Klimaaktivistin reagiert auf Gerüchte: Greta Thunberg und die Trolle
In einem langen Statement auf Facebook hat sich die Klimaaktivistin Greta Thunberg gegen Vorwürfe gewehrt. Es gebe niemanden „hinter ihr“.
Greta Thunberg hat bei Facebook in einem langen Post auf Vorwürfe reagiert, dass sie von jemandem gesteuert werde und Geld für ihre Proteste erhalte. „Ich habe beobachtet, dass über mich viele Gerüchte zirkulieren und enorme Mengen an Hass“, schreibt sie in ihrer Stellungnahme. „Deshalb möchte ich einige Sachen über meinen Schulstreik klarstellen.“
Die 16-jährige Klimaaktivistin aus Schweden, die jeden Freitag vor dem schwedischen Parlament gegen den Klimawandel protestiert, wurde in den vergangenen Wochen weltweit berühmt. Seitdem erlebt sie im Netz einen Shitstorm, der sich vor allem aus rechten Kreisen speist. Die Beschimpfungen zielen auf ihr Alter, ihr Geschlecht und ihre Asperger-Diagnose ab.
Auch Publizisten und Medien aus dem rechten Spektrum beschäftigen sich mit der jungen Frau und verbreiteten in den vergangenen Tagen und Wochen das Gerücht, dass Greta Thunberg eine Art PR-Coup und Marionette von Unternehmern und Aktivisten sei.
„Ich bin für eine Verschärfung des Tatbestands ‚Kindesmissbrauch‘, um auch solche Fälle verfolgen zu können wie den der bereits erwähnten Greta aus Schweden, die von den Klimarettern zur Ikone ihrer Bewegung erkoren wurde“, sagte beispielsweise der Publizist Henryk M. Broder vergangene Woche in seiner Rede vor der AfD-Fraktion im Bundestag.
„Altklug und verhaltensgestört“
„Ein 16-jähriges Mädchen, altklug und verhaltensgestört, von Untergangsphantasien verfolgt und von der Idee besessen, die Welt retten zu müssen, wird innerhalb weniger Wochen zur Ikone einer neuen Jugendbewegung. Mit dem Missbrauch Minderjähriger kennen sich die Grünen aus“, schrieb der deutsche Anwalt Joachim Steinhöfel auf Twitter.
„Wir basteln uns eine Klima-Ikone“, titelte die Schweizer Weltwoche. In dem Text vom 23. Januar 2019 schrieb die schwedische Journalistin Katerina Janouch, die dem rechten Spektrum zugerechnet wird, hinter „Klima-Greta“ stecke eine PR-Kampagne von Umweltaktivisten, die das Mädchen für ihre Zwecke „als Zugpferd benutzen, um Spendengelder einzusammeln und linke Botschaften zu verbreiten“. Mehrere Nachfolgetexte in rechten Blogs beziehen sich auf den Weltwoche-Text.
In ihrem langen Facebook-Post reagierte Greta Thunberg auf die Kritik. Sie beschreibt, wie der Umweltaktivist Bo Thorén sie im Mai 2018 kontaktierte, nachdem sie einen Schreibwettbewerb in einer schwedischen Zeitung gewonnen hatte. Thorén gehört dem Umweltverband Fossil Free Dalsland an und der internationalen Graswurzelbewegung Extinction Rebellion.
„Ich hatte ein paar Telefonkonferenzen mit anderen Aktivisten“, schreibt Greta Thunberg in ihrem Post. Sie wollten Ideen entwickeln, wie sie Aufmerksamkeit auf die Klimakrise lenken könnten. Bo Thorén habe einige Ideen gehabt – von Demonstrationen bis hin zu Schulstreiks. Diese Idee war inspiriert von den Studenten aus Parkland, schreibt Greta, die sich nach dem Amoklauf an ihrer Schule geweigert hatten, zur Schule zu gehen.
„Ich mochte die Idee eines Schulstreiks“, schreibt Greta Thunberg. Also entwickelte sie die Idee weiter und wollte andere junge Leute überzeugen, sich ihr anzuschließen. Da sie keinen Erfolg hatte, beschloss sie, alleine in den Streik zu treten. Sie nahm an keinen weiteren Konferenzen mehr teil.
Ihre Eltern waren laut Greta Thunberg davon nicht besonders begeistert. „Sie sagten, wenn ich das tun würde, müsste ich es alleine tun und ohne ihre Unterstützung.“ Also begann sie am 20. August 2018 mit ihrem Streik. Sie habe dann einen Post bei Instagram und Twitter veröffentlicht, der schnell geteilt wurde. Journalisten und Zeitungen wurden auf sie aufmerksam. Unter den ersten Menschen, die auf sie zukamen, war der schwedische Unternehmer Ingmar Rentzhog, der das Start-up und die Klimaplattform wedonthavetime.org gegründet hat. „Er sprach mit mir und machte Fotos, die er auf Facebook postete“, schreibt Greta Thunberg. Sie habe vorher noch nie mit ihm zu tun gehabt.
Sie habe nie Geld erhalten, schreibt Greta Thunberg
„Viele Menschen lieben es, Gerüchte zu streuen, dass es Menschen ,hinter mir’ gebe oder dass ich ,bezahlt’ werde oder ,benutzt’, das zu tun, was ich tue“, schreibt sie weiter. „Aber es gibt niemanden ,hinter’ mir außer mir selbst.“
Sie gehöre keiner Organisation an. Manchmal kooperiere sie mit verschiedenen NGOs, die sich mit dem Klima und der Umwelt beschäftigen. „Aber ich bin absolut unabhängig und repräsentiere nur mich selbst.“ Sie habe außerdem von niemandem Geld erhalten – genauso wenig wie ihre Familie. Ihre Eltern bezahlen ihre Zugtickets und ihre Unterkünfte. Manchmal frage sie Wissenschaftler um Hilfe, wenn sie ihre Reden formuliere, da sie keine Fehler machen möchte.
„Manche Menschen verhöhnen mich wegen meiner Diagnose“, schreibt sie weiter. „Aber Asperger ist keine Krankheit, sondern ein Geschenk.“ Wäre sie „normal“ und sozial, hätte sie sich einer Organisation angeschlossen oder eine Organisation gegründet. Aber da sie nicht so gut darin sei, sich mit Leuten zusammenzutun, habe sie eben alleine mit dem Schulstreik begonnen. Manchmal habe es einen größeren Effekt, etwas nicht zu tun. „Genauso wie ein Flüstern manchmal lauter ist als ein Schrei.“
Gegen ein Argument könne sie nichts sagen, schreibt sie zum Schluss. Und das sei der Fakt, dass sie „nur ein Kind sei und man nicht auf Kinder hören solle“. Aber das könne leicht behoben werden – man müsse sich nur auf die Wissenschaft verlassen. „Wenn jeder den Wissenschaftlern zuhören würde und den Fakten, auf die ich mich die ganze Zeit beziehe – dann würde niemand mir zuhören müssen oder den Hunderttausenden Schülern, die auf der ganzen Welt für das Klima streiken. Dann könnten wir alle zurück in die Schule gehen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“