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Christopher Street Day in Stuttgart: Ein Mensch von hinten mit einer rosafarbenen Kurzhaarperücke, nacktem Rücken und einem regenbogenfarbenem Fächer
Foto: imago/Arnulf Hettrich

Podcast „Passierte Tomaten“ Verschiedene Ziele

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Die Fronten zwischen Queer- und Radikalfeminismus scheinen verhärtet. *Trans Rapperin FaulenzA und Aktivistin Manuela Schon gehen ins Gespräch.

Verdrängt der Queerfeminismus die Anliegen des ursprünglichen Feminismus aus dem Bewusstsein? So lautet zumindest ein Vorwurf des Radikalfeminismus. Der Queerfeminismus hingegen fordert, sich mehr mit eigenen Privilegien aufgrund von Herkunft und Hautfarbe zu beschäftigen und eigenes Diskriminierungsverhalten zu reflektieren.

Doch diesen Vorwurf verstehen manche Radikal- und andere Fe­mi­nis­t*in­nen als Sprechverbote. So hat sich der Konflikt um den Queerfeminismus im letzten Sommer hochgeschaukelt und endete in großen Zeit-Artikeln des Duos Judith Butler und Sabine Hark und von Alice Schwarzer, die sich darin gegenseitig antworteten, aber tatsächlich wenig auf die Argumente der jeweils anderen Seite eingehen.

In unserem taz-Podcast wollen wir genau das versuchen – und zwar auf der einen Seite mit Manuela Schon. Sie ist Mitglied des radikalfeministischen Bloggerinnenkollektivs Störenfriedas, das sich kritisch gegenüber dem Queerfeminismus geäußert hat. Und auf der anderen Seite mit FaulenzA, *trans Rapperin, Aktivistin und Autorin des Buches „Support your Sisters not your Cisters“.

Manuela Schon

Manuela Schon, Jahrgang 1982, aus Wiesbaden, ist Soziologin, Aktivistin und Mitglied des radikalfeministisches Bloggerinnenkollektiv „Störenfriedas“.

Manuela Schon hat einen Kritikpunkt an dem Buch: Das Kapitel über Morde an *trans Frauen unter anderem in der Prostitution sei das Kürzeste und es nehme nicht in den Blick, dass die Täter in der Regel Männer seien. „Mir ist beim Thema Prostitution generell wichtig, zu sehen, welche Rolle Männer in der Prostitution haben, was für einen Blick sie auf Frauen in der Prostitution und auf Frauen in der Gesellschaft generell haben.“

Es geht in Diskussion auch um Begrifflichkeiten. Für FaulenzA ist es als *trans Frau wichtig, dass es auch einen Begriff für das Gegenteil von *trans gibt: „Sonst gibt es nur *trans und das Andere und das Andere wird dann als das Normale gesehen. Anstatt zu sagen, dass *trans auch normal und gut ist.“ Manuela Schon lehnt es allerdings ab, sich selbst als *cis Frau zu bezeichnen, nur weil sie sich auch mit dem Geschlecht identifiziert, das sie bei ihrer Geburt zugewiesen bekam. „Ich identifiziere mich aber nicht mit den Erwartungshaltungen, die an eine Frau gestellt werden. Deshalb will ich nicht als *cis Frau bezeichnet werden.“

Aber worum geht es beim Streit zwischen Radikal- und Queerfeminismus eigentlich? Um einen unterschiedlichen Fokus im feministsichen Kampf? „Ich glaube, auch das Ziel ist ein anderes“, meint Manuela Schon. „Im Queerfeminismus ist das Ziel die Selbstermächtigung in den bestehenden Strukturen. Im Radikalfeminismus wollen wir ganz andere Strukturen.“ Dem kann FaulenzA nicht zustimmen. Ihr geht es um beides – und bei der Abschaffung bestehender Strukturen nicht nur um das Patriarchat sondern auch um den Kapitalismus.

