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Antizionisten gegen Berliner FestivalDer Boykott und was jetzt folgen muss

Die Gleichsetzung von Israelischer Kulturförderung mit der NPD, schlecht informierte Künstler – Bei der Kampagne BDS liegt einiges im Argen.

Ein junger Hamas-Rekrut in der Ausbildung zum Israelkritiker

Kommende Woche hätten vier arabische KünstlerInnen beim Festival Pop-Kultur in Berlin auftreten sollen. Ihre am Mittwoch publik gemachte Absage begründeten sie damit, dass die israelische Botschaft als Partner des Festivals fungiert – deren Logo ist, so wie die aller Medienpartner, auf der „Pop-Kultur“-Website abgebildet. Am Freitag hat sich auch das britische Duo Iklan featuring Law Holt diesem Boykott angeschlossen.

Eigentlich hätten die KünstlerInnen in Berlin in Konzerten und auf Podien Dialog und Ideenaustausch mit den israelischen KünstlerInnen und allen anderen suchen können. Bedauerlich, dass dies nicht zustande kommt. Andererseits, je mehr Details ans Licht kommen, desto klarer wird: Niemand braucht solche KünstlerInnen auf einem Festival.

Die Begründung von Iklan und Law Holt für ihre Absage ist haarsträubend: „Wir behaupten nicht, dass wir uns mit dem ­Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern auskennen, aber wir glauben, dass die Kampagne BDS eine friedliche Lösung dieses Konflikts anstrebt“, schreiben sie auf Facebook.

Damit wird endgültig klar, dass die international agierende Anti-Israel-Kampagne BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) für das Chaos gesorgt hat; sie schickte zuvor einen Boykottaufruf an alle auf dem Festival auftretenden KünstlerInnen. Das erklären auch die Veranstalter von „Pop-Kultur“: BDS behaupte, das Festival sei „co-organisiert“ oder „co-finanziert“ vom Staat Israel. Richtig ist: Die israelische Botschaft hat der Künstlerin Riff Cohen einen Reisekostenzuschuss in Höhe von 500 Euro gewährt.

Frank Abraham, der deutsche Manager der ägyptischen Band Islam Chipsy & EEK, teilte der taz in einer Mail mit: Sie haben ihre Teilnahme abgesagt, weil die Band „95 Prozent ihrer Einnahmen in Kairo“ erziele und sie dadurch „massivem Druck durch die einheimischen Medien und über soziale Netzwerke ausgesetzt“ sei. Wären sie nach Berlin gereist, wäre „ihre Karriere in Ägypten und anderen Ländern der Region wahrscheinlich bis auf weiteres erledigt“. So weit noch einigermaßen nachvollziehbar. Dann holt Abraham zu einem hanebüchenen Vergleich aus. „Vielleicht ist es hilfreich sich vorzustellen, dass statt dem Logo der israelischen Botschaft das der NPD auf der Pop-Kultur Website geprangt hätte. Niemand hätte einen Boykott von Künstlern infrage gestellt.“

Ich war ursprünglich als Moderator eines Panels mit Islam Chipsy & EEK vorgesehen. Dass es ausfällt, ist zu verschmerzen. Angesichts der Tragweite der Boykottkampagne ist nun aber das Festival gefordert, in einem Panel gegen jede Form von Einflussnahme, Hass und Unkenntnis Stellung zu beziehen. Mit dem Versuch von BDS, das Programm von „Pop-Kultur“ zu verhindern, stellen sich nämlich dringliche Fragen: Wie müssen Veranstalter mit Kampa­gnen wie diesen umgehen? Wie verhindert man, dass sie mediale Deutungshoheit kapern? Und: wer überzeugt KünstlerInnen von der besonderen Verantwortung der Bundesrepublik gegenüber Israel?

