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Statistik zu rechter Gewalt in SachsenHausgemachter Rassismus

Eine Aufstellung des Innenministeriums zeigt: 90 Prozent der rund 2.000 Tatverdächtigen im Jahr 2015 kommen aus Sachsen. Einzelne Orte stechen aus der Statistik hervor.

Das Problem sind die Einheimischen: rechte Gewalttäter im August 2015 in Heidenau Foto: reuters

Dresden epd | Die in Sachsen im Jahr 2015 verübten rechtsextremistischen Übergriffe und Straftaten wurden überwiegend von Einheimischen begangen. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf die Anfrage des Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann (Grüne) hervor.

Von den seit 2015 insgesamt 2.046 ermittelten Tatverdächtigen kommen demnach 1.859 Personen aus Sachsen, sagte der innenpolitische Fraktionssprecher am Samstag in Dresden. Das seien mehr als 90 Prozent. „Wer anderes behauptet und von zugereisten rechten Gewalttätern spricht, hat nicht verstanden, wie es um die rechtsextremen Einstellungen im Freistaat bestellt ist.“

Lippmann verwies darauf, dass gerade in jenen sächsischen Orten, die zuletzt wegen rassistischer Krawalle und Übergriffe bundesweit traurige Bekanntheit erlangt hätten, auffällig viele Tatverdächtige wohnen. „Während im sachsenweiten Durchschnitt im ‚Phänomenbereich Rechts‘ 46 Tatverdächtige auf 100.000 Einwohner entfallen, liegen die Werte in manchen Teilen Sachsens deutlich, zum Teil bis zum fünffachen Wert darüber“, sagte er.

„So entfallen auf die Stadt Meißen 27 Tatverdächtige, was einem statistischen Vergleichswert von 98 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner entspricht“, erläuterte der Politiker. In Heidenau und Umfeld seien es 31 Tatverdächtige und damit umgerechnet 127 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner. Auch Orte wie Freital, Hoyerswerda und die Gemeinde Rechenberg-Bienenmühle, zu der Clausnitz gehört, stächen hervor.

„Dieses Lagebild legt den Schluss nahe, dass die Täter in aller Regel auch aus den Orten oder umliegenden Gemeinden stammen, in denen sich die Taten ereigneten“, sagte der Abgeordnete. „Offenbar fühlen sich die potenzielle Täter von einer starken, rassistischen Stimmung in diesen Orten angespornt und die Hemmschwelle zu den Taten wird gesenkt.“ Nötig seien mehr Stellen bei Polizei und Justiz sowie eine Stärkung der Sozialarbeit, forderte er auch mit Blick auf den Jahrestag der Ereignisse von Heidenau.

In Heidenau war es vor einem Jahr am 21. und 22. August zu schweren Ausschreitungen beim Protest gegen eine Flüchtlingsunterkunft in einem ehemaligen Baumarkt gekommen. Bei einer Demonstration kurz vor dem Einzug der ersten Flüchtlinge wurden 31 Polizisten verletzt, es flogen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper. Die Ausschreitungen hatten bundesweit für Entsetzen gesorgt. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besuchten wenige Tage später die Unterkunft.

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17 Kommentare

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  • Als ich anläßlich der Affäre um den evangelikalen CDU-Politiker Blechschmidt in Plauen meinen zweiten Fantasyroman schrieb und das Thema dort verarbeitete, war ich auch in Plauen. Und dort erfuhr ich, dass man auf einem Neujahrsempfang des Vogtland Anzeigers vom CDU-Landesvorsitzenden abwärts der Meinung war, Blechschmidt habe ja recht gehabt. (Guido Westerwelle dürfe nicht Außenminister sein, weil schwul, und Eltern müßte ihre LGBT-Kiddies "heilen" lassen.") Aber er hätte es nicht sagen dürfen.

    Das war im Dezember 2013, lange bevor das Thema Flüchtlinge/rechte Gewalt aufkam.

    In Sachsen herrscht in vielerlei Hinsicht eine tiefbraun gefärbte Mentalität.

    Sachsen ist in vielerlei Hinsicht braun.

  • "Nötig seien mehr Stellen bei Polizei und Justiz sowie eine Stärkung der Sozialarbeit".

    Bzgl. ersterer Forderung wag ich (Sinnhaftigkeit) zu bezweifeln. Wenns wirklich um Verringerung rechter Gewalt gehn soll. Zweiteres ist überfällig. Aber ob da die Richtigen angeworben/beauftragt werden? Von SOLCHEN Staatsinstanzen...?

