und 35 (Lutherbibel Ausgabe 1912): "Wie in allen Gemeinden der Heiligen lasset eure Weiber schweigen in der Gemeinde; denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, daß sie reden, sondern sie sollen untertan sein, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie etwas lernen, so lasset sie daheim ihre Männer fragen. Es steht den Weibern übel an, in der Gemeinde zu reden."

     

    Voilà! Erste Amtspflicht für erzprotestantische Ministerinnen ist braves Schweigen und den demutsvoll und gehorsamst den Männern dienen! Nur so und nicht anders kommt die Räsänen in den Himmel. Jedenfalls dann, wenn man ganz feste an "biblische Grundsätze" glaubt.

  • AN
    Arno Nym

    "Ihre Vorstöße für ein Verbot des Alkoholausschanks nach Mitternacht und für ein Bierverbot auf den Rängen der Eishockeystadien werde vermutlich nur bewirken, dass die Christdemokraten ihren Status als marginalisierte 4-Prozent-Minipartei nie verbessern würden, meinte die Zeitung Hufvudstadsbladet."

    Umso besser! Fundamentalismus braucht die Welt nicht.

  • B
    Butzenweisser

    Nichts von all den beschriebenen Themen die von der finnischen Innenministerin hier durchgezogen werden, lässt sich mit der Bibel belegen. Auch nicht mit der Kanonischen Bibel. Der Kanon ist die üblich im Handel erhältliche Bibel. Die Texte, die ab 150 nach Chr. zusammen getragen wurden, waren mündliche Überlieferungen die in der Zeit textlich fixiert wurden. Das Matthäus-Evangelium ist nicht von Matthäus selbst z.b, sondern der Autor hat es Matthäus zugeschrieben. Das war seinerzeit gängige Praxis. Man stellte sich vor, was Jesus gesagt hat usw. übernahm Geschichten von anderen - mündlich und textlich- und ordnete das Wort dann einem Urheber zu, der Jesus nahe stand bzw. der Vorstellung halber nahe stehen sollte, wie auch das Johannes Evangelium - alle 4 im Kanon. Es gab viele Texte, die mal hier mal dort, mehr oder weniger von Menschen gelesen wurden. Es bildeten sich verschiedene Gemeinden mit unterschiedlicher Auslegung der Worte Jesu. Manche schrieben eigene Texte, Bücher, Evangelien usw. und schrieben es Apostel usw. zu- häufig im Austausch mit anderen Gemeinden. Es gab auch Gemeinden, die es in zusammen getragenes jahrtausendealtes Wissen übertrugen, die es ihrer Sicht der Dinge eingliederten. Wo es auch darum geht das Positive daraus zu schöpfen. Aber die Jesus nicht wie einen Gott verehrt. Die Gnostiker z.B. verwoben es mit der klassischen Mystik sowie Philosophie. Jesus wie einen Gott zu verehren geht auf die Auslegung der Kirchen zurück. Eine Auslegung der Alten und Neuen Testamente. Das Alte Testament ist dem Judentum entnommen. Das Neue Testament ist eine Sammlung der Texte, die eben wie oben beschrieben entstanden. Die Kirchen, auch die in Rom,setzten die Kanonisierung in Gang - Festlegung, welche Texte in die Bibel kommen und der Sicht der Kirchen entsprachen, was Nichtgefallen fand wurde aussortiert und auch bekämpft, als falsch usw. bezeichnet, diffamiert, obwohl die Texte des Neuen Testaments auf die selbe Weise entstanden. Und so ist auch die Auslegung der Bibel eine Sache, die die Kirche bestimmt. Selbst im Neuen Testament aber, also der kanonischen Bibel lassen sich diese Maßnahmen der Ministerin mit nichts begründen, außer mit der Sichtweise der Kirchen und ihrer Bibelauslegung. Aus der Bibel geht hervor, das Jesus ein Gütiger war. Einer der gerecht sein wollte. Er war gerecht zu Armen und Leidenden, er bekämpfte aber auch die Obrigkeit seiner Zeit, die Priesterkaste. Nichts geht aus der Bibel hervor im Übrigen, dass er sich selbst wie einen Gott sah. Zumindest keine Worte, die ihm selbst von den Autoren zugewiesen wurden. Ihn göttlich zu verehren geht auf Teile der kanonischen Bibel zurück, Texte, die so konzipiert wurden Jesus wie einen Gott zu betrachten und anzubeten. Auch diese Texte wurden teils Personen zugeschrieben, die Jesus nahe standen - Judasbrief z.B. Auch Briefe von Paulus usw. Die Kirchenauslegung ist das Mittel zum Zweck, eine Gesellschaft nach der äußerst fragwürdigen Kirchenethik im besten Fall zu formen und zu besitzen oder eben wenigstens zu beeinflussen. Seit eh und je. Was hat das mit einem Herrn Jesus zu tun? Einem Jesus, der zudem selbst nichts Schriftliches hinterlassen hat. Ein Zimmermann, einer von der "einfachen" Gesellschaftsschicht, der Nächstenliebe, Vergebung usw. verkündete, wollte gewiss nicht die Menschen knebeln, wie es die Kirchen seit 2. Jahrtausenden tun. Und er hätte sich ganz bestimmt auch heute mit dieser grauenhaften Kirche, diesem Verein von scheinheiligen Priestern und Kardinälen bis rauf zum Papst massiv angelegt, schon allein, weil er nicht materiellen Reichtum anzuhäufen und auf Kosten der Bürger zu leben predigte.

  • C
    Carsten

    Erinnert mich irgendwie an Frau Palin: Hübsch, aber dämlich.

  • JH
    jo habek

    An solchen Leuten erkennt man, dass auch das Christentum eine Hassreligion ist.

  • S
    SchwarzerRauch

    Wäre Sie korantreu, die taz würde vor lauter Sabber am Mund, kein Wort mehr sprechen können.

     

    Und? Treten halt Leute aus der Kirche aus, weniger Heuchler ist immer eine gute Sache.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Eine mutige Politikerin -sie hätte deshalb bei uns keine Chance.