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17 Kommentare

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  • Das Bild ist deplatziert. Was hat ein angeblicher "Hamas Rekrut" mit der Ablehnung eines Festivals durch BDS zu tun? Wollte der da auftreten? Sind alle BDS-ler*innen bei der Hamas ? Oder für die Hamas? Zweifeln sie alle am Existenzrecht Israels? Kommt Leute, solche Polemik habt ihr doch als TAZ nicht nötig, das hat ja schon AfD Niveau. Man mag BDS kritisieren, aber mit Fakten!

  • BDS zielt darauf ab, alle Juden, die sich in irgendeiner Weise mit dem Staat Israel identifizieren, vom Rest der Welt zu isolieren. Zum Glück setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass diese Intention zutiefst antisemitisch ist. Siehe z. B. hier: http://taz.de/Vorwuerfe-an-BDS-Bewegung/!5442388/

     

    Dass diese Intention hier in so vielen Kommentaren unterstützt wird, ist schon etwas beängstigend.

  • Es ist erbärmlich mit anzusehen wie die Israel-Lobby krampfhaft versucht Israel als ewiges Opfer mit Sonderrechten zu stilisieren um das tagtägliche und tausendfache Unrecht in Israel an den Palästinensern zu verschleiern.

    Das geht soweit, dass selbst die Freiheit der Kunst und der Gedanken vor der Israel-Lobby zurücktreten sollen. So fordert Charlotte Knobloch in ihrem Facebook am 18.08.2017, dass die Ausstellung auf der documenta unter dem Motto „Auschwitz on the Beach“ das das Flüchtlingselend am Mittelmeer zeigen soll, nicht stattfinden darf.

    Wo sind wir den eigentlich? Ist es bereits soweit, dass eine kleine Gruppe in unserem Land selbst über die Grundrechte der Bundesbürger zu entscheiden hat?

    Israel auf die internationale Sanktionsliste zu setzen (ähnlich wie Nordkorea), wegen der fortlaufenden völkerrechtswidrigen Besatzung ist richtig und wichtig. Erst recht für die Glaubwürdigkeit der der westlichen US-Europäischen Wertegemeinschaft. Es kann ja nicht angehen, dass wir mit erhobenen Zeigefinger Putin, Erdogan, China und viele mehr zur Einhaltung der Menschenrechte ermahnen und selbst in unseren Reihen einen Schurkenstaat führen, dem Völkerrecht und Menschenrechte so ziemlich egal sind.

  • #BDS tritt gegen Apartheid u Rassismus in Israel auf.

    Jüdische Israelis unterdrücken >5Mio Nichtjuden militärisch und schufen einen 3-Klassenstaat.

    Daher treten Desmond Tutu, viele jüd. Organisationen (jStreet, IJAN, JVP, ..) gegen diese Apartheid auf.

    Dass BDS oft falsch dargestellt wird, läßt sich durch einen Blick auf deren Webseiten korrigieren: http://www.bdssouthafrica.com/

    Gegen Apartheid, Faschismus, Rassismus einzutreten finde auch ich o.k.

  • was ich mich frag: wieviele der künstler*innen, die ihre teilnahme absagten, dürften wohl so ohne weiteres in Israel auftreten? womöglich gar in den 'gebieten'?

    • @christine rölke-sommer:

      Welche*r der Künstler*innen will denn in Israel auftreten????

  • ich kann diesen Quatsch nicht ertragen!

    Es kann nicht angehen, dass KünstlerInnen dafür büßen müssen, was nationalistische Kräfte verbocken.

     

    ich hoffe, dass diese BDS-Kampagne nicht noch mehr Schaden anrichtet. britische Musiker/innen schließen sich dem an.

     

    Zu Syrien gibt es wichtige Veranstaltungen, Begegnungen. In meiner Stadt gab es gerade eine Woche mit MusikerInnen, Malerei, zwei Filmen - über das Folter- und Mordsgefängnis Tadmor; - über den syrischen Aufklärer und Anwalt der von Willkür Betroffenen al-Kawakibi zur Zeit des Osmanischen Reichs; und MusikerInnen und Flüchtlinge, die mit deutschen und afghanischen zusammen auftraten.