  • ""Auffällig ist die Fortexistenz von aus obrigkeitsstaatlicher Vergangenheit tradierten Mentalitäten und Einstellungen", resümiert der 70-jährige Politologe in seinem Buch "Volkes Stimmen". Er stellt es dem Leser frei, seinen Befund auch für die Zeit nach 1990 für sich fortzudenken."

    http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article152564892/Als-man-in-Sachsen-noch-braune-Wutbriefe-schrieb.html

     

    "Womöglich ist die Tal-der-Ahnungslosen-These, die besagt, Pegida wäre auch die Folge des bis 1990 abwesenden Westfernsehens im Großraum Dresden, doch nicht ganz so abwegig und albern. Vielleicht hat es in der DDR dann doch die Medienkompetenz und Meinungstoleranz in Gegenden geschult, wo Menschen regelmäßig mit Konflikten konfrontiert wurden, wie Strauß und Wehner sie im Bundestag austrugen oder Ernie und Bert in der Sesamstraße."

     

    "Nicht dass keine "Hetzschriften", wie sie die Stasi nannte, auch aus Ost-Berlin und Rostock bei ihr eingetroffen wären. Die Sachsens aber waren damals schon empirisch die bei Weitem Eifrigeren und Empörteren. Aus ihren alten Briefen spricht bereits der Hang zum Landsmannschaftlichen und der unerschütterliche Glaube, nicht nur für sich selbst zu sprechen, sondern für die schweigende Mehrheit:"

  • Wieder ein Baustein im System Sachsen offengelegt.

    Und vor allem wieder ein Nachweis, dass Worte und Taten unmittelbar zusammenhängen. Stück für Stück widerlegt sich die Lebenslüge von Pegida, AfD und Co, dass ihre Hetze und ihre Parolen mit rechtsextremer Gewalt nichts zu tun hätten.

    Wo täglich die Ausgrenzung von "Andersartigen" wortreich betrieben wird, fühlen sich Gewaltgeneigte eben legitimiert und angespornt, auch zur Tat zu schreiten. Die Mitverantwortung derjenigen, die sie dazu ermutigen mit Sprüchen von "Gefahren", von "Wehrhaftigkeit" und "Verteidigung", ist nicht abzustreiten.

    • @Soungoula:

      Leider ist im Sächsischen System nicht "nur" die Ausgrenzung "Andersartigen" immanent, sondern ist die Aus- und Abgrenzung generell im Alltag zu finden.

       

      Vor allem in der Schule wird z.B. nicht versucht, alle bestmöglich zu fördern und mitzunehmen auf dem Weg zum Klassenziel, sprich Versetzung und Schulabschluss, sondern die Kinder und Jugendlichen hören von klein auf an nur, dass es einige sehr wenige "gute" Schüler/innen gibt und der "Rest" "schlecht" und "dumm" ist. "Schlecht" bedeutet hier alles ab mind. 2,3! Und in höheren Stufen während der Pubertät hören auch im Gymnasium, aber nicht nur dort, ganze Klassen täglich, dass sie nichts taugen und bestenfalls "Fischverkäufer in Bremen" (schlechtes PISA-Abschneiden dort) werden können. So ist ein sehr großer Teil von SchulabgängerInnen - mit oder ohne Schulabschluss - schon mit Dauer-Erniedrigungen durch "Vorgesetzte" (inkl. Eltern!) in ihrem jungen Leben in Erfahrung gekommen. Wen wundert es dann, dass viele Menschen in Sachsen sich andere "suchen", die sie wiederum "erniedrigen" können. Und die paar, die von klein auf zu den "besten" gehörten, sind es ja auch gewohnt, dass sie "besser" sind und können schön so weiter machen, andere zu erniedrigen. Gerne auch, wenn sie selbst den Lehrerberuf wählen.

      Gespräche mit Lehramtsstudenten bestätigen mir immer wieder, dass sie auch bei vielen jungen Studenten keine neue Richtung erkennen können. Viele bleiben beim alt "bewährten", immerhin haben sie es ja auch so geschafft...

       

      Aber auch in anderen Jobs geht es munter weiter mit Ausgrenzung und Geringschätzung. Letztendlich zeigt sich das auch monetär. Wer als ausgebildete Fachkraft mit langjähriger Erfahrung (gezwungenermaßen) gerade so den Mindestlohn erhält, kann sich davon auch nichts kaufen.

      • 3G
        34970 (Profil gelöscht)
        @Hanne:

        Ja das fiel mir auch schon auf das da was nicht stimmt. Zb an einer jungen Lehrerin die aus Sachsen stammte. Richtig gehend Erbarmungslos obwohl sie bestimmt ein netter Mensch war. Wenn nicht grade in Ausübung des Berufes. Fand ich auch für sie sehr schade das in ihr so eine Härte nistet.

        • @34970 (Profil gelöscht):

          Ja, das habe ich auch schon von LehrerInnen im Westen gehört, dass KollegInnen, die ursprünglich aus Sachsen stammen, auch nach vielen Jahren eben immer noch mit dieser "Härte" unterrichten und sich (wie hier in Sachsen) wundern, dass die Klasse so "schlimm" ist.

