piwik no script img

Frauenbild in BollywoodfilmenMehr Schmuck als Kleider

Viel nackte Haut und ein naives Pretty-Woman-Schema: Trägt die indische Filmindustrie zur Geringschätzung von Frauen bei?

Bollywoods Diven sollen schön und sexy sein. Mehr nicht. Bild: reuters

Es sind die farbenfrohen Tanzszenen und die mitreißende Musik, auf die es im indischen Kino ankommt. Da darf schon mal minutenlang über eine stocklangweilige Handlung hinweggetanzt werden. Im Mittelpunkt stehen meist knapp bekleidete Frauen. Doch nun, seit dem brutalen Vergewaltigungsfall in Neu-Delhi vom 16. Dezember 2012, muss sich auch Bollywood fragen lassen, welches Frauenbild es da eigentlich propagandiert. Trägt der indische Film Mitschuld an der Geringschätzung der Frau in Indien?

Ganz nach dem westlichen Pretty-Woman-Schema wartet auch die indische Filmheldin sehnsüchtig darauf, dass endlich ihr Prinz erscheint und sie vom Balkon hebt. Das Fatale ist nur: Anders als in Hollywood scheint es in Bollywood immer noch das einzige Konzept zu sein. Wenn sich die Rollenverteilung für Männer und Frauen schon im wahren Leben verschiebt, wünscht man sich offenbar wenigstens im Kino die guten alten Zeiten zurück.

Der Prototyp des indischen Leinwandhelden ist deshalb so charmant wie unbesiegbar. Ein Traummann eben. Bollywoods Traumfrauen dagegen geben sich naiv und hilflos. Ihre Unerfahrenheit steht auch für Jungfräulichkeit, denn die gilt nach wie vor als wichtigstes Gut einer Frau. Von wenigen Ausnahmen abgesehen vertreten Bollywoods Frauen durch und durch das schwache Geschlecht. Ständig auf die Hilfe des Filmhelden angewiesen, spielen sie die modernen Heldinnen des Patriarchats.

Hüftschwingend den familiären Pflichten nachkommen

Ist es das, was sich indische Männer wünschen? Sexy Frauen, die im netten kleinen Nichts hüftschwingend den familiären Pflichten nachkommen? Nein, das wünscht sich der indische Mann nur auf der Kinoleinwand.

In der Delhier Zeitung Metrolife sprach kürzlich die Schauspielerin Rakshanda Khan über ihren Einstieg in die Filmbranche. Für ihre Familie sei das nicht leicht gewesen. „Ich habe immer versucht, nicht das Vertrauen meiner Familie zu missbrauchen. Später hat mich meine Familie immer unterstützt und meine Entscheidungen akzeptiert“, sagte sie und gab damit preis, was jeder denkt, aber keiner ausspricht: Niemand möchte die eigene Tochter so auf der Leinwand sehen, wie Bollywood sie zwangsläufig präsentiert.

Daheim müssen sich die Schauspielerinnen für ihren Beruf entschuldigen. Was den Familienvater natürlich nicht davon abhält, für seine Bollywood-Ikone zu schwärmen.

Reichlich nackte Haut

Während es im indischen Film jahrzehntelang verpönt war, sexuelle Handlungen zwischen Mann und Frau mehr als nur anzudeuten, kann man selbst in älteren Bollywoodproduktionen schon reichlich nackte Haut bewundern. Das zeigt eine weitere Scheinheiligkeit: Einerseits erscheint es dem Zuschauer offenbar als Zumutung, einen Kuss der Filmhelden mit ansehen zu müssen. Andererseits ist es vertretbar, dass die Heldin die meiste Zeit mehr Schmuck als Kleidung trägt.

Die hauchdünnen Saris, aus entsprechend transparenten Stoffen, wirken am Körper der Bollywoodschönheiten alles andere als keusch. Schauspielerischer Anspruch ist kaum gefragt. Bollywoods Diven sollen schön und sexy sein. Mehr nicht.

Das mag überzogen klingen. Längst gibt es auch in Indien moderne Männer und Frauen, die nach neuen Prinzipien leben. Aber sie sind eine Minderheit, eine glückliche Elite, die sich neue Freiheiten erlauben kann. Ein Großteil der Inder und Inderinnen muss indes noch streng nach alten Ritualen leben. Großfamilien geben den Ton an und das Oberhaupt der Familie ist natürlich ein Mann. Nicht selten ist der im Film der Böse. Aber seine Rolle überlebt.

Die Frage, ob nun Bollywood Einfluss darauf hat, wie Frauen wahrgenommen werden, beantwortet der Filmemacher Vishal Bharadwaj mit einem „Nein“ und macht es sich reichlich einfach. „Eine Gesellschaft wird nicht von der Filmindustrie gemacht. Stattdessen werden Filme über die Gesellschaft gemacht“, sagt er im Interview mit Metrolife.

So billig reden sich viele Bollywood-Akteure aus ihrem Dilemma, egal ob Mann oder Frau. Privat geben sie sich in Interviews fortschrittlich und aufgeklärt. Im Film aber bleibt alles beim Alten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • A
    anke

    "Eine Gesellschaft wird nicht von der Filmindustrie gemacht. Stattdessen werden Filme über die Gesellschaft gemacht", sagt der indische Filmemacher und redet sich damit billig heraus aus seiner Verantwortung. Nun muss mir bitte nur noch jemand erklären, wie sich Vishal Bharadwaj mit seiner Ausrede von denen unterscheidet, die hierzulande "in Medien", Politik, Wirtschaft oder Kultur "machen", indem sie "nur" auf andere reagieren.

     

    Bollywood ist überall, will mir scheinen. Willkommen in der globalisierten Welt.

  • C
    Celsus

    Der Artikel macht schon nachdenklich, ob wir in Deutschland da so anders sind. Werden in deutschen Filmen und Fernsehserien denn wirklich Frauen jenseits ihrer Rolle als Partnerin und Mutter ernst genommen?

     

    Frauen erhalten in deutschen Filmen doch kaum je die Heldenrolle oder die Rolle des Bösewichts jenseits des privaten Bereichs. All das ist Männern vorbehalten. Prägt es nicht auch das Bild vieler Frauen, sich auf den Privatbereich zu beschränken und im politischen Tagesgeschehen und im Beruf nicht so aktiv zu sein und sich schneller nahezu kampflos zurückzuziehen? Da fehlen auch mediale Vorbilder.

  • AG
    Anton Gorodezky

    Also nochmal zum Mitschreiben:

     

    1. Knappe Klamotten sind nicht die Ursache für Geringschätzung der Frauen und evtl. sexuelle Belästigung.

    2. Knappe Klamotten auf der Kinoleinwand sind die Ursache für Geringschätzung der Frauen und evtl. sexuelle Belästigung.

     

    Da ist etwas am Weltbild inkonsistent, liebe taz.