Kolumne Macht: Nehmt Greta Thunberg ernst
Die Klimaaktivistin aus Schweden hat mit Friday-for-Future etwas auf die Beine gestellt. Mit der Verehrung sollte man es nicht übertreiben.
D er Hype um Greta Thunberg nimmt bedrohliche Züge an. Daraus ist dem jungen Mädchen kein Vorwurf zu machen. Die 16-Jährige kann nichts dafür, wenn weite Teile der Öffentlichkeit durchdrehen. Sie hat ein Anliegen, mit dem es ihr bitter ernst ist, und sie trifft den richtigen Ton, um andere zu überzeugen und mitzureißen. So weit, so eindrucksvoll. Das Problem liegt nicht bei ihr, sondern bei vielen Leuten, die auf sie reagieren.
Die Kritik an ihr und den von ihr propagierten Schulstreiks, mit denen sie den Kampf gegen den Klimawandel befördern will, lässt sich relativ leicht abräumen. Die kommt so schlecht gelaunt und bräsig daher, dass es schwerfällt, sie ernst zu nehmen. Klimaschutz sei eine Sache für Profis, erklärt der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. Genauso gut könnte man sagen, man solle die Bedingungen des Brexit allein der britischen Regierung überlassen, die wisse am besten, was gut sei für ihr Land und den Rest der Welt.
Profis haben ihre überragenden Fähigkeiten in den letzten Jahren auf vielen Feldern überzeugend bewiesen. Was gibt’s eigentlich Neues vom Berliner Großflughafen? Keine Frage, die Greta Thunberg gefallen würde, schon klar. Trotzdem.
Andere Kritiker meinen, es mache den Jugendlichen einfach Spaß, die Schule zu schwänzen, es gehe ihnen gar nicht um die Sache. Die Zeit, die sie nachmittags mit Videospielen verbrächten, wollten sie nämlich erkennbar nicht opfern. Das wird für ein Argument gehalten?
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Als ob die Erkenntnis neu wäre, dass sich die meisten menschlichen Verhaltensweisen aus mehr als einem Motiv speisen. Würden Ehrenamtliche allüberall nicht auch die Gemeinschaft schätzen und das Gefühl gebraucht zu werden – es gäbe nur noch sehr wenige. Was aber nicht gegen sie spricht. Schön, dass sie sich engagieren.
Die Kritik an Greta Thunberg und ihrer Bewegung ist also banal. Weniger banal und sehr viel beunruhigender ist die Verehrung, die ihr entgegenschlägt. Friedensnobelpreis? Ernsthaft? Sie ist 16. Sechzehn! Darf sie das auch noch sein, oder ist sie nur eine Projektionsfläche?
Man konnte es absurd oder sentimental – hach, die engagierte Jugend, wie schön! – oder, wie ich, anbiedernd finden, ihr auf dem Wirtschaftsforum in Davos eine Bühne gegeben zu haben. Aber das ruiniert noch kein Leben. Der Friedensnobelpreis kann das schon tun. Was soll denn danach noch kommen? Wer das im Hinblick auf Greta Thunberg egal findet, weil ihr Anliegen eben so wichtig ist, nimmt sie als Menschen und mit ihrer Biografie nicht ernst.
Dass die Rechte, weltweit, sich einen charismatischen Führer wünscht, ist bekannt. Dass offenbar auch Teile der Linken sich nach einer unschuldigen Lichtgestalt sehnen, die alles weiß und der nichts vorzuwerfen ist, war für mich eine neue Erkenntnis. Keine erfreuliche. Dabei hätte ich es wissen können.
Die Verleihung des Friedensnobelpreises 2014 an die damals 17-jährige Malala Yousafzai wies die Richtung, ebenso wie die Zuerkennung dieser Ehrung an den neu gewählten US-Präsidenten Barack Obama 2009. Eine unreife Vorschusslorbeere. Die Verehrung, die Greta Thunberg entgegengebracht wird, erinnert an religiöse Erweckungserlebnisse. Vermutlich muss man dankbar sein, dass ihr – zumindest bisher – noch nicht die Jungfrau Maria erschienen ist.
Was wabert da? Noch einmal: Der 16-Jährigen ist das alles nicht vorzuwerfen. Aber könnten ihre Fans, wenigstens vorübergehend, mal wieder den Verstand einschalten? Lichtgestalten und Seherinnen werden die Welt nicht retten. Und früher haben Linke die auch nicht gebraucht.
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