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Neue Regeln für Hartz-IV-EmpfängerJobcenter sollen schneller bestrafen

Wer als Hartz-IV-Empfänger gegen seine Auflagen verstößt, bekommt die Leistungen gekürzt. Dies soll künftig rascher geschehen als bisher.

Schärfere Sanktionen: Wer zu spät kommt, dem wird das Geld gekürzt Bild: ap

BERLIN dpa | Hartz-IV-Empfängern soll nach einem Bericht der Bild künftig bereits beim ersten Verstoß gegen Pflichten vom Jobcenter das Geld gekürzt werden. Auf eine entsprechende Verschärfung der Sanktionen hätten sich Bund und Länder in einer Arbeitsgruppe geeinigt. Außerdem solle Hartz IV künftig zwölf und nicht mehr wie bisher sechs Monate lang bewilligt werden, schreibt das Blatt ohne Nennung von Quellen.

Sanktionen werden verhängt, wenn Hartz-IV-Bezieher gegen Auflagen verstoßen und beispielsweise Termine im Jobcenter verpassen oder ihnen angebotene Arbeit verweigern.

Die Kommunen drängen angesichts vieler Klagen auf eine Vereinfachung der Hartz-IV-Bestimmungen. „Nach wie vor sind die Regelungen sowohl für die Betroffenen als auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern zu kompliziert und bürokratisch“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der Passauer Neuen Presse. Das führe zu einer Vielzahl von Widersprüchen und Rechtsstreitigkeiten: „Viele komplizierte Berechnungen der Einzelansprüche sollten durch die Möglichkeit der Pauschalierung vereinfacht werden.“

Je einfacher und transparenter das System gestaltet werde, umso mehr könnten sich die Jobcenter auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren, „nämlich Menschen wieder in Arbeit zu bringen“, sagte Landsberg.

Die deutschen Sozialgerichte verzeichnen seit Jahren eine Klageflut gegen Hartz-IV-Bescheide und gegen Sanktionsentscheidungen der Arbeitsagenturen. Mehr als ein Drittel aller Klagen und Widersprüche von Arbeitslosen gegen Sanktionen bei Hartz IV ist 2013 erfolgreich gewesen. Das hatte die Zeitung Die Welt unter Berufung auf erstmals erhobene Daten des Bundesarbeitsministeriums berichtet.

Hartz-IV-Gesetz „kaum noch zu durchschauen“

Landsberg sagte allerdings, der Grundsatz „Fördern und Fordern“ habe sich bewährt. „Deshalb wäre es falsch, Sanktionsmöglichkeiten abzuschaffen.“ Anders sieht dies Linksparteichef Bernd Riexinger. Er sagte der Zeitung, die Bilanz der Sanktionen sei negativ. „Da wird viel Geld für einen teuren Überwachungsapparat ausgegeben, der massenhaft Rechtsverstöße produziert.“ Wenn sich fast jede zweite Strafe bei der gerichtlichen Überprüfung als rechtswidrig herausstelle, dann stehe „das gesamte Sanktionssystem im Feuer“.

Das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, räumte ein, dass das Hartz-IV-Gesetz komplex und „kaum noch zu durchschauen“ sei. „Wenn ich etwas ändern oder mir etwas wünschen könnte, wäre es, der ursprünglichen Idee der Grundsicherung zu folgen, und die vielen Einzelleistungen zu Pauschalen zusammenzuführen. Wir neigen in Deutschland dazu, jedem Einzelfall gerecht werden zu wollen, alles bis ins Detail zu regeln.“

Der Deutsche Richterbund (DRB) verlangte eine bessere personelle Ausstattung der Gerichte. „Die vorhandenen Richterinnen und Richter reichen bei weitem nicht aus, um sämtliche Verfahren zügig zu bearbeiten“, sagte DRB-Präsidiumsmitglied Bernhard Joachim Scholz der Neuen Osnabrücker Zeitung. Insgesamt fehlten in Deutschland etwa 2000 Richter und Staatsanwälte, davon viele Richter bei den Sozialgerichten.

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19 Kommentare

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  • Welche "komplizierten Einzelansprüche" gibt es denn noch beim HartzIV-Satz?

    Der einzige Einzelanspruch besteht aus Miet-- und Heizkosten.

    Alles andere ist pauschalisiert. Egal, ob jemand 30 Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat oder nie. Da sich Leistung in der BRD nicht lohnen darf, bekommen alle das Gleiche.

  • "Außerdem solle Hartz IV künftig zwölf und nicht mehr wie bisher sechs Monate lang bewilligt werden, schreibt das Blatt ohne Nennung von Quellen. "

    Nur eine Frage an den Autor: ist das eine Verschärfung?

    Was genau sind die Verschärfungen (natürlich ohne Nennung von Quellen)?

