Kretschmann für Verbrennungsmotoren: Schlechtes Klima bei den Grünen
Baden-Württembergs Ministerpräsident will kein Ende von Diesel- und Benzin-Pkws im Jahr 2030. Er droht, die Harmonie auf dem Parteitag zu stören.
„Dass ein Ministerpräsident Schutzreflexe für eine wichtige Industrie in seinem Bundesland entwickelt, verstehe ich. Aber Kretschmann setzt das falsche Signal“, sagte dazu Oliver Krischer, grüner Fraktionsvize im Bundestag. Der Verbrennungsmotor habe in Deutschland auf absehbare Zeit keine Zukunft mehr. „Die Grünen müssen diese Tatsache deutlich benennen.“
Auch Annalena Baerbock, die Klimaschutzexpertin der Fraktion, zeigte sich „verwundert“. „Die Industrie pocht immer wieder darauf, dass sie klare Rahmenbedingungen und Planungssicherheit braucht.“ Sie sehe es als „zentrale Aufgabe“ der Grünen, das Pariser Klimaschutzabkommen in Deutschland umzusetzen. „Die Zielvorgabe, dass es ab 2030 nur noch emissionsfreie Antriebe bei Neuwagen gibt, ist dafür ein zentraler Baustein.“
Der Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek wirbt ebenfalls seit Monaten für den Termin 2030. „Ob wir das Ziel emissionsfreier Neuwagen ab diesem Zeitpunkt nun über Verbote oder zum Beispiel über Emissionsvorgaben erreichen, kann man diskutieren“, sagt er.
Ehrgeizige Klimaschutzziele
In Paris haben sich 2015 195 Staaten auf ehrgeizige Klimaschutzziele geeinigt. Die Industriestaaten dürften demnach bis 2050 keine Treibhausgase wie CO2 mehr produzieren. Um das zu erreichen, müsste der Verkehr in Deutschland aus Sicht der Grünen ab 2030 auf klimaneutrale Antriebe umgestellt werden.
Kretschmann schreckte seine Partei am Dienstag mit einer anderen Sicht auf. „Die Landesregierung hält von solchen konkreten Terminen nicht viel“, sagte er in der Landespressekonferenz in Stuttgart. Die Politik habe nur bedingt Einfluss darauf, ob so ein Termin eingehalten werden könne – und solle keine falschen Erwartungen wecken. „Wir können ja keinen Crash der Automobilindustrie provozieren.“ Noch liege der Anteil der elektrisch betriebenen Fahrzeuge unter einem Prozent. „Ob der Termin nun 2030 ist oder 2034, das kann doch niemand auch nur annähernd sagen.“
Baden-Württemberg ist ein wichtiger Standort der Automobilindustrie. Hier haben Daimler und Porsche ihre Firmensitze, aber auch viele Zuliefererbetriebe. Kretschmann ließ seinen Worten Taten vorangehen, indem er sich in der Länderkammer gegen allzu scharfe Vorgaben für die Industrie stemmte. Der Bundesrat befasste sich am 23. September mit einer Stellungnahme zur Strategie der EU-Kommission für eine emissionsarme Mobilität. Darin taucht in einem Nebensatz der umstrittene 2030-Termin ebenfalls auf – nicht in Verbindung mit einem Verbot für Diesel oder Benziner, sondern verknüpft mit der Idee, den Wandel mit Steuern oder Abgaben zu fördern.
Doch auch diese weiche Formulierung war Kretschmann offenbar zu hart. Baden-Württemberg stimmte an der Seite Bayerns gegen die Stellungnahme. Jene wurde trotzdem mehrheitlich angenommen, Niedersachsens Regierung, der das Wohl von VW am Herzen liegt, stimmte mit Ja.
Peinlicher Dissens
Für die Grünen ist der Dissens in dieser wichtigen Frage peinlich. Eigentlich will die Ökopartei beim Klimaschutz vor dem Bundestagswahljahr 2017 klare Kante zeigen. Auf dem Parteitag, der Mitte November in der Fahrradstadt Münster stattfindet, bringt der Bundesvorstand einen Antrag ein, in dem das Datum 2030 klar fixiert ist.
Zusätzlich sorgt ein prominenter Gast für Aufregung bei den Grünen: Der Bundesvorstand hat Daimler-Chef Dieter Zetsche nach Münster eingeladen, er soll über Verkehrspolitik referieren. Die Entscheidung stößt vielen im linken Flügel sauer auf. Zetsches Rede und Kretschmanns Einwurf haben nichts miteinander zu tun, doch das dürfte manchen empörten Basisgrünen nicht stören.
Grünen-Chefin Simone Peter müht sich deshalb bereits um Schadensbegrenzung. „Die Zukunft gehört abgasfreien Autos. Das sagt auch Winfried Kretschmann“, sagte sie. „Dass wir als Grüne den Übergang schneller schaffen wollen als die Landeskoalition in Baden-Württemberg, ist ganz normal.“
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