piwik no script img

Studie zu Umgang mit JudenverfolgungDen Holocaust hinter sich lassen

Einen Schlussstrich unter die Holocaust-Geschichte möchten 58 Prozent der deutschen Befragten ziehen. In Israel sind es nur 22 Prozent.

Rosen stecken im Tor vor der Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg (Brandenburg). Bild: dpa

BERLIN kna | 70 Jahre nach der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz will eine große Mehrheit der Deutschen die Holocaust-Geschichte hinter sich lassen. Das geht aus einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung „Verbindende Vergangenheit, trennende Gegenwart“ zu den deutsch-israelischen Beziehungen hervor, aus der die Bild am Sonntag zitiert.

Demnach möchten 81 Prozent der Befragten die Geschichte der Judenverfolgung „hinter sich lassen“ und sich gegenwärtigen Problemen widmen. Einen regelrechten Schlussstrich wollen 58 Prozent der Befragten ziehen. Bei den 40- bis 49-Jährigen ist es jeder Zweite; bei den über 60-Jährigen sind es hingegen 61 Prozent. Anders sieht es in Israel aus: Dort wollen nur 22 Prozent mit der Vergangenheit abschließen.

Die Studie untersucht dem Bericht der Zeitung zufolge auch das Israel-Bild der Deutschen und das Deutschland-Bild der Israelis. Fast die Hälfte der Deutschen, 48 Prozent, hat demnach eine schlechte Meinung über Israel, 36 Prozent eine gute. In Israel hingegen haben 68 Prozent eine positive Meinung zu Deutschland, so viel wie nie zuvor. Nur knapp jeder Vierte – 24 Prozent – sieht Deutschland negativ.

Vor allem mit Blick auf jüngere Generationen sei die Studie ein Warnsignal, kommentierte der Leiter der Studie und Israel-Experte der Bertelsmann Stiftung, Stephan Vogel, die Ergebnisse. „Wir müssen mehr Gelegenheiten für direkte Begegnungen zwischen den Jugendlichen beider Länder schaffen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Hinter dieser Schlussstrichdebatte steckt meines Erachtens eine wichtige Frage: Wie können wir mit diesem schrecklichen Teil unserer Vergangenheit umgehen, ohne uns selbst ständig abzuwerten? Ich glaube, das ist der Punkt, den die Menschen kritisieren, die einen Schlussstrich ziehen wollen. Bloß weil wir so eine schreckliche Vergangenheit haben, sind wir keine schlechteren Menschen als Amerikaner, Franzosen etc.

     

    Ich denke, es geht darum, mit aufrechtem Rückgrat mit unserer Vergangenheit umzugehen. Sagen zu können, ja, unsere Vorfahren haben Dinge getan, die sich um keinen Preis wiederholen dürfen; und wir übernehmen heute Verantwortung dafür, dass das auch nicht geschieht. So kann man denke ich Selbstachtung mit einem Bewusstsein der eigenen Vergangenheit verbinden.

     

    Und ich denke, darum geht es den Menschen, die aufhören wollen, so viel vom Holocaust zu hören: um ein Gefühl der Selbstachtung. Das schließt den bewussten Umgang mit der eigenen Vergangenheit jedoch keineswegs aus.

  • leider wird Geschichte in Deutschen Schulen nur sehr sehr mickrig behandelt oder so gut wie garnicht, lückenhafte Geschichtskenntnisse führen zu Missverständnissen und Fehlurteilen, nur auf einem soliden Geschichtswesen kann es ein gute Aufarbeitung der Geschichte eben geben !

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Und was kommt nach dem Schlußstrich? Hört man nicht jetzt schon wieder gruselige Stimmen, wie man mit Flüchtlingen, Migranten umgehen sollte? Unter dieses Kapitel darf niemals ein Strich gezogen werden. Solange man diese Geschehnisse im Bewusstsein hält, so lange wirken sie wenigstens ein wenig als Bremse, alles wieder in diese fatale Richtung laufen zu lassen.

  • Schlussstrich? Den gabs doch schon....

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Wie soll ein Schlussstrich aussehen? Einfach noch ein paar Jahre warten, dann sind alle Beteiligten tot? Was soll das? Geschichte hat keinen Anfang, kein Ende.