FaulenzA

FaulenzA, Jahrgang 1987, aus Berlin, ist Rapperin, *trans Aktivistin und Buchautorin. Im November erscheint ihr neues Album „Wunderwesen“.

FaulenzA kreidet außerdem an, dass Radikalfeministinnen *trans Frauen nicht nur den Zugang zu Frauenräumen, sondern sogar zu Frauentoiletten verwehren wollen. „*Trans Frauen nicht als Frauen anzuerkennen, ist Diskriminierung“, sagt sie. Manuela Schon erzählt dazu: „Frauen in meinem Umfeld, die sexuelle Gewalt erlebt haben, können sonst nicht auf die Toiletten gehen, weil sie sonst damit rechnen müssen, eventuell einen Penis zu sehen. Mit einem schweren Trauma geht das nicht.“ FaulenzA besteht darauf, *trans Frauen in Frauentoiletten zu akzeptieren. Wären abschließbare Toiletten mit jeweils eigenen Waschbecken dann nicht eine Lösung? – fragt Manuela Schon, FaulenzA stimmt dem zu.

Zum Schluss betont Manuela Schon die Wichtigkeit davon, zusammen gegen Ungerechtigkeit und das Patriarchat zu kämpfen, FaulenzA wiederholt ihr Lieblingsmotto: „Let's be careful with each other so can be dangerous together.“ (Auf Deusch: „Lasst uns achtsam miteinander umgehen, damit wir zusammen gefährlich sein können.“) Dass Radikal- und Queer­fe­mi­nis­t*in­nen gemeinsam a einem Strang ziehen, ist also wohl doch nicht völlig unmöglich.

***

Hier können Sie sich das ganze Gespräch zwischen FaulenzA und Manuela Schon anhören – über feministische Ziele, Prostitution, Zugang zu Frauenräumen und den Kampf gegen Patriarchat und Kapitalismus.

***

Vom 9. bis zum 14. September 2018 veröffentlichen wir täglich ein neues Podcast-Gespräch zu feministischen Streitthemen auf taz.de und unseren Kanälen bei Spotify und iTunes. Alle Gespräche erscheinen zum Jahrestag des Tomatenwurfs am 13. September gedruckt in der taz. Mit diesem Spezial launchen wir außerdem auf taz.de einen Schwerpunkt zu feministischen Themen. Schließlich steht die taz seit 40 Jahren für kontinuierliche feministische Berichterstattung.

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7 Kommentare

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  • Zum Interview: Die Radikalfeministin mag diskussionserfahrener sein (hat auch wesentlich mehr Redezeit!), sie verkennt aber mMn, dass die Grenze primär zwischen den Klassen verläuft. Es geht doch nicht um die Profite die mit SexarbeiterInnen gemacht werden (lol), sondern um den Zwang zu Lohnarbeit und die Armut! Anstatt bei der Diskriminierung der SexarbeiterInnen und Männern mitzumachen, sollte sie als Feministin lieber für die Befreiung aller kämpfen! Frauen unterer Klassen müssen sich - wie sie ja erkennt - aus der Not prostituieren. Wobei letzteres das Symptom, nicht die Ursache ist! Der Kapitalismus ist das primäre Unterdrückungssystem, derzeit in der Unterform des Patriachats. Beides muss überwunden werden, nur dann endet die Ursache der Diskriminierung wirklich.

    Wenn die Gesellschaft entscheiden soll, ob jemand Trans/m/w ist, wäre das eine massive Diskriminierung. Schon wieder fällt die Radikalfeministin auf divide et impera rein, selbst innerhalb der Genderbewegung.

    @mowgli: "Die meisten Trauma-Therapeuten scheinen ja auch nicht sonderlich erfolgreich zu sein, sonst müsste die Debatte gar nicht geführt werden. "



    Tautologie, dass etwas debattiert wird beweist noch nicht, dass Therapeuthen nicht erfolgreich sind. Es gibt nur einfach zu wenige, so dass noch weniger eine Therapie machen. Transfrauen sollten von anderen Frauen zumindest auf dem Klo toleriert werden.

