Gespräche zwischen USA und Taliban: Über die Köpfe der Afghanen hinweg
USA und Taliban wollen eine Nachkriegsordnung festlegen. Beobachter fürchten, dass die Demokratie nach dem Abkommen nicht lange anhalten wird.
Die USA seien bereit, binnen 18 Monaten ihre Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, hieß es aus Kreisen der Taliban-Unterhändler gegenüber Reuters. Der Abzug aller 22.000 ausländischen Truppen, zwei Drittel davon US-Amerikaner, ist die Kernforderung der Aufständischen. Der 18-monatige Zeitrahmen wäre neu und hört sich logistisch machbar an. Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed dementierte dieses Detail allerdings – möglicherweise ein Versuch, das offenbar vereinbarte Stillschweigen über Details zu wahren, das das Nachrichtenleck verletzte.
Die Taliban, hieß es weiter, seien im Gegenzug bereit, zuzusichern, dass das Land nicht wieder wie vor 2001 Basis islamistischer Terrorgruppen wird. Das ist das politische Hauptziel der USA. Al-Qaida hatte die Anschläge vom 11. September 2001 von Afghanistan aus geplant oder zumindest inspiriert.
Die Taliban verfolgen aber in der Praxis eine rein nationale Agenda. Eine Präsenz der in Afghanistan inzwischen marginalisierten dschihadistischen al-Qaida nach einem Friedensschluss würde unnötige Aufmerksamkeit auf ihre noch immer rückwärtsgewandten Innenpolitik richten.
Die Gespräche dauerten länger als je zuvor
US-Außenminister Mike Pompeo sprach deshalb von einem „Durchbruch“, die Taliban von „Fortschritten“. Aber Optimismus zu verbreiten gehört zum diplomatischen Grundhandwerk. Khalilzad sagte auch, mit den Taliban sei vereinbart worden, dass nichts als vereinbart gelte, solange nicht alles vereinbart sei.
Die Dauer dieser letzten Gesprächsrunde – sechs Tage, länger als je zuvor – zeigt, dass beide Seiten ernsthaft arbeiten. Der Optimismus soll auch US-Präsident Donald Trump besänftigen, dessen Anordnung eines Sofortabzugs nach wie vor im Raum steht.
Für einen geplanten US-Abzug setzt Khalilzad auf einen baldigen, „umfassenden“ Waffenstillstand. Vorbild ist eine landesweite dreitägige Waffenruhe über islamische Feiertage im vorigen Juni, die die Taliban ausnahmslos eingehalten hatten. Außerdem müsse es zu einem „innerafghanischen Dialog“ kommen.
Damit ist gemeint, dass die Regierung von Präsident Ashraf Ghani direkt in den Friedensprozess einbezogen werden muss. Dass die Taliban das bisher verweigern, ist die größte Hürde für ein Abkommen. Ihre jetzige – inoffizielle – Aussage, „andere Aspekte des Friedensprozesse“ könnten umgesetzt werden, „wenn die ausländischen Truppen abgezogen worden sind“, ändert ihre Haltung nicht. Ghani dürfte das nicht zufrieden stellen.
Eine nächste Verhandlungsrunde ist für Februar in Doha vereinbart. Es wird erwartet, dass sie aufseiten der Taliban dann von Mullah Abdul Ghani (Namensähnlichkeit zum Staatspräsidenten zufällig) geleitet wird. Er steht dem verstorbenen Talibangründer Mullah Muhammad Omar nahe, den die Aufständischen verehren und der einem Vertragsschluss Autorität verleihen würde.
Beobachter wie der Kabuler Journalist Sami Mehdi befürchten jedoch, dass nach einer US-Taliban-Direktvereinbarung über die Köpfe der Afghaninnen und Afghanen hinweg „Menschenrechte, Frauenrechte, Redefreiheit, die Einbeziehung der Minderheiten und ein demokratisches System nicht lange überdauern würden“. Auch Afghanistans derzeitige Eliten sind mehr an Machtsicherung als an Demokratie interessiert.
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