Nach Mord an sechs Mitarbeitern: Rotes Kreuz stoppt Afghanistanhilfe
Nach einem tödlichen Angriff auf Mitarbeiter des Roten Kreuzes hat die Organisation ihre Arbeit vorübergehend gestoppt. Zwei bleiben verschwunden.
„Unsere Priorität ist es, die beide Vermissten zu finden. Und dann müssen wir schauen, was dieser Angriff für uns bedeutet“, sagte Glass. Das Rote Kreuz sei seit 30 Jahren ununterbrochen im Land und wolle die Afghanen nicht allein lassen. „Aber Hilfe können wir nicht auf Kosten unserer Mitarbeiter leisten“.
Laut Glass würde die Arbeit in sieben orthopädischen Zentren aber fortgesetzt, wo Kriegsversehrte mit Prothesen versorgt werden. Aber alle anderen Aktivitäten, insbesondere die Verteilung von Lebensmitteln und Hilfsgütern sowie Krankentransporte, würden sofort gestoppt. „Das ist für uns einer der schwerwiegendsten Zwischenfälle, die es je gab.“
Am Mittwoch waren acht Rote-Kreuz-Mitarbeiter am frühen Nachmittag in drei Geländefahrzeugen außerhalb der Provinzhauptstadt Sheberghan unterwegs, um in der unter heftigem Schneefall leidenden Region Viehfutter an Bauern zu verteilen. In einem Dorf wurden sie dann von Unbekannten erschossen. „Dabei wurde nichts gestohlen“, sagte Glass. Über mögliche Motive und Täter könne das IKRK nichts sagen.
Taliban distanzierten sich
Bisher bekannte sich niemand zu der Tat. Der Polizeichef der Provinz an der Grenze zu Turkmenistan, Rahmatullah Turkistanie, vermutet Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hinter dem Anschlag. Denn in der Gegend seien IS-Kämpfer aktiv. Die Taliban distanzierten sich in einer Erklärung von dem Anschlag. Sie würden alles tun, um die Täter zu finden.
Nach Informationen des Afghanistan Analysts Network (AAN), einem unabhängigen Thinktank, herrscht ein usbekischer Kommandeur namens Qari Hekmat mit seiner regierungsfeindlichen Miliz in dem betroffenen Gebiet. Bei ihm handle es sich um einen Dissidenten der Taliban, der möglicherweise der radikalen Islamischen Bewegung Usbekistans nahestehe, die früher mit den Taliban verbündet war.
Afghanistan ist weltweit der viertgrößte Einsatz des Roten Kreuzes, das dort mit rund 2.000 Mitarbeitern aktiv ist. Erst im Januar hatte das IKRK vor den immer größer werdenden Risiken für seiner Mitarbeiter gewarnt.
Zuletzt war im Dezember ein spanischer Rotes-Kreuz-Mitarbeiter entführt worden, der von Masar-i-Scharif nach Kundus unterwegs war, als er von Bewaffneten gestoppt wurde. Drei einheimische Mitarbeiter waren dabei unbehelligt geblieben. Im Januar kam der Spanier frei, wobei die genauen Umstände unklar blieben. 2013 starb beim Angriff auf das IKRK-Büro in Dschalalabad ein Wächter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!