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Überbelegte FrauenhäuserHelfen würde ein Recht auf Hilfe

Frauenverbände und Niedersachsens Sozialministerin fordern ein Recht auf einen Frauenhausplatz. Aber wie kann das gewährleistet werden und wer zahlt?

Finden in Niedersachsen oft keinen Platz im Frauenhaus: Frauen in Notlage Foto: dpa

HAMBURG taz | Die 41 Frauenhäuser in Niedersachsen müssen regelmäßig Frauen abweisen, denn trotz Notlage gibt es nicht genug Plätze. Sozialministerin Carola Reimann (SPD) hat Anfang März darum den Rechtsanspruch auf einen Frauenhausplatz gefordert. „Perspektivisch wünsche ich mir die Weiterentwicklung des Systems der Frauenhausfinanzierung hin zu einem individuellen Rechtsanspruch, der von Gewalt Betroffenen und ihrer Kinder auf den Schutz, die Hilfe und die Unterstützung, die sie in der konkreten Situation brauchen“, sagt sie nun.

Die Forderung ist nicht neu. Aber um sie zu realisieren, müssen genug Frauenhausplätze vorhanden sein und dauerhaft finanziert werden. Aus dem Sozialministerium heißt es, die Frage, ob ein Rechtsanspruch bedeutet, dass es mehr Frauenhäuser und Frauenhausplätze geben muss, lasse sich nicht pauschal beantworten.

Ein Modellprojekt des Bundes, an dem Niedersachsen teilnimmt, soll den Bedarf genau analysieren. „Wenn die Ergebnisse vorliegen, wird geprüft werden, welche weiteren Schritte sich hieraus ergeben. Eine kommunale Unterstützung wird hierbei wichtig sein“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Eine rechtliche Verortung sei etwa im Sozialgesetzbuch mit einem eigenen Kapitel denkbar.

Der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbüros Niedersachsen (Lag) geht die Forderung Reimanns nicht weit genug. Sie fordert die Ministerin auf, ein Landesaktionsprogramm zu starten. Das soll auf Landesebene koordiniert werden und neben der Bedarfsanalyse „Schritte für die praktische Umsetzung des Schutzes von Frauen und Mädchen“ formulieren. Außerdem würden Mittel für mehr Frauenhausplätze und mehr Personal benötigt sowie Kampagnen, Öffentlichkeitsarbeit und Täterberatungsstellen.

„Wir haben eine ganz fatale Situation in den Frauenhäusern, auch in Stade“, sagt Anne Behrends. Sie ist Gleichstellungsbeauftragte im Kreis Stade und betont, dass viel mehr passieren müsse, um Frauen zu stärken. Im Kreis Stade habe es in den letzten Jahren zwei Todesfälle als Folge häuslicher Gewalt gegeben. „Wenn Frauen Gewalt erleben, sind sie ganz unten“, sagt Behrends. Das Thema „häusliche Gewalt“ werde in Öffentlichkeit und Medien jedoch häufig verharmlost.

2017 wurden in Niedersachsen 892 Frauen abgewiesen

Allein in Niedersachsen mussten die Frauenhäuser im vergangenen Jahr dem Landessozialamt zufolge 892 Frauen abweisen, da kein Platz für sie war. Die Zahl der Frauen, die Gewalt erleben, ist erschreckend. „Die Dunkelziffer ist immer noch hoch“, sagt Behrends. Im Frauenhaus Stade sei die Situation aktuell besonders schwierig. „Unser Frauenhaus ist das ganze Jahr voll“, sagt Behrends.

Früher habe es etwa um die Weihnachtstage Stoßzeiten gegeben, aber auch andere Zeiten, in denen es entspannter war. „Jetzt müssen wir Frauen in anderen Häusern unterbringen oder sogar abweisen.“

Dass auch zahlreiche Geflüchtete in die Frauenhäuser kommen, sei ein Faktor, der zu der Überbelegung führe. „Geflüchtete Frauen sind in noch viel größerer Gefahr und oft in einer prekären Situation“, sagt Behrends. Und auch das stärkere Bewusstsein für Diskriminierung und Gewalt in der Öffentlichkeit führe dazu, dass Frauen eher Schritte ergreifen und sich wehren als früher.

Hoffnung auf die Istanbul-Konvention

Ein wichtiger Hintergrund für die Debatte um das Recht auf einen Frauenhausplatz ist die Istanbul-Konvention, die im Februar in Kraft getreten ist. Das internationale Abkommen, das 28 Staaten ratifiziert hatten, verpflichtet diese zu zahlreichen Maßnahmen, um Betroffene vor Gewalt zu schützen und Täter strafrechtlich zu verfolgen. Damit gibt es für den europäischen Raum erstmals ein völkerrechtlich bindendes Instrument gegen Gewalt an Frauen. „Die Konvention ist wieder ein ganz großer Schritt gegen Diskriminierung“, sagt Behrends von der Lag.

Grundsätzlich sind die Kommunen dafür zuständig, Frauen vor Gewalt zu schützen. Die Frauenhäuser und Gewaltberatungsstellen können Gelder beim Land beantragen. Die Mittel, mit denen das Land Niedersachsen Frauenunterstützungseinrichtungen fördert, betragen jährlich 8,65 Millionen Euro. Die geförderten Frauenhausplätze hat das Land im vergangenen Jahr von 352 auf 370 erhöht. Wer die Sicherstellung eines Frauenhausplatzes finanzieren soll, ist trotzdem unklar. Die Lag fordert, dass auch der Bund Mittel bereitstelle.

„Niedersachsen verfügt über ein gut ausgebautes System von unterstützenden Einrichtungen“, sagt Sozialministerin Reimann. Dem Land sei der Schutz von Frauen vor Gewalt so wichtig, dass es die Angebote fördere. Aber auf die Frage nach einer Finanzierung eines Rechtsanspruches heißt es auch: „Diese Frage kann von Niedersachsen allein nicht beantwortet werden.“ Daher sei es zu begrüßen, dass der Koalitionsvertrag auf Bundesebene vorsieht, alle Handelnden an einen runden Tisch zu holen.

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4 Kommentare

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  • Zitat: „Wenn Frauen Gewalt erleben, sind sie ganz unten“.

     

    Stimmt, wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

     

    Die Stellung ganz unten in der Hierarchie spiegelt sich jedenfalls statistisch wieder. Auch in den Landeshaushalten. Die Personalausgaben des Ministeriums für Soziales des Landes Niedersachsen belaufen sich in 2018 auf beachtliche 26.101.000 Euro. Für Frauen und ihre Belange gibt das Land alles in allem 24.254.000 Euro aus. Für die Kriegsopferfürsorge nach BVG macht es 74 Jahre nach Kriegsende immer noch rund 4 Millionen Euro mehr locker.

     

    Wohin genau das Gros der „Zuweisungen und Zuschüsse“ geht, das unter der Überschrift „Frauen“ erfasst ist, kann nicht recht nachvollziehen. Erkennbar wird aber, dass 220.000 € davon an „Einrichtungen für die Täterarbeit“ gehen. „Mädchenhausinitiativen“ erhalten grade mal 5.000 € mehr. An Betreuungseinrichtungen für vom Frauenhandel Betroffene zahlt Niedersachsen 355.000 € und für die Förderung der anonymen Beweissicherung gibt es 270.000 € aus. Der Runde Tisch Prostitution muss mit lausigen 5.000 € auskommen. Von Frauenhäusern ist im Haushaltsplan keine Rede.

     

    Und nun mal der Vergleich: Unter der Überschrift: „Allgemeine Bewilligungen im Bereich Wirtschaft“ wurden vom Landesparlament Ausgaben in Höhe von 105.638.000 Euro beschlossen. Die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr darf sogar 357.355.000 Euro ausgeben.

     

    Mag sein, dass dem Land der Schutz von Frauen vor Gewalt wichtig ist. Wichtiger aber ist ihm offenbar die Förderung derer, die selbständig sind, besonders clever, stark und/oder schnell. Dass sich im Rahmen eines Runden Tisches daran was ändert, glaube ich nicht. Immerhin: Niedersachsen steht nicht alleine da mit seinem ungerechten Haushaltsplan, wenn erst mal alle miteinander tagen. Und Zeit ist Geld. Je länger also nur geredet wird, um so stärker werden die Stärksten der Starken werden.

    • @mowgli:

      Wirtschaftsforderung soll zukünftige Einkommen sichern und fördern. Bau ... naja erklärt sich von selbst.

       

      Vielleicht werden von den Fördergeldern Gewinne (böse) gezahlt, ohne die eine Marktwirtschaft nun mal nicht funktioniert. Ohne Unternehmertum und nur Sozialstaat hätten wir eine DDR2. Die funktioniert genau einen 5-Jahr-Plan lang.

  • Ein Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenhaus, würde bedeuten, dass 50% der Bevölkerung gesetzlichen Anspruch (!) auf eine versteckte Unterkunft und Betreuung hätten. Wer wird das bezahlen?

  • Vielleicht sollten wir mal die deutsche Wirtschaft fragen. Die hat doch auch Milliarden um im werbefinanzierten Doof-TV den letzen Scheiß zu finanzieren. Zum Beispiel kann sie der fleischgewordenen Barbie Sophia Wollersheim ein Forum für ihre (krankhafte?) Oberflächlichkeit ermöglichen und damit Einnahmen für ein sorgenfreies Leben. Da müssen doch auch ein paar Cent für Frauenhäuser drin sein.