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Vorkaufsrecht in KreuzbergLuxemburg geht leer aus

Erneut schlägt der Bezirk zu und schnappt einem Spekulanten ein Haus weg. Finanziell gingen dabei alle an die Schmerzgrenze – auch die Mieter.

Keine Angst vor spekulativem Ausverkauf: Schloss Colmar-Berg – Sitz des Großherzogs von Luxemburg Foto: dpa

Berlin taz | Ein „historisches Wahrzeichen“ in Berlin-Kreuzberg im „Herzen der derzeitigen kulturellen Renaissance der Stadt“ – so ist ein Wohnhaus in der Zossener Straße 18 auf der Website der Immobilienfirma Knightsbridge Properties mit Sitz in New York beschrieben. Behalten wollten die US-Amerikaner das im Jahr 1900 errichtete Gebäude dennoch nicht – und verkauften es im Juni für 4,4 Millionen Euro an eine luxemburgische Briefkastenfirma.

Doch das – einzig für die Mieterschaft risikoreiche – Geschäft ist geplatzt. Erneut hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sein Vorkaufsrecht im Milieuschutzgebiet geltend gemacht; die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) wird das Haus erwerben. Das hat deren Aufsichtsrat am Montag beschlossen. Den Mietern der 17 Wohnungen und drei Gewerbeeinheiten drohen mit dem neuen Eigentümer weder Luxussanierungen noch die Umwandlung in Eigentumswohnungen. Ihre Miete kann maximal um zwei Prozent jährlich erhöht werden.

Dabei schien die Rettung des Hauses vor den Spekulanten aufgrund des hohes Kaufpreises unwahrscheinlich. Sowohl die WBM als auch Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hatten schon abgesagt. Deshalb spricht Mieterin Nina West, die an den Verhandlungen beteiligt war, von einer „Sensation“, und auch für Baustadtrat Florian Schmidt ist es ein Erfolg im Sinne der von ihm propagierten Parole „Wir kaufen uns die Stadt zurück“. Schmidt hatte vergangene Woche in einem Brief an Kollatz-Ahnen argumentiert, warum der Kauf des Hauses doch finanziell darstellbar sei.

Demnach ist durch die Bereitschaft der Mieter, „leichte, sozialverträgliche Mieterhöhungen“ in Kauf zu nehmen, der Genehmigung des Dachgeschossausbaus und einer geplanten Neubelegung freier Wohnungen durch soziale Trägerwohnungen, der Nettokaltmietenfaktor von 28 auf 26,5 Jahre gedrückt worden. Das ist die Dauer, nach der sich der Kaufpreis mit den aktuellen Mieten amortisiert. Ohne Spekulationsaufschlag liegt dieser Wert normalerweise unter 20. Noch vor zehn Jahren übernahm der dänische Immobilieninvestor Taekker das Haus von einer Erbengemeinschaft für 1,5 Millionen Euro. Der aktuelle Preis ist dreimal so hoch.

Wie zuletzt bei einem Haus in der Falckensteinstraße 33, das derselben luxemburgischen Firma weggeschnappt wurde, hatte der Bezirk die Mieter direkt angeschrieben und zu einem Vernetzungstreffen eingeladen. Die Mieter um West, die momentan zwischen drei und zwölf Euro je Quadratmeter zahlen, verständigten sich danach auf das freiwillige Angebot einer Erhöhung ihrer Mieten. Das Haus ist das fünfte, für das der Bezirk das Vorkaufsrecht zieht. Die stets kritische Initiative Bizim Kiez schrieb am Dienstag: „So können wir weitermachen Florian Schmidt!“

Der taz sagte Schmidt, dass auf jede Wohnung, die durch das Vorkaufsrecht zurück in öffentliches Eigentum überführt wird bzw. die von der Mieterschaft übernommen wird, zwei bis drei weitere Wohnungen kommen, in denen Käufer den Vorkauf des Bezirkes abwenden, indem sie sich den Zielen des sozialen Wohnungsmarktes verpflichten. Zusammen mit dem Zentrum Kreuzberg seien in diesem Jahr bereits über 500 Wohnungen und mehr als 100 Gewerbeeinheiten gesichert worden.

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2 Kommentare

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  • 2G
    2830 (Profil gelöscht)

    Viel Schultergeklopfe, Posing, Namedropping und Nano-Ergebnisse. Da freut sich der Gerechte etwas weggeschnappt zu haben. Derweil gab es gestern Sektempfang und Häppchen im Orania. Moni gab sich die Ehre.

    Wenn hier die synenergetische Pauschal zum Vorkaufsrecht eines Herrn Schmidt (Häuserkämpfer mit dem bezirkspolitischen Schwert) gilt, dürfte das Hotel zwei bis drei weitere Standortveränderungen herbeiführen. Ob zum Bösen oder Guten werden die Medien zu berichten wissen.

  • Solange der Erwerb der Wohnungen weder unmittelbar noch mittelbar ohne Steuergelder aus Eigenmitteln der Wohnungsgenossenschaften funktioniert, ist das Vorgehen meines Erachtens nicht zu beanstanden.

     

    Es entstehen zukünftig zwei Schichten: Mieter mit Verträgen in Wohnungsbaugesellschaften und Mieter privater Vermieter. Da keiner der Mieter eine solche Wohnung freiwillig aufgeben wird, wird es nur zu einer geringen Neuvermietung kommen. Der Effekt auf den Mietspiegel ist also voraussichtlich sehr gering.