Kommentar Frauen in Aufsichtsräten: Männerquote, jetzt ganz legal
Die Frauenquote könnte einen Kulturwechsel in Konzernen herbeiführen. Doch der geplante 30-Prozent-Anteil zementiert nur die Verhältnisse.
T opmanager geben es offen zu, wenn man sie fragt und sie anonym bleiben können: „Um in den Vorstand zu kommen, spielt die Qualifikation überhaupt keine Rolle.“ So steht es in einer Untersuchung, die von der Bundesregierung bezahlt worden ist.
Wer also verstehen will, warum es Unternehmen so schwerfällt, Managerinnen in Vorstände und Aufsichtsräte zu berufen, der muss die Perspektive wechseln: Wenn Frauen nicht in die obersten Etagen kommen, dann liegt das weder an ihrer Qualifikation noch an der bislang erbrachten Leistung oder ihrem Potenzial. Es liegt an der Wahrnehmung der männlichen Eliten. Diese Tatsache wird systematisch unterschätzt.
Frauen, die führen wollen, irritieren, weil die Gesellschaft noch immer das Stereotyp der fürsorgenden oder assistierenden Frau pflegt. Geld und Macht sollen Männersache bleiben. Entsprechend gelten Chefinnen schnell als „überehrgeizig“ oder als zu maskulin. Und weil sie nicht ins Bild passen, lösen sie Unbehagen aus, sie stören. Sie sind das, was zu viel ist: Diversität gilt in Spitzengremien noch immer als unzumutbare Zusatzbelastung.
Gegen diese hartsitzende Haltung hilft nur, Männern eine neue Erfahrung zu ermöglichen. Also nur die Quote. Gibt es mehr Spitzenmanagerinnen, dann finden sich solche und solche, und die Geschlechterdifferenz nutzt sich als zentrales Bewertungskriterium für Topverdiener ab.
Doch mit den angestrebten 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten wird die Koalition diesen Kulturwechsel in den Unternehmen nicht herbeiführen können. Es bleiben ja zwei Drittel Chefs. De facto legalisiert die anvisierte 30-Prozent-Quote die bislang inoffizielle Männerquote für Spitzenposten.
Dem frauenfeindlichen Management kann also nichts Besseres passieren als dieser Vorstoß der SPD-Frauen: Die Quote wird nominell eingeführt, aber ohne die männlichen Eliten zu stören. Damit ist dieses für die Eliten durchaus bedrohliche Instrument in Deutschland unschädlich gemacht worden. Glückwunsch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz