Überbelegte Frauenhäuser: Helfen würde ein Recht auf Hilfe
Frauenverbände und Niedersachsens Sozialministerin fordern ein Recht auf einen Frauenhausplatz. Aber wie kann das gewährleistet werden und wer zahlt?
Die Forderung ist nicht neu. Aber um sie zu realisieren, müssen genug Frauenhausplätze vorhanden sein und dauerhaft finanziert werden. Aus dem Sozialministerium heißt es, die Frage, ob ein Rechtsanspruch bedeutet, dass es mehr Frauenhäuser und Frauenhausplätze geben muss, lasse sich nicht pauschal beantworten.
Ein Modellprojekt des Bundes, an dem Niedersachsen teilnimmt, soll den Bedarf genau analysieren. „Wenn die Ergebnisse vorliegen, wird geprüft werden, welche weiteren Schritte sich hieraus ergeben. Eine kommunale Unterstützung wird hierbei wichtig sein“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Eine rechtliche Verortung sei etwa im Sozialgesetzbuch mit einem eigenen Kapitel denkbar.
Der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbüros Niedersachsen (Lag) geht die Forderung Reimanns nicht weit genug. Sie fordert die Ministerin auf, ein Landesaktionsprogramm zu starten. Das soll auf Landesebene koordiniert werden und neben der Bedarfsanalyse „Schritte für die praktische Umsetzung des Schutzes von Frauen und Mädchen“ formulieren. Außerdem würden Mittel für mehr Frauenhausplätze und mehr Personal benötigt sowie Kampagnen, Öffentlichkeitsarbeit und Täterberatungsstellen.
„Wir haben eine ganz fatale Situation in den Frauenhäusern, auch in Stade“, sagt Anne Behrends. Sie ist Gleichstellungsbeauftragte im Kreis Stade und betont, dass viel mehr passieren müsse, um Frauen zu stärken. Im Kreis Stade habe es in den letzten Jahren zwei Todesfälle als Folge häuslicher Gewalt gegeben. „Wenn Frauen Gewalt erleben, sind sie ganz unten“, sagt Behrends. Das Thema „häusliche Gewalt“ werde in Öffentlichkeit und Medien jedoch häufig verharmlost.
2017 wurden in Niedersachsen 892 Frauen abgewiesen
Allein in Niedersachsen mussten die Frauenhäuser im vergangenen Jahr dem Landessozialamt zufolge 892 Frauen abweisen, da kein Platz für sie war. Die Zahl der Frauen, die Gewalt erleben, ist erschreckend. „Die Dunkelziffer ist immer noch hoch“, sagt Behrends. Im Frauenhaus Stade sei die Situation aktuell besonders schwierig. „Unser Frauenhaus ist das ganze Jahr voll“, sagt Behrends.
Früher habe es etwa um die Weihnachtstage Stoßzeiten gegeben, aber auch andere Zeiten, in denen es entspannter war. „Jetzt müssen wir Frauen in anderen Häusern unterbringen oder sogar abweisen.“
Dass auch zahlreiche Geflüchtete in die Frauenhäuser kommen, sei ein Faktor, der zu der Überbelegung führe. „Geflüchtete Frauen sind in noch viel größerer Gefahr und oft in einer prekären Situation“, sagt Behrends. Und auch das stärkere Bewusstsein für Diskriminierung und Gewalt in der Öffentlichkeit führe dazu, dass Frauen eher Schritte ergreifen und sich wehren als früher.
Hoffnung auf die Istanbul-Konvention
Ein wichtiger Hintergrund für die Debatte um das Recht auf einen Frauenhausplatz ist die Istanbul-Konvention, die im Februar in Kraft getreten ist. Das internationale Abkommen, das 28 Staaten ratifiziert hatten, verpflichtet diese zu zahlreichen Maßnahmen, um Betroffene vor Gewalt zu schützen und Täter strafrechtlich zu verfolgen. Damit gibt es für den europäischen Raum erstmals ein völkerrechtlich bindendes Instrument gegen Gewalt an Frauen. „Die Konvention ist wieder ein ganz großer Schritt gegen Diskriminierung“, sagt Behrends von der Lag.
Grundsätzlich sind die Kommunen dafür zuständig, Frauen vor Gewalt zu schützen. Die Frauenhäuser und Gewaltberatungsstellen können Gelder beim Land beantragen. Die Mittel, mit denen das Land Niedersachsen Frauenunterstützungseinrichtungen fördert, betragen jährlich 8,65 Millionen Euro. Die geförderten Frauenhausplätze hat das Land im vergangenen Jahr von 352 auf 370 erhöht. Wer die Sicherstellung eines Frauenhausplatzes finanzieren soll, ist trotzdem unklar. Die Lag fordert, dass auch der Bund Mittel bereitstelle.
„Niedersachsen verfügt über ein gut ausgebautes System von unterstützenden Einrichtungen“, sagt Sozialministerin Reimann. Dem Land sei der Schutz von Frauen vor Gewalt so wichtig, dass es die Angebote fördere. Aber auf die Frage nach einer Finanzierung eines Rechtsanspruches heißt es auch: „Diese Frage kann von Niedersachsen allein nicht beantwortet werden.“ Daher sei es zu begrüßen, dass der Koalitionsvertrag auf Bundesebene vorsieht, alle Handelnden an einen runden Tisch zu holen.
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