    Wer das Hausrecht hat, bestimmt, wer auf welches Klo geht.

  • Danke für den Schwerpunkt „Tomaten“. Ich habe mir zusätzlich den Podcast angehört. Spannend finde ich auch heute noch die „geschlechtsspezifische Erziehung“ die weder für Mädchen noch für Jungens etwas taugt und die in den letzten Jahren eher noch krasser geworden ist und schon vor der Geburt beginnt.



    Das Thema Toiletten halte ich für sehr schwierig. Jeder Mensch bracht manchmal ein öffentliches Klo und sollte eines ungeniert nutzen können. Gemischte Toiletten möchte ich trotzdem nur als einzeln abgeschlossene Räume. Ich habe solche auf skandinavischen Campingplätzen kennengelernt und fand sie für mich als Frau nicht angenehm und letzt endlich nicht sicher, vor allem wenn wenig los ist.



    Ich würde sogar noch weiter gehen und mir in Krankenhäusern reine Frauenstationen wünschen. Ich habe lange im Bereich Gewaltschutz gearbeitet und mit Frauen gesprochen, die aus Angst vor Übergriffen, notwendige stationäre Behandlungen abgelehnt haben.

  • Nur weil jemand nicht cis ist, wird er doch nicht Teil irgendeines Kollektivs mit gemeinsamen Interessen. Die meisten Menschen definieren sich über viel mehr als ihre soziale und biologische Geschlechtlichkeit. Die Frage ist auch, ob Menschen mit spielerischer Geschlechtsidentität wirklich selbst immer ein fundamentales Problem mit öffentlichen Toiletten haben, oder ob es da mehr um die Polarisierung im öffentlichen Diskurs mit Konservativen geht, und das ansonsten mehr eine Gesprächseinladung ist. Wogegen die substantiellen sozialen, medizinischen und psychosozialen Nöte und Anliegen, die ich von Transmenschen kenne, niemals Teil der Debatte werden.

    Was ich durchaus beobachte ist die Tendenz eines akademisch privilegierten Millieus sich mit spießigen rabulistischen Debatten zum "Herren" von Arbeiter*innen auszuschwingen. Das wird erleichtert dadurch nicht mehr von links die soziale Agenda der Abgehängten zu verteidigen sondern hispsterlinks mit fettem Bankkonto gewisse marginale und klassenlose Randgruppen wie trans*, wobei es ja auch noch andere riesige Gruppen gibt z.B. Krebspatient*innen und Blinde mit ganz besonderen Bedürfnissen und Diskriminierungsgeschichten, die als besondere Bedürfnisgruppen allerdings links grad nicht kanonisiert sind.

    Für mich ist es ein Protransaktivismus ohne echte Interessenvertretung mit Bodenhaftung, sondern mehr ein bürgerliches Diskriminierungsgerede als Substitut für echtes linkes Eintreten für die soziale Frage.

  • Es ist ein Kreuz mit den Prioritäten! Es gibt einfach zu viel zu tun. Alleine kann man das nicht alles schaffen. Und irgendwo muss man ja anfangen. Die Frage ist: Wo?

    Wenn Menschen nicht gelernt (oder durch traumatische Erlebnisse wieder verlernt) haben, vom eigenen Bauchgefühl zu abstrahieren und halbwegs strukturiert zu denken, wird jeder Anfang sehr erschwert wenn nicht gar zur Tortur.

    All zu viel Selbstbezogenheit macht es schlechterdings unmöglich, „achtsam“ miteinander umzugehen und sinnstiftend zusammenzuarbeiten. Wer den Splitter im eigenen Finger für wichtiger hält als den Balken im Auge des anderen, der kann sich schlicht nicht einigen auf gemeinsame Prioritäten.