  • "Wenn jeder Mensch arbeiten soll, dann muss die Wirtschaftspolitik stringend auf Wachstum, nicht auf Export und Geldwertstabilität ausgerichtet sein."

     

    ... Ja , Märchen und Wunder gibt es immer wieder ! ... Und wenn sie nicht gestorben sind , dann leben sie noch heute . Auch dann noch , wenn das pervers gewordene moribunde Wirtschaftssystem ausröchelt und die Pisa-Athleten immer noch nicht kapiert haben , woran das liegt .

  • 4G
    442 (Profil gelöscht)

    Das ist wirklich purer Wahnsinn. Jetzt werden Bedürftige zur Kasse gebeten, um die Staatskasse zu entlasten. Denn nur darum geht es bei dem Hartz IV-Verschärfungsgesetz! Anstatt in Arbeitsvermittler zu investieren, werden Leistungsbezüge gestrichen - wohl wieder aus fadenscheinigen Gründen. Unmöglich!

     

    Immer auf die Kleinen

    http://www.polenum.com/politik_energie_umwelt_meinung/immer-auf-die-kleinen-hartziv-steuerbauch-jobcenter/

  • Zitat: „„Nach wie vor sind die Regelungen sowohl für die Betroffenen als auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern zu kompliziert und bürokratisch“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der Passauer Neuen Presse. Das führe zu einer Vielzahl von Widersprüchen und Rechtsstreitigkeiten: „Viele komplizierte Berechnungen der Einzelansprüche sollten durch die Möglichkeit der Pauschalierung vereinfacht werden.“ „

     

    Auch die halbe Wahrheit ist bereits eine Lüge. Das sollte auch Herr Landsberg wissen, wenn er Aussagen wie die obige macht.

     

    Es ist nicht nur die Komplexität des SGB II und der zugehörigen untergesetzlichen Regelungen, die zu einer Vielzahl von Widersprüchen und Rechtsstreitigkeiten führt.

     

    Ein mindestens ebenso großes Problem stellt die Verwaltungspraxis der Jobcenter dar, die sich jenseits grundlegender rechtsstaatlicher Garantien abspielt, und dies mit freundlicher Billigung der zuständigen Aufsichtsbehörden, die dem Willkürhandeln der Jobcenter tatenlos zusehen, weil es politisch so gewollt ist.

     

    Was jetzt an Veränderungen geplant ist, stellt im wesentlichen nur einen weiteren Schritt auf dem neoliberalen Weg hin zu einer vollständigen Entrechtung der Hartz IV-Bezieher dar.

     

    Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die neoliberale Politik nicht nur für Arbeitslose, sondern ebenso für die schrankenlose Profitmaximierung der Konzerne Sonderrechtszonen schaffen möchte, wie sich anhand der TTIP-Pläne und weiterer Plänen für sog. „Freihandelsabkommen“ sehr gut beobachten lässt.

  • Das ist mal wieder eine neue Idee, die im Kern wenig bringt. Was sie aber bewirken wird, ist, dass sehr schwache ALG-Bezieher dadurch noch stärker Opfer der Jobcenter werden könnten. Schon heute gibt es Menschen, die durch den Bezug von ALG II (Hartz) zu großen Problemen gekommen sind: Obdachlosigkeit, Schulden, Räumung - die Liste könnte fortgesetzt werden. Warum der Staat so eine Politik überhaupt will und warum jetzt Andrea Nahles dies noch intensivieren will, erschließt sich mir nicht. Die konfliktfähigen ALG-II-Bezieher können dann noch schneller klagen. Der Richterbund fordert entsprechend schon mehr Personal - werden sie wohl auch brauchen. Ich sagen: Diese Gesetz ist insgesamt kontraproduktiv und müste grundsätzlich geändert werden. Wenn jeder Mensch arbeiten soll, dann muss die Wirtschaftspolitik stringend auf Wachstum, nicht auf Export und Geldwertstabilität ausgerichtet sein.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Naja. Irgendwann bringt halt wieder mal Eine/r ein Messer mit zum "Beratungsgespräch".

     

    Man kann ehedem rechtschaffene Leute mit staatlicher Willkür und endloser Restriktion zugrunde richten und in die Verwzeiflung treiben.

  • ....... könnten sich die Jobcenter auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren, „nämlich Menschen wieder in Arbeit zu bringen“, sagte Landsberg.

     

    Die einzige Arbeit, zu der die Menschen vom Jobcenter gebracht werden können, ist Formulare ausfüllen. Oder mit fragwürdigen Massnahmen die Arbeitslosen-Industrie zu füttern. Es gibt deutlich mehr Arbeitslose als offene Stellen. Der Phrasen-Drescher Landsberg hat entweder keine Ahnung von der Realität oder er ist bösartig.

