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TISA-Deregulierung von DienstleistungenInternationale Datenschieberei

Wieder verhandeln Regierungen hinter verschlossenen Türen. Geleakte Dokumente zeigen: Dabei geht es nicht weniger schlimm zu als bei TTIP.

Jede Kontobewegung per Kopie in die USA – mit TISA soll das legal werden Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Erst TTIP, nun TISA: Wie streng vertrauliche Dokumente zeigen, verhandeln die EU und die USA hinter verschlossenen Türen über eine umfassende Liberalisierung von Dienstleistungen. Dabei geht es um so heikle Themen wie die Weitergabe europäischer Bankdaten an die USA, die (De-)Regulierung der Finanzmärkte und die Privatisierung der Wasserversorgung. „Was bei TTIP nicht klappt, könnte durch die Hintertür mit TISA kommen“, warnt der grüne Europaabgeordnete und Finanzexperte Sven Giegold.

Die Verhandlungspapiere sind von Wikileaks veröffentlicht worden. Ursprünglich waren sie so geheim, dass sie nur in „abgesichertem Gebäude, Raum oder Container aufbewahrt werden“ sollten. Das Licht der Öffentlichkeit sollten sie erst fünf Jahre nach Abschluss der Verhandlungen erblicken - so steht es gleich zu Beginn des Dokuments, das auf den 14. April 2014 datiert ist. Dennoch bestreitet die EU, dass sie Geheimgespräche führe. Man halte sich an die Gepflogenheiten bei internationalen Verhandlungen, so der Sprecher von Handelskommissar Karel de Gucht.

Dabei stellt das TISA-Leak sogar noch den Swift-Skandal in den Schatten. Vor fünf Jahren war herausgekommen, dass die EU und die USA über die Weitergabe europäischer Bankdaten verhandeln, die beim belgischen Finanzdienstleister Swift verarbeitet werden. Swift wollte die sensiblen Daten auf einem neuen Server in der Schweiz vor US-Zugriff schützen, Brüssel und Washington haben das im Namen des Anti-Terror-Kampfs verhindert.

Mit TISA soll es nun noch schlimmer werden. „Es wird ein internationales Recht für Datenschieberei geschaffen“, kritisiert der Grüne Giegold. Die USA wollten Zugriff auf alle Bankdaten und jede Kontobewegung – weltweit. Zudem möchten die Amerikaner über TISA die Möglichkeit schaffen, EU-Regeln für die Finanzmärkte auszuhebeln. Wenn es nach den US-Verhandlern geht, soll jede neue Regulierung begründungspflichtig werden – das Kapital hätte Vorrang, die Amerikaner hätten das letzte Wort.

Mehrgleisige Strategie

Dasselbe Ziel verfolgen die USA bereits bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP. Dort leitet die EU zwar noch Widerstand - doch mit TISA könnte sich das ändern. „Hier wird offenbar eine mehrgleisige Strategie gefahren“, so Giegold. „Das Motto lautet wohl: Ein Zug kommt durch!“ Der Druck ist jedenfalls groß. Mitte Juli sollen in Brüssel die TTIP-Verhandlungen in die nächste Runde gehen, trotz massiver Proteste.

Über TISA wird schon am kommenden Montag weiter verhandelt – in der australischen UN-Botschaft in Genf, die offenbar besonders abgeschirmt ist. „Aus Angst vor der öffentlichen Empörung verstecken sie sich“, lästert der grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht. Der Datenschutzexperte spottet auch über das Selbstlob der TISA-Verhandler, die sich „wirklich gute Freunde von Dienstleistungen“ nennen. In Wahrheit seien sie „wirklich gute Feinde des Datenschutzes“.

Die EU-Kommission wies diesen Vorwurf prompt zurück. TISA werde den Datenschutz in Europa nicht beeinträchtigen, so De Guchts Sprecher. Ähnlich argumentiert die Kommission allerdings auch bei TTIP. Auch dort heißt es stets, Umwelt- und Verbraucherstandards würden nicht verwässert. Doch solange das Verhandlungsmandat nicht offen gelegt wird, lässt sich diese Behauptung schlicht nicht überprüfen.

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8 Kommentare

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  • Ach so, Sorry an die MitkommunadenInnen - es läuft grad Fussball ... naja, ich wollte ja nicht stören ... ist ja alles in Ordnung ...

     

    Brot und Spiele!

  • Was ist los, Leute? Liest das hier keiner oder ist das unbedeutend, dass gerade das Bankgeheimnis komplett abgeschafft wird und der Bürger erst 5 Jahre später dadrüber informiert wird?

     

    Was haben alle unsere Daten von Kontobewegungen in den USA zu suchen?

  • "Das Licht der Öffentlichkeit sollten sie erst fünf Jahre NACH Abschluss der Verhandlungen erblicken"

     

    Das sind schlicht und einfach:

     

    'Verbrecherische Machenschaften!

     

    Die ranghöchsten Politiker scheinen gleichzeitig auch die grössten Verbrecher zu sein

     

    Mal schauen wie Cameron und Merkel abgehen, wenn die nächste Machtposition besetzt ist ...

     

    DANKE DEN MUTIGEN LEAKERN DIESER WELT!!!

  • Wenn das so weiter geht, wird man sich hier nicht wundern müssen über immer mehr Auswanderer aus dem Gefahrenbereich amerikanischer Kolonialgelüste, denen unsere selbstgewählten Volksvertreter so anbetend zu Füßen liegen und alle Amts-Eide ignorieren, Herr de Gucht. So schaffen wir uns letztendlich unsere eigene neue Migrationsbewegung.

     

    Vom Regen in die Traufe!

     

    EU - quo vadis?

  • Als Pressemann kann man nicht nur an den opfern des Finanzsystems untaetig verdienen und die korrupte Justiz decken, sondern auch die Politiker, die an den Straftaten verdienen und es Aufdeckung und Datenschutz nennen. Das geht aber nur kurz und zwar solange bis die Opfer von der Taetergruppe die Abgabe deren Vermoegens und die Einweisung verlangen, da Sie offensichtlich geistesgestoert ist.

  • Mir will sich beim besten Willen nicht erschließen, was Politiker und -innen, die geschworen haben, "den Nutzen [des deutschen Volkes] zu mehren und Schaden von ihm zu wenden", dazu bewegen kann, den Abschluss eines solchen Abkommens (gilt genauso für TTIP) überhaupt in Erwägung zu ziehen.

     

    Etwas anderes als der Begriff "Korruption" kommt mir da nicht in den Sinn (gut, in diesem oder jenem Fall lässt sich auch "Inkompetenz" in Betracht ziehen.) Wobei die menschenverachtenden Prioritäten der Kanzlerin und ihres Wahlvereins ja bekannt sind und nicht weiter überraschen - dass sich aber die SPD zu diesem Schwachsinn hergibt, muss wohl mit panischer Angst vor Koalitionsbruch und Verlust der Pfründe zu tun haben. Korruption eben.

     

    Da ein bewaffneter Aufstand gegen diesen vorsätzlichen Ausverkauf demokratischer Rechtsstaatlichkeit wohl nicht abzusehen ist und er somit stattfinden wird, bleibt nur die Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht.

    • @Bitbändiger:

      Also zurück in die Kleinstaaterei: Hohenlohe, Baden, Westphalen-Lippe, das waren noch paradiesische Zeiten.

  • Samstag 21.06.2014 in Leipzig 14 Uhr Demonstration gegen

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