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Gesetz zu Homo-Propaganda in RusslandStaatschefs gegen Olympia-Boykott

Wegen der russischen Gesetze gegen „Homo-Propaganda“ gibt es erste Boykottaufrufe. David Cameron und Barack Obama sprechen sich dagegen aus.

Könnte teuer werden: Homo-Aktivisten in Russland knutschen öffentlichkeitswirksam Bild: dpa

LONDON afp | Nach US-Präsident Barack Obama hat auch der britische Premierminister David Cameron Aufrufe zum Boykott der Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi zurückgewiesen. „Wir können Vorurteile besser bekämpfen, wenn wir teilnehmen, als wenn wir die Winterspiele boykottieren“, schrieb Cameron am Samstag auf Twitter. Hintergrund der Kontroverse ist das Gesetz gegen „Homosexuellen-Propaganda", das im Juni in Russland in Kraft getreten war.

Obama hatte zwar am Dienstag Länder kritisiert, die diskriminierende Gesetze gegen Homosexuelle erlassen. Er würde einen Boykott Sotschis aber für eine „unangemessene Geste“ halten, sagte er am Freitagabend bei einer Pressekonferenz in Washington.

Cameron reagierte mit seiner Twitter-Stellungnahme direkt auf einen Brief des britischen Schauspielers und Schwulen-Aktivisten Stephen Fry an ihn und an das Internationale Olympische Komitee (IOC). In dem Schreiben heißt es, Russlands Präsident Wladimir Putin „hat aus Schwulen Sündenböcke gemacht - wie Hitler es mit den Juden gemacht hat“.

Als Konsequenz müsse das IOC Russland die Ausrichtung der Spiele im kommenden Jahr wieder entziehen, forderte Fry. Cameron antwortete per Twitter: „Ich teile die tiefe Beunruhigung über die Verletzung der Rechte von Homosexuellen in Russland.“

Das IOC hat zwar eine Zusicherung der russischen Regierung, dass das Gesetz während der Spiele in Sotschi in sechs Monaten nicht angewendet werden soll. Das würde bedeuten, dass Schwule in der Zeit für ihre Anliegen auf die Straße gehen dürfen. Doch ändert dies nichts an der generellen Kritik von Menschenrechtsaktivisten an dem als diskriminierend empfundenen Gesetz.

Das Gesetz stellt positive Äußerungen über Homosexualität, angebliche „Schwulen-Propaganda“, in Anwesenheit von Minderjährigen oder über Medien wie das Internet unter Strafe. Ausländer können bei einem Verstoß gegen das Gesetz nicht nur mit einer Geldbuße von bis zu 100.000 Rubel (2300 Euro) belegt werden, ihnen droht auch eine Haft von bis zu 15 Tagen und die Ausweisung.

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10 Kommentare

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  • Im Zuge der Finanzkrise scheinen viele westliche Staatsführer (mit Cameron sogar der Führer einer ehemaligen Kolonialmacht) verstanden zu haben, dass Europa nicht mehr der Nabel der Welt ist und die Erde nicht mehr dem weissen Mann untertan ist. Es kann selbstverständlich nicht angehen, dass man an eine Olympiade reist mit der Erwartung, es müsse dann alles genau so zu- und hergehen wie bei sich zuhause. Das ist zutiefst provinzielles Denken. Wir müssen respektieren, dass jede Gesellschaft ihren eigenen Umgang mit Schwulen hat, dass Schwulenpropaganda weltweit nur im Westen üblich ist.

     

     

     

    Olympia, wie jeder Anlass Leute aus aller Herren Länder zusammentreffen, ist immer auch eine Gelegenheit, andere Kulturen kennenzulernen, sich in Toleranz zu üben und die eigene Weltsicht zu überdenken.

    • H
      Hans
      @Benz:

      Wer Toleranz üben möchte, der sollte als Gastegeber mal anfangen.