           

          Auf der anderen Seite möchte ich die ehemaligen Ost-LehrerInnen nicht unerwähnt lassen, die genau aus diesem Grund "nie wieder zurück" gehen würden und im Westen mit viel Engagement und Liebe unterrichten.

           

          Und zum Nettsein: Ja, das ist das schwierige, denn "nett" kann Härte und rechte Einstellungen kaschieren, siehe auch http://www.taz.de/Zu-Besuch-im-idyllischen-Nazidorf/!5325028/

           

          Rechte können als Nachbarn usw. auch durchaus "nett" sein, Frau Zschäpe war das ja anscheinend auch.

  • Man sollte nicht herunterspielen, dass es überall in Deutschland Probleme mit Rechtsextremismus gibt. Dennoch: Sachsen ist was Rassisten und rassistische Übergriffe angeht europaweit vorne? Woher kommt das?

    • @clarafcks:

      Komm mal nach Pirna. Hier rennen neben Erwachsenen auch Kinder mit eindeutig völkischen Ansagen auf den Klamotten rum. Personen mit "Whitpower-Shirt" oder ähnlichen rassistischen Ansagen sind hier an der Tagesordnung.

      Jeder der behauptet Sachsen hat kein Problem mit rassistischen Bevölkerungsgruppen ist aus seinem Bonzenviertel noch nicht raus gekommen.

    • @clarafcks:

      "Woher kommt das?"

      Dazu gibt es mittlerweile, aber auch schon vor PEGIDA etc. sehr viel zu lesen.

       

      Einfach für's erste "Sachsen Rassismus DDR" bei der Suche eingeben.

       

      Es gibt zu der Frage allerdings auch sehr umfangreiche Literatur in Papier- und Buchform.

    • @clarafcks:

      Vielleicht machen wir uns einmal nicht nur um die Verstärker aus Pegida, AFD etc. Gedanken, sondern um die Jahre und teils Jahrzehnte alten unauffälligen Stimmungsmacher aus den Reihen der CDU/bayernweit CSU (ich höre schon den bigotten Entsetzensschrei!) - aber wer denkt schon gerne daran, wie bereits lange vor dem Mauerfall altes "Herrendenken" gepflegt und Geringschätzung, Abwertung und Häme unauffällig unters Volk gebracht wurde?

       

      Die Saat geht auf und wird nach wie vor (selbstverständlich zweigleisig gefahren) mit heuchlerischen Sprüchen als Tarnmantel der braven Biederkeit gerade von christlichen Parteien unter Volk gebracht.

       

      Aber nur wer Augen hat zu sehen und Ohren hat zu hören und historische Zusammenhänge sehen und daraus Schlussfolgerungen ziehen kann (vor allem WILL!), dem bleibt all dies nicht verborgen.

      • @noevil:

        Folgt man dem CDU/CSU Argument, erklärt das nicht die Sonderrolle von Sachsen. Wenn Herrendenken eine Ursache ist, muss ich dann annehmen, dass dies in Sachsen ausgeprägter ist als in anderen Teilen der neuen Bundesländer. Es war schließlich nicht nur Sachsen hinter der Mauer.

        • @clarafcks:

          Sachsen sind sehr obrigkeitshörig. Gerade in Dresden, einer Hofstadt, hingen auch viele Einkommen vom Hofe ab.

           

          Ich denke dennoch, dass noch mehr dazu kommen muss, denn Höfe und Königreiche gab/gibt es viele.

           

          Auch in älterer Literatur werden die Dresdner immer schon als "besonderes" Völkchen belächelt.

  • Ist's um Dich rum nur rechts und dumpf, dann bist Du wohl im Sachsensumpf.

    Und fragst Du Dich, wo kommt das her - von CDU und de Maizière.

    Von langer Hand so angelegt, der Rest sich seither selbst bewegt,

    ob nun Faschist, ob Fremdenfeind, der Ungeist sich recht schnell vereint.

    • @Rainer B.:

      CDU und de Maizière stehen für die bürgerliche Mitte und haben mit dem Rassismus in Sachsen nichts zu tun, auch wenn manche Linke das immer wieder behaupten.

      • @IL WU:

        Dass genau in der bürgerlichen Mitte Rassismus rasant zugenommen hat, gilt doch mittlerweile als genug erforscht. Nämlich genau dort brodelt auch eine virulente Quelle des Rassismus.

      • @IL WU:

        Da gibt es allerdings auch andere Meinungen zu.

         

        Eigentlich ist bekannt, dass die Sächsische CDU rechter ist als andere CDU-Gruppierungen. Mag sein, dass das in Sachsen dann immer noch die "Mitte" ist, aber im Bundesvergleich ist sie sehr rechts eingestellt und definitiv auch Rassismus schürend.

         

        Aber selbst die Linken-WählerInnen sind in Sachsen auch gerne rechts eingestellt.

         

        Eigentlich sind fast alle tendenziell mit ihren Ansichten rechts und daher fällt der/die einzelne auch nicht so auf :-)