     

    Also ein Plural innerhalb der eigenen Kultur und darüber hinaus.

     

    Palästinenser - Israel: zwei konkurrierende Nationalismen und Netanyahu hat gerade vor kurzem V Orban in Ungarn besucht! beschissen!

     

    Aber genau dagegen richtet sich ja die Arbeit vieler KünstlerInnen:

    Gemeinsame Auftritte fördern und selbst organisieren.

    Ohad Naharin und die Batsheva Dance Company is here to come!

     

    Nationalismus ist auch gerade nach innen repressiv!

  • Die Bedingungen von Oppositionellen, Frauen und Homosexuellen in Saudi-Arabien sind haarsträubend. Da wäre es doch dann irgendwie an der Zeit mal saudisches Öl zu boykottieren, oder? Ja, und wie gehen die US Polizisten mit Schwarzen um, wieviel Kriege müssen wir den Vereinigten Staaten vorhalten? Da müssten wir doch eigentlich neunzig Prozent unserer Unterhaltungsindustrie boykottieren? Google, Apple, Facebook? Nein, auch kein YouTube mehr?

     

    Warum werden die nicht mit einer solchen Entrüstung boykottiert? Nicht so wichtig? Auf Benzin und das Internet wollen wir nicht verzichten, wa?

     

    BDS hat natürlich nix mit Antisemitismus zu tun, ja,ne is klar...

    • @anachronist:

      "Die Bedingungen von Oppositionellen, Frauen und Homosexuellen in Saudi-Arabien sind haarsträubend. "

      Nicht anders ist es ja in den anderen 51 muslimisch dominierten Ländern - mittlerweile inclusive Türkei und Malaysia.

      Hier geht es um ein - an und für sich unpolitisches - Festival in Berlin. Und da wäre nun mal gut und sachgerecht wenn sich Menschen auf Augenhöhe begegnen könnten und nicht die anderen als Untermenschen abqualifizieren.

       

      Der Boykott von saudischem und iranischen Öl (und natürlich von Google und Apple) ist mal ne Idee.

       

      Aber nicht für ein kleines Musikfestival.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Mir kommt das schon sehr naiv vor, kulturellen Dialog auf Augenhöhe vermitteln zu wollen und sich gleichzeitig mit nur einer der Mächte medial zu verpartnern (wegen 500 Euro).

     

    Diese Partnerschaft den Künstlern der so erst entstandenen "anderen Seite" erst gar nicht zu vermitteln, so dass sie von dritter Stelle darauf hingewiesen werden - wie soll das anders gewertet werden als als Geringschätzung? Ich habe Konzerte mit Bands von allen Kontinenten veranstaltet und ich würde es noch nicht einmal bei den israelischen Punkbands wagen, ohne ihr Wissen ihre Botschaft als Partner fungieren zu lassen.

     

    Bei einer Kommunikation auf Augenhöhe würde man auch als Veranstalter um das enorme ökonomische Risiko wissen, dass es für diese Künstler gibt, wenn sie unter dem Banner des Staates Israels auftreten. Zumal nicht gleichzeitig auch eine arabische / muslimische Organisation als Partner fungiert.

    Die arabischen Künstler haben viel mehr zu verlieren als nur 500 Euro Fahrtgeld. Dieses Risiko kompensiert auch kein Verständnis für die besondere Geschichte Deutschlands. Den ökonomischen Selbstmord von ihnen zu verlangen, ist zumindest zynisch und man kann sich auch fragen, ob es nicht auch rassistisch ist.

     

    Es läßt sich nicht miteinander vereinbaren, einerseits einen neutralen Boden schaffen zu wollen, andererseits aber dem Feld eine gewisse Neigung zu verleihen.