    • @Benz:

      Die Kultur, die sich hier an erster Stelle fuer ein Kennenlernen anboete, waere die der Tscherkessen. Das wird aber Russland mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Was Russland hier veranstaltet IST eine Nabelschau des weissen Mannes und das Gegenteil von Toleranz und Respekt.

      • @Irma Kreiten:

        @Benz

         

        RU (übrigens seit je ein Vielvölker- und Vielreligionenstaat) zeigt grosse Toleranz. So steht RU z.B. jeglicher Propaganda für irgendwelche Lebensweisen und sexuellen Vorlieben sehr ablehnend gegenüber und ist dafür, dass jeder frei und ohne Propaganda seinen Lebensstil findet.

         

         

         

        @Kreiten

         

        Was ist das, diese Tscherkesen, über die Sie ständig schreiben? Nie davon gehört.

        • @Benz:

          Dann schlagen Sie doch mal nach, Wikipedia reicht auch schon fuers erste, sonst werden Sie das noch oft von mir hoeren. Oder soll das eine literarische Parallele zu der Armenier-Anekdote unseres guten Staatsmannes Adolf sein? In was besteht denn die russische Toleranz etwa gegenueber Nordkaukasiern? Hier kann nicht einmal im Museum lokale Kultur gezeigt werden, ohne dass es Probleme mit der russiscen Obrigkeit gibt. Ganz zu schweigen von Verschleppungen und Geheimgefaengnissen, Folterungen und Morden.

        • H
          Hans
          @Benz:

          "So steht RU z.B. jeglicher Propaganda für irgendwelche Lebensweisen und sexuellen Vorlieben sehr ablehnend gegenüber und ist dafür, dass jeder frei und ohne Propaganda seinen Lebensstil findet"

           

           

           

          Und das glauben Sie selbst?

           

          Propaganda ist nichts anderes als Werbung, und natürlich gibt es in Russland Werbung für Lebensstile, es gibt Werbung für die Kirche, für heterosexuelle Lebensweise, etc. pp. Und wenn Sie für Werbung für Glaubensgemeinschaften, heterosexuelle Lebensweisen etc. wären, warum dürfte man in Ruslland nicht auch eine Werbekampagne für Homosexualität schalten?

  • Man sollte angesichts der Artikel zu Sochi 2014 meinen, bei der deutschen Presse staenden die Termini "Tscherkessen" und "Voelkermord" auf dem Index.

    • @Irma Kreiten:

      @Irma

       

      Was sind Tscherkisen und was hat es mit Olympia zu tun?

      • @Benz:

        Tscherkessen sind die Bewohner der Gegend um Sochi/der oestlichen Schwarzmeerkueste bis sie Mitte des 19. Jh von russischen Truppen veruebter genozidaler Gewalt zum Opfer fielen, der Grossteil der Ueberlebenden wurde ins Osmanische Reich deportiert, die Nachkommen sind heute als der der Armenier vergleichbaren Diapsora ueber die ganze Welt verstreut. Bis heute gibt es keine Anerkennung, keine Entschaedigung, kein Rueckkehrrecht und auch keine wirklichen Minderheitenrechte fuer Tscherkessen im Nordkaukasus selbst. Sochi 2014 ist nicht zuletzt eine symbolische Machtdemonstration von russischer Seite, die die Ausloeschung der Geschichte der Region weiter vorantreibt. Es wurden bei den Bauarbeiten nach Presseberichten sogar klammheimlich Massengraeber aus dem 19. Jh beseitigt. Die deutsche Presse aber berichtet nicht, auch nicht ueber die tscherkessische Protestbewegung "No Sochi".

  • B
    @bibale_

    Traurig, wenn man mal bedenkt, dass so ein Staat Snowden aufgenommen hat und kein anderes europäisches Land die Eier hatte.

     

    Deutschland steht für die Freiheit, aber am Ende ziehen sie dann wieder den Schwanz ein.