Jahrestag des Bombenangriffs auf Dresden: Neonazis stehen im Regen
Mehrere hundert Neonazis demonstrieren in Dresden. Der Gegenprotest ist deutlich größer. Dessen Organisator:innen kritisieren die Polizeitaktik.
Dann setzte sich der Aufzug in Bewegung – und direkt schallte es lautstark von der Seite: „Alerta, alerta, Antifascista!“. Obwohl die Polizei die Route der Neonazis abgeriegelt hatte, skandierten schon am Startpunkt ein paar Gegendemonstrant:innen in Sicht- und Hörweite. Die Neonazis trotteten vorbei und starrten sie stumm, aber böse an. Keine Parolen, so lautete ihre Ansage, denn der Neonazis-Aufmarsch soll ein Gedenkmarsch sein.
Seit mehr als 25 Jahren mobilisieren Neonazis nach Dresden, um die Bombardierung der Stadt am 13. Februar 1945 in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. Zu Spitzenzeiten folgten rund 7.000 extreme Rechte dem Aufruf, in diesem Jahr waren es schätzungsweise bis zu 1.000. Ihnen stellten sich etwa 5.000 Menschen entgegen.
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An mehreren Stellen versuchten Gegendemonstrant:innen, die Route der Neonazis zu blockieren – allerdings ohne Erfolg. Aber die bundesweiten Proteste gegen Rechts zeigen auch in Dresden ihre Wirkung. So war der Gegenprotest diesmal deutlich farbenfroher als in den vergangenen Jahren. Aber die Zahl der Demonstrierenden in Dresden war deutlich kleiner als die in den vergangenen Wochen.
Farbenfroher Protest gegen rechts
Nach etwa einer Stunde kamen die Neonazis nördlich des Hauptbahnhofs am Georgplatz vorbei. Dort warteten am Straßenrand mehrere Tausend Menschen und skandierten: „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda.“ Dabei stand auch Anne Herpertz (Piraten), die den Protest mitorganisiert hat. „Wir sind froh, dass so viele Menschen gegen Nazis auf die Straße gekommen sind“, sagte sie. Allerdings: Der Polizeieinsatz lasse sie fassungslos zurück.
Das Aufgebot an Einsatzkräften hält Herpertz für übertrieben. Nach einem Blockadeversuch waren etwa 150 Gegendemonstrant:innen für etwa drei Stunden in einem Kessel. Polizeibeamte haben die Identitäten von 90 Personen notiert und „gegen zehn Gegendemonstranten Ermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie Verstößen gegen das Versammlungsgesetz“, wie die Polizei später in einer Pressemitteilung erklärt.
Neun weitere Verfahren richteten sich gegen extrem Rechte. Insgesamt waren der Mitteilung zufolge 1.800 Beamte im Einsatz. An anderen Stellen setzte die Polizei Pfefferspray ein und ließ Polizist:innen auf Pferden vor dem Gegenprotest reiten.
Ebenfalls am Georgenplatz war Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), mit blauer Regenjacke gegen das Wetter gewappnet. Er hatte schon vorab dazu aufgerufen, sich an den Protesten zu beteiligen: „Wir dürfen das Gedenken an den 13. Februar nicht den Ewiggestrigen überlassen“. Er sei nun dankbar, dass sich so viele auf die Straße begeben hätten, sagte er der taz. Auch kurze Blockaden des Neonaziaufmarschs halte er für legitim. Das drücke aus, „ihr seid hier nicht willkommen.“
Oberbürgermeister Hilbert reiht sich ein
Hilbert ist seit 2015 im Amt. Er betonte in den vergangenen Jahren immer wieder, „Dresden war keine unschuldige Stadt“, und kritisierte Versuche, die Geschichte umzudeuten. Zwar hatte er schon bei Großereignissen wie dem Pegida-Geburtstag zu Protesten gegen rechts mobilisiert. Aber am 13. Februar hatte er bisher aber nur zur Teilnahme an der Menschenkette aufgerufen – nicht zu der an den Gegenprotesten, wie in diesem Jahr.
Anne Herpertz hält das für eine Verbesserung: „Bisher war die Menschenkette der Anlaufpunkt für den bürgerlichen Protest.“ Allerdings sei diese zum „Selbstzweck“ geworden und habe sich nicht mehr auf den rechten Aufmarsch bezogen. „In den vergangenen Jahren hat sich OB Hilbert überhaupt nicht zum ‚Gedenkmarsch‘ oder zum Gegenprotest geäußert“, sagt sie.
Könnte der Oberbürgermeister noch mehr machen? Auch wenn er für den Wunsch, den Neonaziprotest zu verbieten, Verständnis habe – das Demonstrationsrecht sei ein Grundrecht, entgegnet er, „und wer anfängt, an diesen zu sägen, der sägt auch mit an der Demokratie.“
Geschichtsverzerrung durch „Gedenkmarsch“
Gegen 16 Uhr kam der Neonazi-Aufmarsch wieder an seinem Startpunkt an und brach die Stille mit Reden, wie sie schon in den vergangenen Jahren üblich waren. Das Gedenken an die allierten Bombenangriffe auf Dresden ist schon lange umkämpft. In den 90er Jahren mobilisierten extreme rechte Akteure erstmals nach Dresden. Bei den Luftangriffen der Alliierten auf NS-Deutschland, die Dresden zwischen dem 13. und 15. Februar 1945 trafen, starben der historischen Forschung zufolge etwa 25.000 Menschen.
Unter anderem einem Banner der NPD hieß es dieses Jahr erneut, es habe 350.000 Tote gegeben. Auf früheren Aufmärschen war vom „Bombenholocaust“ die Rede. Die übertriebene Dimension und die Verharmlosung des industriell durchgeführten Massenmords an sechs Millionen Jüdinnen und Juden lockte immer wieder mehrere tausend Faschisten aus dem Bundesgebiet und anderen Ländern Europas nach Dresden.
Als 2005 etwa 6.500 extrem Rechte am sogenannten „Trauermarsch“ in Dresden teilnahmen, galt das als größter Neonazi-Aufmarsch Europas. In den Jahren darauf protestiert eine zunehmende Zahl von Antifaschist:innen dagegen und blockiert 2010 zum ersten Mal erfolgreich den Marsch.
Der Erfolg der Menschenkette
Erstmals bezeichnete in jenem Jahr die Dresdener Stadtspitze unter Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) den Gegenprotest nicht mehr als linksextrem. Stattdessen rief sie die Dresdner:innen dazu auf, sich an der Menschenkette zu beteiligen, die symbolisch die Dresdner Altstadt von den Neonazis abschirmen sollte. Etwa 10.000 Menschen reihten sich darin ein.
In den Jahren danach nahm die Zahl der Neonazis stetig ab. Durch den Frust über die Blockaden und interne Streitigkeiten schrumpfte der Marsch auf ein paar hundert Neonazis in den vergangenen Jahren zusammen. 2023 waren noch zwischen 650 und 800 Teilnehmer:innen in Dresden.
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