     

    Der Einwand, dass es den arabischen Künstlern nur um die israelische Botschaft geht, nicht aber um die EU oder die BRD, wirft zwar ein Licht auf des Problem, aber im Schlagschatten dieses Arguments geht unter, dass diese Institutionen immerhin noch dieses neutrale Feld der Begegnung glaubhaft aufrechterhalten können.

    Der Staat Israel hat diese Fähigkeit offensichtlich eingebüßt. Um die Augenhöhe herzustellen, braucht es auch eine Repräsentation der Anderen.

     

    In der taz liest sich oft der Vorwurf, "integrierte Ausländer" würden in Deutschland gern vorgezeigt. Wird jetzt nicht auch der "Vorzeigearaber" erwartet?

  • Israels Politik kann man durchaus kritisieren.

     

    Der Siedlungsbau, das Rechtssystem, das arabische Israelis systemathisch benachteiligt oder auch das Klima der Intoleranz, welches Teile der israelischen Regierung verbreiten.

     

    Aber Fakt ist, dass Israel die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten ist.

     

    In Israel gelten Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit. Wie viele seiner Nachbarstaaten weisen diese Eigenschaften auf?

     

    Wer den Zionismus pauschal ablehnt oder die Hamas zu Freiheitskämpfer stilisiert, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, antisemitisch zu sein.

    • @Markus Steffen:

      "Aber Fakt ist, dass Israel die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten ist."

      Wenn man den Nahen Osten gleichsetzt mit dem Gesamtgebiet, in dem die Aufteilung in koloniale Machtsphären mit dem Sykes-Picot-Abkommen einen wesentlichen Grundpfeiler für ein Jahrhundert Unfrieden darstellt, dann darf ich diese Aussage ergänzen:

      Das Gesellschaftsmodell, das in Rojava trotz Feindbeschuß von allen Seiten funktioniert, wäre die zweite Demokratie im Nahen Osten, und ich wünsche gerade diesem Modell, gern auch "Libertärer Kommunalismus" genannt, von ganzem Herzen nachhaltiges Gelingen.

    • @Markus Steffen:

      Wir müssen den pol. Zionismus pauschal ablehnen, weil er Nichtjuden diskriminiert (Apartheid) und über 5 Mio Nichtjuden militärisch unterdrückt.

      .

      Nie wieder Faschismus, nie wieder Rassismus!

      .

      (Daß Israel täglich Art.3 Grundgesetz verletzt, gehört imo von Demokraten schon boykottiert.)

  • Die angebliche "besondere Verantwortung der BRD gegenüber Israel" empfinden immer weniger Menschen.

    Dem sollte man Rechnung tragen. Wir haben eben nicht mehr 1965.

  • Sie haben ihre Teilnahme abgesagt, weil die Band „95 Prozent ihrer Einnahmen in Kairo“ erziele und sie dadurch „massivem Druck durch die einheimischen Medien und über soziale Netzwerke ausgesetzt“ sei. Wären sie nach Berlin gereist, wäre „ihre Karriere in Ägypten und anderen Ländern der Region wahrscheinlich bis auf weiteres erledigt“. So weit noch einigermaßen nachvollziehbar.

     

    Was ist daran nachvollziehbar? Gibt das nicht zu denken? Läuft in der arabischen Welt nicht etwas schief, was auch klar so benannt werden sollte? Es gibt noch viel zu tun!

  • Die richtige Antwort ist ein klares Nein zu jeder Form von Rassismus und Xenophobie, und das beinhaltet auch ein klares Nein zu jeder Form des Antisemitismus, ganz egal, ob dieser nun von rechts, von links (BDS-Kampagne) oder von islamistischer Seite propagiert wird.

    • @yohak yohak:

      Genau.

      Und das gilt auch für Rassismus in Israel, wo in Tel Aviv 'death-to-arabs'-Demos (siehe youtube) von der Polizei unbehelligt stattfinden.

      .

      Auch in Israel gehört Apartheid & Rassismus verurteilt u bekämpft!

      jStreet, JVP, IJAN, codepink, BDS, .. machen das.