    • @Fritz B.:

      "Der Phrasen-Drescher Landsberg hat entweder keine Ahnung von der Realität oder er ist bösartig."

      D a s ist haltloses dummes Geschwätz ! Bitte noch mal den Artikel lesen !

      Nebenbei : für die Hartz IV-Gesetze kann der Landsberg nichts

  • @CYNICAL INQUIRER

    "Paramilitärgehopse"... hübsch , aber ziemlich daneben . Es ist doch ein weltweites Milliardenheer von Balltreter-Fans , die da von ihrem Geld ihre Artisten gegeneinander "spielen" lassen .

    Und zu Hartz IV : "Die" Politik hat vielleicht (spät aber immerhin) erkannt , dass die knauserige Pfennigfuchserei sehr teuer sein kann , und nicht nur wegen der "Flut" von Rechtsstreitigkeiten .

  • Toller Einstand der deutschen Mannschaft, die Spiele sind eröffnet und die Demokratijunta unseres Landes bereitet den nächsten Schritt der Neoliberalisierung vor. Als ersters werden wieder die Schwächsten der Gesellschaft drangsaliert! Dann kommen die Steuererhöhungen. Schaut Fußball! Gehorcht! Fresst und sterbt! Und ignoriert die Zusammenhänge zwischen Spielen und Politik (auch hier in der taz, konsequent wäre von dem Paramilitärgehopse gar nicht zu berichten). Sie leben (nur sind es keine Ausserirdischen)! Unter uns.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Cynical Inquirer:

      Drum inszeniert sich die Merkel auch immer schön im Stadion, damit sich die Brot&Spiele-Mehrheit dieses verblödeten Volkskörpers auch ja brav mit Mutti identifiziert.

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Jetzt kupfert Ihr nicht nur bei der Huffington Post ab, sondern sogar schon bei den Kollegen der deutschen Tagespresse.

    • @738 (Profil gelöscht):

      Och näää Jungs , ... ist euch entgangen , dass die Taz wie all die anderen Blätter auch ein klitzekleines Problemchen haben ? Wer nicht regelmäßig etwas freiwillig für die Taz abdrückt , hat wirklich keinen Grund sich aufzuregen , dass hier (wie andernorts) ua auch "passende" dpa-Texte schlicht abgedruckt werden .

  • "Vereinfachung" klingt ja erstmal gut. Wozu "Vereinfachungen" so führen, kann jedermann direkt im Steuerrecht nachlesen, das ja schon zahlreiche "Vereinfachungen" hinter sich hat. Der neutrale Beobachter wird übrigens den Grad der "Vereinfachung" an der Anzahl der weggefallenen Stellen in der BA leicht nachprüfen können.

    "Wir saßen alle in einem Boot, die einen auf dem Mast und die anderen im Bilgenwasser." (aus einer Flaschenpost)

  • 8G
    889 (Profil gelöscht)

    "TAZ und FAZ marschieren hier übrigens Seit an Seit... "

     

    Geht's noch?

     

    Also ich für meinen Teil will nicht die FAZ kaufen müssen, um mich über den herrschenden Diskurs zu informieren...

    • @889 (Profil gelöscht):

      Das möchte ich auch nicht. Aber die Frage ist doch, warum TAZ, FAZ, Tagesspiegel und wer weiß noch alles ausgerechnet am Tag nach dem ersten DFB-Spiel in Brasilien wortgleich einen DPA-Artikel abdrucken. Und noch dazu einen, der die Bevölkerung auf eine weitere Verschärfung der ALG II Repression einstimmt. Man beachte auch die Metaphern: Klageflut -> als ob hier nicht Menschen ihr gesetzlich verbrieftes Recht, welches von staatlichen Agenturen gebrochen wurde, einklagen, wie es sich für den allseits beschworenen Rechtsstaat gehört.

       

      Viellciht fühlt sich ja eine Person aus der TAZ-Redaktion mal bemüßigt, diese Frage

  • Liebe TAZ, ich finde den Inhalt des Artikels für eine sich all irgendwie kritisch verortende Zeitung ja schon ziemlich grenzwertig, aber seis drum.

     

    Was ich viel schlimmer finde ist, dass der Artikel offenbar wörtlich von wem auch immer (dpa?) übernommen wurde. Er findet sich wortgleich beim Berliner Tagesspiegel.

     

    Und dann auch noch den "freiwillig zahlen"-Button stehen lassen, wenn die journalistische Leistung im Setzen einer Überschrift und dem Suchen eines Bildes aus dem ap-Archiv besteht ist mehr als dreist.

    • @meierj:

      TAZ und FAZ marschieren hier übrigens Seit an Seit...

      Auch bei der FAZ findet sich der Text nahezu wortgleich.