Kolumne Liebeserklärung: Kampf der Kackkulturen

In Köln wird ein Hockklo installiert und besorgte Bürger sehen das Abendland in Fäkalien versinken. Dabei sind deutsche Sitzklos scheiße.

Blumenduft für Hockklos Bild: Tom

Aufruhr in Köln: Dort wird das Bürger_innenzentrum renoviert und neben den Sitzklos soll es ab Ende 2018 auch ein Hockklo geben, insbesondere muslimische Gäst_innen soll das ansprechen. Eigentlich ein Grund zur Euphorie – doch von Wertschätzung kein Anzeichen.

Vielmehr ärgern sich Kölner_innen über die vermeintliche Islamisierung ihrer Toiletten. welt.de verstärkt den Unmut gerne durch eine Einordnung der Klos als „in islamischem Kulturkreisen üblich“, jaja, diese Kulturkreise mal wieder. Erst nehmen diese muslimischen Geflüchteten und Migrant_innen sich deutsche Smartphones, dann deutsche Frauen und jetzt auch noch die deutsche Art zu kacken.

Interessanterweise nennt man Hockklos gar nicht „muslimische Toiletten“, sondern französische. Und sie haben vor allem Vorteile. Erst mal spart es viel Zeit, auf ihnen das Geschäft zu verrichten. Erst mal hinsetzen, Mails beantworten und Instagram auschecken bietet sich im Hocken weniger an. Aber ganz ehrlich, Toiletten sind trostlose Orte, vollgepackt mit Bakterien, warum sollte man da unnötig viel Zeit verbringen wollen?

Öffentliche Toiletten sind nicht unbedingt Wohlfühloasen zum Chillen und Entspannen, sondern sollen eine Funktion erfüllen: eine Möglichkeit zum Entleeren der Blase und des Darms. Und dafür sind Hockklos ideal. In Hockstellung entspannt sich der Darm komplett, während er sich im Sitzen häufig verkrampft.

Es fühlt sich besser an

Vor zwei Jahren warb eine Klohocker-Firma mit einem animierten Einhorn, das regenbogenfarben und softeisförmig im Hocken seinen Stuhlgang verrichtete, für sein Produkt. Der Clip ging viral und löste Geständnisse aus: In meinem Umfeld gaben viele Leute zu, dass sie sich häufig einen Eimer, eine Kiste oder einen Karton vor das Klo setzen, um beim Kacken die Hockstellung zu imitieren. Diesen Tipp gibt es auch im Standardwerk für Darmangelegenheiten „Darm mit Charme“.

Doch es ist wie bei der Benutzung von Wasser anstelle von ausschließlich Klopapier, um sich nach dem Klogang zu reinigen: Jede_r Proktolog_in rät dazu und wer es schon mal ausprobiert hat, weiß, wie viel besser es sich anfühlt und wie viel mehr Sinn es ergibt. Aber weil unter anderem muslimische Personen von dieser Praxis Gebrauch machen, finden weiße Europäer_innen sie ganz schlimm, moralisch einfach verkehrt, nicht empfehlenswert, bitte nicht zuhause nachmachen.

Besonders als öffentliche Toilette eignet sich das Hockklo ideal. Die Aufregung darum kommt aus einem Ort des Selbsthasses und der Sturheit. Denn: Sorry, aber wer setzt sich in öffentlichen WCs denn bitte auf die Klobrille? Die Kritik am Hockklo kommt in dem Fall ja nicht von Menschen mit Behinderungen, die auf das Sitzen angewiesen sind, sondern von rassistischen Leuten, die denken, saubere Hintern und ein smoothes Kacken würde sie zum Islam konvertieren lassen.

Technisch gesehen ist das Hockklo die Zukunft, nicht die Plumpsklo-Vergangenheit, wie viele vermuten. Sie sparen Wasser, bei ihnen werden die Fäkalien nicht ins Abwasser gespült und ihr Sammeltank ist viel größer. Auf jedem Level ein Gewinn.

Man stelle sich vor, Deutsche würden ihre Arroganz mal beiseite stellen. Dem Hocken und dem Wasser mal eine Chance geben. Denn von Muslim_innen lernen heißt auch, richtig aufs Klo gehen zu lernen. Es würde die deutsche Kackkultur revolutionieren.

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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