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Jagd auf Osama bin LadenNachgefragt wird nicht

Ex-Außenminister Joschka Fischer und der frühere BND-Chef Ernst Uhrlau diskutieren in Berlin über Kathryn Bigelows Film „Zero Dark Thirty“.

Erzählt viel, wertet kaum: Der Film über die Jagd auf Osama bin Laden. Bild: dapd

BERLIN taz | „Der Film hat mich in meinem Widerstand gegen jede Art von Folter nur bestärkt“, sagte Joschka Fischer im Anschluss an die Vorführung von „Zero Dark Thirty“ am Sonntag im Berliner Kino Cinestar. Vier Tage vor dem offiziellen Filmstart in Deutschland war der neue Film von Kathryn Bigelow zu sehen, auf Einladung der American Academy und begleitet von einer kurzen Podiumsdiskussion mit dem ehemaligen grünen Außenminister und dem früheren BND-Chef Ernst Uhrlau.

Bigelows Film über die lange Suche der CIA nach Osama bin Laden hat in den USA für heftige Kontroversen gesorgt. Ursache der Erregung: Der Film beginnt mit ausführlichen Foltersequenzen in einem der CIA-Geheimgefängnisse. Waterboarding wird gezeigt, Gefangene werden gequält, ein durchaus sympathischer CIA-Mann (Jason Clarke) erklärt ihnen, dass es darum ginge, sie zu brechen, und der Film zeigt, wie das gelingt, bis sie schließlich alles preisgeben, inklusive jenes Namens eines Bin-Laden-Verbindungsmannes, der zehn Jahre später zu dessen Auffinden im pakistanischen Abottabat führt.

Genau das allerdings wird von offizieller Seite in den USA heftig bestritten. Nur wenige Tage vor dem US-Filmstart hatte der Geheimdienstausschuss des Senats einen 6.000 Seiten starken Bericht verabschiedet, der zu dem Schluss kommt, die Folterpraktiken der CIA hätten rein gar nichts gebracht, erst recht nicht zum Aufspüren bin Ladens beigetragen.

Fischer und Uhrlau jedenfalls waren sichtlich froh, dass es in Deutschland tatsächlich keine CIA-Geheimgefängnisse gegeben hatte – „warum Polen da mitgemacht hat, wundert mich noch immer“, sagte Fischer. Nach der Rolle des BND, der nach Recherchestand zumindest von einigen Informationen profitierte und wohl bei manchen Verhören anwesend war, werden sie vom Moderator, dem Berliner Bürochef der New York Times, nicht gefragt, auch nicht nach dem Wissen um die US-Basis Rammstein als Umschlagplatz der geheimen CIA-Gefangenen-Flüge.

Uhrlau erinnert nur daran, wie schlecht nach der Kontroverse um den Irakkrieg die deutsch-amerikanischen Beziehungen gewesen seien – und scheint darüber nicht unglücklich. Im Übrigen hätten die Folterinformationen den USA offensichtlich nur zum Verständnis al-Qaidas geholfen, nicht aber zur Verhinderung weiterer Anschläge. Verurteilung geht anders. Aber nachgefragt wird nicht.

So kann sich Fischer kritisch geben: „Der Film zerfällt in zwei Teile: Den Teil über die Folter und die spätere Suche nach Bin Laden. Ich hätte mir gewünscht, dass der erste Teil kürzer gewesen wäre“, analysiert er.

Der Film erzählt viel, wertet aber kaum. Das ist der Unterschied zu den Diskutierenden am Sonntag: Sie erzählen auch nicht viel.

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3 Kommentare

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  • B
    Besserwessi

    "die US-Basis Rammstein "

     

    gibt es gar nicht.

     

    Passt aber zum Artikeltitel:

    "Nachgefragt wird nicht"

  • V
    vic

    Dass es in Deutschland auch "Verhörzentren" der CIA oder ähnlichen Diensten gab, ist ausreichend belegt.

    Und Fischer weiß das.

  • T
    tommy

    „Der Film hat mich in meinem Widerstand gegen jede Art von Folter nur bestärkt“, sagte Joschka Fischer im Anschluss an die Vorführung von „Zero Dark Thirty“ am Sonntag im Berliner Kino Cinestar."

     

    Komisch, dass Fischer so moralisch ist, was Folter angeht; mit den völkerrechtswidrigen Bombardierungen auf Serbien, die mindestens einige hundert Todesopfer gekostet haben, hatte er schließlich kein Problem. Und das waren immerhin teils Wehrpflichtige, teils auch Zivilisten, jedenfalls in der Mehrzahl Leute, deren persönliche Schuld geringer als die von Kaida-Terroristen war und die auch keine Angriffe auf Deutschland oder deutsche Verbündete durchgeführt oder geplant hatten. Auch interessant ist seine innige Freundschaft mit Madeleine Albright, die über die Sanktionen gegen den Irak mit ihren katastrophalen Folgen für die Zivilbevölkerung nur meinte "it was worth it".

    Aber das waren sicher ganz andere Sachverhalte und der gemeine Grünensympathisant hakt da sowieso nicht nach. Von daher ist wohl leider davon auszugehen, dass, wenn Helmut Schmidt einmal tot ist, Fischer dessen Platz als ewig besserwisserischer "elder statesman" einnehmen wird.