Präsidentschaftswahl in der Slowakei: „Zuzana, Zuzana!“
In der Slowakei kommt mit Zuzana Čaputová erstmals eine Frau an die Staatsspitze. Der Sieg der pro-europäischen Umweltaktivistin fiel deutlich aus.
In einer ersten Reaktion dankte die Wahlsiegerin den Wählern nicht nur auf Slowakisch, sondern auch in den Sprachen der ungarischen und der Roma-Minderheit, sowie auf Tschechisch für ihr Vertrauen, das sie als Signal der Veränderung interpretierte. Sefcovic gratulierte ihr zu ihrem Erfolg. Ihre Anhänger feierten sie mit Sprechchören „Zuzana, Zuzana!“.
Sie werde wie ihr parteiloser Vorgänger Andrej Kiska eine „klar pro-europäische Position“ vertreten, sagte Čaputová kurz nach Mitternacht. Kiska war nicht mehr angetreten. Das offizielle Endergebnis der Abstimmung soll erst am Sonntagmittag bekannt gegeben werden, wie das Innenministerium in Bratislava der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.
Die formelle Amtsübergabe ist für 15. Juni festgelegt. Mit den Vertretern der sozialdemokratisch geführten Regierung von Regierungschef Peter Pellegrini erwarte sie eine „konstruktive Zusammenarbeit“. In den nächsten Tagen wolle sie sich mit Vertretern der Regierung treffen, um die Zusammenarbeit zu besprechen.
Politisch unerfahren, aber glaubwürdig
Wahlverlierer Sefcovic ließ ihr einen Blumenstrauß in ihre Wahlzentrale bringen. Er sei froh, dass auch er sich an der pro-europäischen Ausrichtung der Slowakei beteiligen habe können, sagte er nach seiner Gratulation. Beide Stichwahlkandidaten hatten im Unterschied zu ihren nach dem ersten Wahlgang ausgeschiedenen rechtspopulistischen und auch rechtsextremen Hauptkonkurrenten wiederholt betont, einen fairen Wahlkampf führen zu wollen.
Die vor zehn Jahren als Umweltaktivistin im Kampf gegen eine Mülldeponie erstmals politisch aktiv gewordene Čaputová betonte dies auch nach ihrem Sieg neuerlich: „Ich freue mich nicht nur über diesen Wahlsieg, sondern auch über die Art, wie er gelungen ist: Wir haben gezeigt, dass man nicht ein populistisches und aggressives Vokabular verwenden muss, um erfolgreich zu sein.“
Wahlsiegerin Caputova
Mit ihren 45 Jahren ist sie nicht nur vergleichsweise jung, sie ist auch unbelastet von den Skandalen und Verflechtungen, die die politische Landschaft der Slowakei zuletzt geprägt haben. Insbesondere die Ex-Regierungschefs Róbert Fico oder Vladimír Mečiar symbolisieren für viele Slowaken eine mafiöse Verknüpfung zwischen Politik, Justiz und Wirtschaft. Seit dem Mord an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová vor einem Jahr rumort es in dem 5-Millionen-Einwohner-Land. Der brutale Tod des Paares hat die oligarchischen Strukturen der Slowakei offen gelegt. Da erscheint Zuzana Čaputová vielen als eine Lichtgestalt.
Was ihr an politischer Erfahrung fehlen mag, macht sie an Glaubwürdigkeit wieder wett. Die geschiedene Mutter von zwei Kindern trat Ende 2017 in die außerparlamentarische Partei Progresivní Slovensko (Fortschrittliche Slowakei) ein, deren Vizevorsitzende sie seit Anfang 2018 ist. Auch vorher hatte sie sich schon gegen das eingesetzt, was sie „Arroganz der Macht“ nennt.
14 Jahre lang stand sie als Anwältin an der Spitze einer Bürgerinitiative, die gegen eine Mülldeponie in ihrem Heimatort Pezínok nahe Bratislava kämpfte. „Es ging nicht nur um den Gestank. Wir hatten eine überdurchschnittlich hohe Krebsrate. Allein die Leukämiefälle waren achtmal so hoch wie der Landesdurchschnitt“, sagt Čaputová. Die Kampagne hatte Erfolg, 2013 entschied das höchste Gericht der Slowakei gegen die Gifthalde, 2016 wurde Čaputováfür ihr Engagement gegen die Deponie mit dem Goldman-Preis ausgezeichnet, der als eine Art Nobelpreis für Umweltschutz gilt.
Čaputová will Frauenrechte stärken
Während des Wahlkampfes war sie selbst diejenige, über die giftiger Dreck ausgeschüttet wird. Sie solle beweisen, dass sie keine Jüdin sei, hieß es in den sozialen Netzwerken, auch der Vorwurf, sie sei „eine Marionette“ des US-Milliardärs George Soros und der USA, machte die Runde. Solchen eklatant antisemitischen Verschwörungstheorien setzte Čaputová den Kampf nach einem „anständigen Staat“ entgegen. Zu ihren Zielen zählt ein stärkerer Rechtsstaat, mehr Umweltschutz, ein klares Ja zu registrierten Partnerschaften und Adoptionen bei homosexuellen Paare sowie das Recht der Frauen, selbst über eine Abtreibung zu entscheiden.
Čaputová hatte bereits in den Umfragen deutlich vor Sefcovic geführt. Schon im ersten Wahlgang am 16. März errang die Umweltaktivistin mit fast 41 Prozent einen deutlichen Vorsprung auf den 52-jährigen Diplomaten, der mit nicht ganz 19 Prozent Zweiter wurde.
Insgesamt waren am Samstag mehr als 4,4 Millionen Stimmberechtigte zur Wahl ihres neuen Staatsoberhaupts für die nächsten fünf Jahre aufgerufen. Bei sonnigem Frühlingswetter verlief die Wahl bis zum Abend ohne nennenswerte Zwischenfälle. Auch viele Slowaken, die in den österreichischen und ungarischen Nachbargemeinden der Hauptstadt Bratislava oder in Tschechien leben, fuhren eigens über die Grenze, um an der Wahl teilnehmen zu können, die nur im Inland möglich ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau