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Klimagefahr durch MikroplastikPlastik schwitzt Methan

Durch UV-Strahlung setzen Kunststoffe Treibhausgase frei. Die Struktur spielt auch eine Rolle: je kleiner die Partikel, desto schlimmer.

Eine neue Studie zeigt: Liegt Plastik in der Sonne, kann es Treibhausgase freisetzen Foto: dpa

Plastikmüll könnte den Klimawandel stärker antreiben als gedacht. Nach einer am Mittwoch auf der Website Plos.org veröffentlichten Studie der University of Hawaii setzen Plastikteilchen klimarelevante Gase wie Ethylen und Methan frei, und zwar umso mehr, je kleiner die Partikel sind. Methan gilt als deutlich klimaschädlicher als Kohlendioxid. „Weil Mikroplastik eine größere Oberfläche besitzt, setzt es womöglich mehr Treibhausgase frei“, schreiben die WissenschaftlerInnen.

Die ForscherInnen untersuchten verschiedene synthetische Polymere wie Polycarbonat, Acryl und Polyethylen – also chemische Verbindungen, die zur Herstellung von Kunststoffen dienen. Über einen Zeitraum von 212 Tagen setzten sie verschiedene Formen von Plastik UV-Licht aus. Das Ergebnis: Alle Polymere stießen unter Einfluss von UV-Strahlung messbare Mengen der Treibhausgase Methan und Ethylen aus. Und: Je länger das Plastik der Strahlung ausgesetzt war, desto mehr Treibhausgase produziert es. Polyethylen, der weltweit mit Abstand am häufigsten verwendete Kunststoff, stieß dabei am meisten Gase aus.

Außerdem konnten die WissenschaftlerInnen beobachten, dass die Struktur des Plastiks für den Emissionsprozess eine entscheidende Rolle spielt. So stießen Kunststoffe in Puderform deutlich mehr Gase aus als die Plastikpellets. Der Studie zufolge können Kunststoffteile also umso mehr Treib­hausgase freisetzen, je stärker sie in kleinere Einzelteile verfallen. Grund dafür ist laut den ForscherInnen die vergrößerte Oberfläche des Plastiks, die dem Sonnenlicht eine größere Angriffsfläche biete. Auch Mikroplastik, das während des Zerfallsprozesses von Plastik entsteht, könne einen Anstieg der Treibhausgase demnach weiter anheizen.

Kleinste Kunststoffteilchen lassen sich in Meeren, Böden und der Luft nachweisen. Weltweit nimmt die Plastikproduktion zu. In den letzten 70 Jahren wurden weltweit etwa 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoff erzeugt, was etwa dem Gewicht von 80 Millionen Blauwalen entspricht. 2016 wurden laut dem Wirtschaftsverband Plastics Europe weltweit 335 Millionen Tonnen Plastik produziert, allein in Europa 60 Millionen Tonnen.

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16 Kommentare

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  • Hallo Rainer B. Kunststoffe sind Problematisch von Anfang bis Ende.



    Ein Verzicht ist durchaus möglich und in vielen Bereichen auch unumgänglich, da die Rohstoffe Erdöl, Erdgas und Kohle nicht unendlich verfügbar sind. Einige Förderländer haben dies im Gegensatz zu machen Herstellern und deren Plastiklobby schon verstanden und richten sich darauf ein. Auch die Produktion von Kunsstoffen aus anderen Quellen wird an harte Grenzen stossen. Also müssen die Konsequenz lauten



    1) Konsum runter fahren, mehr Klasse statt Masse. Eine Umstrukturierung des Wirtschaftssystem ist eh unvermeidlich.



    2) Vermeiden von Umverpackung aus Kunststoff, Unverpacktläden. mit wiederbefüllbaren Behältern zeigen wie es geht. Davon gibt es immer mehr. Münster in NRW hat zwei, Hamburg hat zwei, Stuttgart gibt es welche .... Auch konventionelle Bäcker lasse sich darauf ein, zB. bei wiederbefüllbaren ToGo Bechern für Tee oder Caffee und ignorieren lieber überarbeitungsbedürftige Hygienevorschriften oder geben eigene gewaschene Pfandbecher heraus.



    2) Langlebige Produkte und Reparatur statt wegwerfen. Repairshops haben gerade Hochkonjunktur.



    3) Umsteigen auf Alternativen aus nachwachsenden Rohstoffen . Auch CO2 aus der Luft zu binden zur Rostohffgewinnung oder aus Biotechnologischen oder anderen solaren Vorgängen wurden bereits erfolgreich getestet.



    Nur einige Gedanken ... ;-)

    • @PresseWolf:

      Richtig. Speziell was den Verpackungssektor betrifft, könnte man problemlos auf 60 - 80% Kunststoffe sofort komplett verzichten. In vielen anderen Bereichen - etwa der Medizintechnik - wird man in absehbarer Zeit nicht ohne Kunststoffe auskommen können. Politische Weichenstellungen hin zu einer Beschränkung ausschließlich auf sinnvolle, noch vertretbare Kunststoffproduktion, sind derzeit leider nicht in Sicht. Ich kann da nur empfehlen, den überflüssigen Plastikmüll beim Einkauf konsequent in den Regalen liegen zu lassen.

  • Dann haben wir wohl ein Problem mit dem Reifenabrieb.

    • @Bernhard Hellweg:

      Sowieso - schon länger im Zusammenhang mit der Feinstaubbelastung.

  • „Weil Mikroplastik eine größere Oberfläche besitzt“..........

    Größere Oberfläche als was?



    Hat denn etwa ein Auto, dass bei einem Unfall in seine Einzelteile zerlegt wurde, nach dem Unfall tatsächlich insgesamt eine größere Oberfläche, als es vor dem Unfall hatte?

    • @Rainer B.:

      Eine größere Oberfläche als die gleiche Masse an Plastik, die in z.B. einer kompletten und unzerstörten Flasche enthalten ist. Mit dem Zerkleinern von Gegenständen erhöht sich bei gleich bleibender Masse und Volumen die äußere Oberfläche.

      • @TH76:

        Eine Plastikflasche, die aus x Molekülen besteht, die jeweils eine Oberfläche von F-mol haben, hat doch in jedem Zustand der Zerstörung der Flasche immer nur eine Oberfläche von genau x * F-mol.

        • @Rainer B.:

          Denken Sie sich eine Würfel mit der Kantenlänge 1 cm. Das Volumen ist 1 cm³. Die Oberfläche ist 6 cm². Jetzt schneiden Sie den Würfel durch. Masse und Volumen der beiden entstehenden Quader summieren sich immer noch zu denselben Werten wie vorher, doch die Oberfläche ist jetzt 8 cm².

          • @TH76:

            Warum soll ich mir denn jetzt einen Würfel denken, wenn es doch um Mikroplastik geht?

        • Lalon Sander , Autor*in , Datenjournalist
          @Rainer B.:

          Wenn Dinge zerkleinert werden vergrößert sich die Gesamtoberfläche des Gesamtvolumens. Nachweis zB hier:



          www.chemieunterric...alyse/k-wuerfl.htm

          • @Lalon Sander:

            s.o.

            • @Rainer B.:

              Diese Betrachtungsweise hat sich so eingebürgert, ist aber tendenziell arg irreführend.



              Plastikflaschen werden aus makromolekularer Verkettung gebildet, in der Produktion unter Verwendung von mehr oder weniger feinem Kunstoffgranulat.



              Die Oberfläche einer Plastikflasche wird beim Zerfall also tatsächlich keineswegs größer, sondern vielmehr nähert sich die Plastikflasche nur der Oberfläche seiner Grundstruktur wieder an.



              Das Problem liegt folglich gar nicht im Zerfall der Plastikflasche, sondern beginnt schon sehr viel früher in der Produktion von Kunststoff überhaupt.

              Ich kenne allerdings niemanden, der freiwillig bereit und in der Lage wäre, auf die Herstellung und Verwendung von Kunststoff zu verzichten.

              • @Rainer B.:

                Wieso denn irreführend? Das ist schon richtig so.

                Das Plaste aus der dunklen Ölsuppe im Boden gewonnen wird ist wohl bekannt. Bliebe es da würde es auch erst mal keinen Schaden anrichten. Alternativ könnte man unseren Plastikmüll auch dorthin wieder hineinstecken und es wäre erst mal Ruhe.

                Im Artikel geht es doch nur darum wenn es schon mal auf der Erdoberfläche liegt und vor sich hinoxidiert was dann passiert. Und wenn nun ein Plastikwürfel, Flasche oder was auch immer aus Plaste zerkleinert wird, beschleunigt sich der Austritt von Methan.

                Und hierbei ist eben die Oberfläche entscheidend und diese vergrößert sich eben doch je kleiner das Objekt zerlegt wird.



                Selbst dein angesprochenes Kunststoffgranulat bekommt zu Pulver gemahlen plötzlich die Fläche eines Fussballfeldes. Zusammengeschmolzen als Flasche aber nur ein paar cm2.

                • @maerz001:

                  Die Darstellung ist schlicht deshalb irreführend, weil sie falsche Schlüsse nahelegt. Kunststoff liegt eben nicht einfach 'schon mal auf der Erdoberfläche' rum. Das ist menschengemachter Sondermüll. Die vielfach praktizierte Zerkleinerung von Plastik zum Zwecke der Lagerung und ggf. späteren Wiederverwertung erscheint unter dem Aspekt des Methanschwitzens



                  sogar wenig sinnvoll bis hochgefährlich.







                  Polymere werden und müssen übrigens keineswegs unbedingt aus Öl hergestellt werden, Zellulose eignet sich beispielsweise ebenso gut dazu. Polymere können aus Naturstoffen gewonnen oder rein synthetisch sein - am beschriebenen Effekt des Methanschwitzens ändert das alles nichts und die Vorstellung, man könnte allen Plastikmüll mal eben zusammenfegen und irgendwo verbuddeln zeugt von erstaunlicher Naivität.

                  Die geringste Oberfläche hat immer nur der Kunststoff, der gar nicht erst hergestellt wird und die größtmögliche Oberfläche an Mikroplastik ist nunmal in jeder Plastikflasche bereits herstellungsmäßig angelegt.

  • Wichtig und auf drängende Probleme hinweisend, sowohl Artikel als auch Studie.



    Was mir leider schmerzhaft aufstößt, ist das Fehlen von Genauigkeit. Nichtmal versuchsweise ist hier ein ein bisschen weitergehende Information verpackt.



    "Messbare Mengen" sind in der heutigen Zeit schon wenige ppb (oder µg/m³). Wie soll ich mir als Leser ein Bild der Schwere machen, wenn ich nicht einmal die Dimension einschätzen kann?

    • @TH76:

      Hallo TH76, das ist ebenen leider die Crux, die Balance zwischen Genauigkeit, Verständlichkeit iund verfügbarer Zeit für den Artikel. Sicher hätte an einigen Stellen ein wenig mehr Genauigkeit gut getan, zum Beispiel die die Frage größere Oberfläche als der ursprüngliche Gegenstand aus Kunststoff. Oder nachvollziehbare Mengenangaben bzw. Vergleiche wieviel Methan emittiert wird. Aber Debatten um ppb können leicht ausufern, den Artikel schwer verdaulich bzw zu lang werden lassen. Dafür ist der nette Link zur Studie recht nützlich,LG