    Nein, Gerechtigkeit ist nicht herzustellen, indem man sich verzettelt. Die Klo- und die (Selbst-)Bezeichnungs-Frage sind wichtig. Aber sie sind in erster Linie als Symptom entscheidend, nicht als Phänomen. Das sollten die Parteien sich bewusst machen.

    Das Grundproblem ist: Niemand sollte sich anmaßen, für alle Frauen gleichermaßen entscheiden zu können. Diese traditionell von "echten" Männern praktizierte Unsitte gehört überwunden. Die Frage ist nur, die das gehen soll in einer Welt, in der demolierte Egos nach einhelliger Auffassung nur durch Machtausübung wieder hergestellt werden können.

    • @mowgli:

      Ganz kurz gefasst schlage ich vor, man einigt sie wie bereits 1783 von Lessig in der Ringparabel vorgeschlagen: Alterativangebote ja. Zwang nein.

      So schwer kann das doch nicht zu machen sein, oder?

  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Auf welcher Frauentoilette besteht die „Gefahr“ einen nackten Unterleib zu sehen? Ich kenne nur WC-Anlagen mit geschlossenen Kabinen, abschließbar?

    Insofern kann ich nur Diskriminierung erkennen, wenn einer *Trans Frau der Zugang zur Toilette versagt wird; kämpfen „wir“ nicht zum Beispiel gegen die Toilettenverbotsregelungen in einigen US-Highschools?

    • @91655 (Profil gelöscht):

      Ich denke, die "Gefahr" ist in erster Linie eine imaginierte, keine reale. Das macht sie leider nicht weniger angsteinflößend. Im Gegenteil.

      Wo - traumabedingt - bei entsprechender akustischer Untermalung vor dem geistigen Auge nicht nur ein weiblicher, sondern auch ein männlicher Unterleib erscheinen kann, weil Menschen mit einem solchen Unterleib theoretisch Zugang zu der Toilette haben, die ich selber benutze, hilft mir auch das Wissen darum nicht, dass sich der Besitzer dieses Unterleibs vielleicht selber als Frau versteht.

      In wie weit Traumata mittels baulich-organisatorischer Maßnahmen zu bewältigen sind, kann ich nicht abschließend beurteilen. Ergebnisse entsprechender Untersuchungen sind mir jedenfalls nicht bekannt. Den Versuch wäre es allerdings wert. Die meisten Trauma-Therapeuten scheinen ja auch nicht sonderlich erfolgreich zu sein, sonst müsste die Debatte gar nicht geführt werden. Und eine gesetzlich verankerte Pflicht, ein ganz bestimmtes Klo zu benutzen, kenne ich aus Deutschland derzeit nicht.

      Die (Selbst-)Bezeichnungsfrage sehe ich ein wenig anders. Das Recht der (Familien-)Namensgebung hat hierzulande bis vor wenigen Jahren dem Mann zugestanden. Inzwischen kann verhandelt werden. Konsequenterweise wird nun von manchen Frauen nicht nur über den Familiennamen gestritten, sondern gleich über die ganze Geschlechtsbezeichnung. Das, allerdings, ist unzulässig. Man möchte in der Regel nicht zwangsver- oder auch -geheiratet werden als westlich geprägter Mensch.

      Jede Person oder Gruppe, die sie selbst identifizieren will, muss einen konkreten Namen haben. Wenn alle "Bestimmer" sein wollen, wird es bei rd. 40 Mio. Individuen nie eine Gruppenbezeichnung geben. Die Bezeichnungs-Frage sollte also erst einmal vertagt werden. Vielleicht löst sie sich ja von selbst in Wohlgefallen auf, wenn die Affekte abklingen und eine bestimmte Bezeichnung nicht mehr automatisch als Diskriminierung verstanden wird. Aber dann, nicht wahr, kann es auch Unisex-Klos geben.